Franken-"Tatort": Leiser Appell mit fränkischem Charme

9.4.2017, 21:42 Uhr
Kommissar Fleischer, Hauptkommissarin Ringelhahn und Kommissarin Goldwasser beginnen noch nachts ihre Ermittlungen in der Gemeinschaftunterkunft.

© BR/Rat Pack Fimproduktion GmbH/Bernd Schuller, Kommissar Fleischer, Hauptkommissarin Ringelhahn und Kommissarin Goldwasser beginnen noch nachts ihre Ermittlungen in der Gemeinschaftunterkunft.

Als Jan-Josef Liefers und Axel Prahl vor gut einer Woche bei Guido Cantz auf der Couch saßen und ein Millionenpublikum vor dem Fernseher dabei zusah, wie der Showmaster mit einer Undercover-Aktion als furzende Leiche die Dreharbeiten zu "Fangschuss" torpedierte, lachten sich die zwei Hauptakteure ins Fäustchen. Schließlich hätte es kaum eine bessere Extrawerbung für ihren nur einen Tag danach ausgestrahlten 31. Fall geben können.

Die Gratis-Promotion zur besten Sendezeit sollte Wirkung zeigen. Doch bei der Auswertung der Einschaltquoten staunten selbst die erfolgsverwöhnten Macher des "Tatort"-Ablegers. Überragende 14,5 Millionen Zuschauer verfolgten eine an und für sich lahme Mörderjagd, bei der lauwarme Gags dargeboten und die furzende Leiche aus "Verstehen Sie Spaß?" sogar herausgeschnitten wurden. Werte wie diese zementieren förmlich den Kultstatus der Münsteraner Ermittler.

Mehr als nur Kollegen

Von so etwas sind die Kollegen in Franken noch weit entfernt. Das liegt aber vor allem daran, dass "Am Ende geht man nackt" erst der dritte Fall ist, in dem die Hauptkommissare Voss (Fabian Hinrichs) und Ringelhahn (Dagmar Manzel) ihrer Arbeit nachgehen. Trotzdem muss sich der fränkische Ableger vor niemandem verstecken. So stehen bislang zwei liebevoll inszenierte, feinsinnig erzählte Geschichten zu Buche. Die sorgsam ausgewählten Filmtitel klingen poetisch, als seien sie dem Arthouse-Kino entliehen. Auch die Kommissare selbst heben sich schon jetzt vom ermittelnden Rest ab. Voss und Ringelhahn gehen ungemein liebevoll miteinander um. Zwischen den beiden herrscht große Harmonie. Sie erwecken gar den Eindruck, als seien sie auf eine Weise seelenverwandt. Zustände, von denen man beispielsweise in Dortmund nur träumen kann.

Da ist es umso enttäuschender, wenn der Plot des neuen Krimis auf den ersten Blick ziemlich austauschbar wirkt. Ein Unbekannter verübt einen Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft. Dabei stirbt eine junge Frau. Vieles deutet auf einen neuerlichen Problem-"Tatort" hin. Dabei finden die doch vorwiegend in Köln oder Ludwigshafen statt. Da jedoch in fast jeder Szene im fränkischen Dialekt gesprochen wird – so sehr, dass es manchmal nervt – vergisst der Zuschauer keine Sekunde, wo dieser "Tatort" verortet ist.

Undercover-Aktion

Ringelhahn beginnt nun mit ihren Recherchen. Auf Hochdeutsch. Aber noch ohne Kollege Voss. Der stößt erst nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub dazu. Zur Begrüßung gibt es für jeden einen Ring hausgemachte tschetschenische Stadtwurst. Spusi-Leiter Schatz (Matthias Egersdörfer) reagiert typisch fränkisch. Also ohne allzu große Euphorie in Gestik und Mimik. Eher so innerlich. Typisch fränkisch eben.

Da Voss am Tatort noch nicht vorstellig war, wird er als tschetschenischer Flüchtling in die Unterkunft eingeschleust. Schließlich besteht der Verdacht, dass jemand das Opfer an der Flucht aus der brennenden Küche gehindert hat. Mit Bedacht nähert sich Voss den Bewohnern. Für den jungen Syrer Basem (Mohamed Issa) entdeckt der Polizist regelrecht Vatergefühle.


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"Am Ende geht man nackt" spielt glücklicherweise nur in einem vertretbaren Maß mit den üblichen Zutaten, die es in einem Flüchtlings-"Tatort" braucht. Nicht fehlen dürfen natürlich die ewig gestrigen Rechtsradikalen, die sich als Retter der abendländischen Kultur betrachten, ein gewissenloser Immobilien-Hai, der der Stadt baufällige Räumlichkeiten gegen teures Geld als Flüchtlingsunterkünfte zur Verfügung stellt und gute sowie böse Asylbewerber, die teils jahrelang auf einen Entscheid über ihr Bleiberecht warten.

Leiser Appell an die Menschlichkeit

Doch nach dem holprigen Start bekommt Markus Imbodens Film nach und nach die Kurve. Weil befürchtete Kölner Betroffenheitsblicke ausbleiben. Weil Anklagen nicht stattfinden. "Am Ende geht man nackt" ergreift keine Partei und beteiligt sich auch an keiner gesellschaftspolitischen Diskussion. Imboden und Autor Schmidt erzählen ihre realistische Geschichte in leisen Tönen und angenehmen Bildern. Sie wollen nicht verurteilen, sondern lediglich die Sinne für ein wenig Menschlichkeit schärfen.

Menschlichkeit, die vor allem die Kommissare kennzeichnet. Ihre Anteilnahme wirkt natürlich, in keinem Moment gespielt. Auch wenn sie im dritten Fall kaum im Team ermitteln, wächst das Duo weiter zusammen. Das wird vor allem in den wenigen gemeinsamen Dialogen deutlich, die von einer aufrichtigen Herzlichkeit zeugen. Das macht durchaus Lust auf mehr.

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