Dieser fränkische Autor darf auf den Buchpreis hoffen

24.8.2016, 10:58 Uhr
Dieser fränkische Autor darf auf den Buchpreis hoffen

© F.: Alexander Paul Englert

Gerhard Falkner ist ein kluger Schriftsteller. Also bringt er mögliche Einwände gegen seinen Text vorsichtshalber in diesen Text selbst ein. Auf einmal lässt er eine sonst nicht vorhandene Vermieterin des Erzählers auftreten und sagen, "dies hier wäre ein schlechter Roman ... Sie sagt, man wäre ‚als Leser fortwährend auf der Suche nach einem Zusammenhang’ ...und es könne ja nicht Sinn eines Romans sein, ‚sich bis zu seinem Ende damit abzukaspern, einen solchen Zusammenhang zu entdecken‘."

Kurz vor diesem Ende erscheint dem Erzähler gar noch der Teufel als klammheimlicher Spielleiter des Geschehens und fasst so einiges zusammen. Er verweist zum Beispiel auf den Don-Juan-Komplex der Ich-Figur, die zuvor viele Seiten mit Szenen vom "Ficken" geschmückt hat: "Sie sind doch Literat, Autenrieth, Dichter, beschäftigen sich mit den Wissenschaften und der Psychologie. Sie müssten doch zumindest ahnen, dass die Literatur nur eine Nebenwirkung der Sexualität ist, des Supertriebs schlechthin. Geschriebene, gesprochene und gedichtete Hysterie ...".

Da sind dem Kritiker die Urteile aus dem Mund genommen. Da kann er dem selbsterkennenden Verfasser des Romans mit dem konstruierten Titel "Apollokalypse" nur zustimmen, höchstens hinzufügen, dass er den Apollo in der "Kalypse" ziemlich vermisst. Dafür hat er ein Buch gelesen, das ein paar wunderbare Stellen hat, vor allem was Momentaufnahmen von Berlin mit ungeheurer sprachlicher Tiefenschärfe betrifft.

Aufgeladen mit Sexualität

Aber auch ein Buch, dessen manchmal in die "Objektivität" entschwindender Ich-Erzähler ziellos und ohne hinreichend soziale Grundierung durch die Achtziger und Neunziger Jahre irrt, meistens in den Armen von Frauen liegt, auch einige Berührungspunkte mit den Terroristen der RAF andeutet und sich ein paar hollywoodreife Ausflüge in die USA gönnt. Und am Ende tut er alles, um dem Leser aufzudrängen, er sei doch eigentlich nur ein Doppelgänger, ein Spielzeug des Teufels, eine literarische Erfindung eben. Schließlich hat Max Frisch seinen berühmtesten Roman schon 1954 mit dem Satz begonnen: "Ich bin nicht Stiller!"

Folglich ist Gerhard Falkner nicht Georg Autenrieth und der ist wieder nichts anderes als eine schriftstellerische Imagination, die sich genüsslich selbst verunklärt. Falkner betont in einem kurzen Nachwort sogar ausdrücklich, dass sein Buch keine Autobiografie sei. Damit lockt er die Interpreten selbstverständlich genau auf die autobiografische Fährte. Die
würden gerade wir Franken so gern verfolgen, schließlich ist der Autor "einer von uns".

Wir sind stolz auf ihn als einen der bedeutendsten deutschen Lyriker der Gegenwart. Deswegen gucken wir ganz genau hin, wenn Autenrieth als Kind auf den Schultern des Vaters durch die Ruinengrundstücke von Nachkriegsnürnberg getragen wird. Und ebenso, wenn es in der Kinokneipe Meisengeige zu einem konspirativen Treffen im Dunstkreis der RAF kommt. Doch die entscheidende Heimatszene findet auf dem fränkischen Land statt. Und sie ist aufgeladen mit Sexualität, wenn auch noch kindlicher Natur.

Problembär in Prosa

"Apollokalypse" strotzt tatsächlich vor einem irgendwie unfruchtbaren Don-Juanismus. Unfruchtbar, weil die Verfallenheiten des Protagonisten den Leser an keiner Stelle überraschen. Es ist, als hätte sich Falkner mit der überflüssigen Lust am Sexschreiben infiziert, als er vor vier Jahren Mark Z. Danielewskis artifiziell hechelnden Roman "Only Revolutions“ aus dem Amerikanischen übersetzte.

Dennoch raunen Auguren schon wieder über die Preiswürdigkeiten von Falkners Buch. Dennoch wird schon wieder behauptet, dies sei sein erster Roman, als hätte er sich nicht vor einiger Zeit bereits am Problembären "Bruno" in Prosa versucht. Die ist womöglich seine Gattung nicht,
obwohl der Leser auch in "Apollokalypse" manchmal vor der Sprachmacht des Dichters erstarrt. Warum nur hat er sie an so einen triebgesteuerten Individualismus im literarischen Spiegelkabinett vergeudet?

Wenn man mag, kann man Gerhard Falkner das beim Erlanger Poetenfest ja fragen.

Gerhard Falkner: Apollokalypse. Roman. Piper/Berlin Verlag, 430 S.,
22 Euro. Erscheint am 1. September.

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