Im Himmelreich des Doppelsinns

1.12.2008, 00:00 Uhr
Im Himmelreich des Doppelsinns

© Thomas Langer/Stadttheater

Gleich vorab: Dieser Kunstgriff ist Renshaw in Fürth bei der Premiere des Balletts «Des Kaisers neue Kleider» gelungen. Die Märchentante ist bestens gelaunt. Haut, gesponsert mit Mitteln eines großen Fürther Versandgeschäfts, kräftig in die Tanztastatur und zieht gekonnt das eine oder andere Ironie-Register.

Wir haben Märchen viele Einsichten über menschliche Eigenheiten zu verdanken. Hans Christian Andersens Lehrstück über die Täuschung in der Welt vielleicht ein bisschen mehr als anderen, weil es hinter der aristokratischen Fassade so schön menschelt und der Held der wohl größten anzunehmenden Peinlichkeit ausgesetzt wird. Er steht in roten Retro-Unterhosen so gut wie nackt vor seinen Untertanen und wahrt den Schein, obwohl schon der Lächerlichkeit preisgegeben.

Es ist aber auch eine Parabel über die Courage, die Dinge anzuzweifeln und kritische Meinung kundzutun. Renshaws Kaiser (großartig: Eric Trottier, der schon beim Tanzknüller «Könige» für die Farce im blauen Blut sorgte), ist ein kaufsüchtiger Narziss, der dauer-nasepudernd in der Ankleide herumschleicht, einen verweiblichten Kleiderstil pflegt und irgendwie den Bezug zur Regierungsrealität verloren hat. Wir stehen vor einem Postkartenidyll, dank sepiafarbener Lichtregie auf Antik getrimmt, in dem sich zwei Hochstapler (Gabriel Wong, Gaelle Morello) breit machen, um den Kaiser auszunehmen wie eine Weihnachtsgans.

Vier Ministern bleibt da nur das grimassierende Verzweifeln an der Eitelkeit. Renshaw deutet dies temporeich in manierierten tänzerischen Gesten an, die sich mal mehr, mal weniger an die lyrische Vorgabe von Andersens Märchen halten.

Dabei spaziert sie ungeniert über inhaltliche Grenzen und lässt zur Musik von Jean Françaix, die von 30 Minuten Einspielzeit auf 70 erweitert wurde, die auf Hochglanz gebrachten Figuren tanzen. Im künstlichen Badesee vor dem Märchenschloss tummelt sich die Haifischflosse, und Trottier darf in fröhlicher Anarchie mit Tütü um die Lenden im Schwanensee baden gehen.

Dabei reichern wohldosierte Slapstickbilder den Erzählanspruch an, und ein dazugedichtetes Schlossgespenst kriegt manche Kinderkurve. Wenn Herr Kaiser, eingewickelt und zappelnd in seinem roten Teppich, der ihn (Gott sei Dank ohne schlimmere Blessuren!) tags zuvor noch in den Orchestergraben katapultiert hat, für eine schnelle Schlusspointe sorgt, ist der Abspann Verzückung. Die Kinderseele staunt, die Großen jubilieren.

Karin Lederer

Weitere Vorstellungen: freier Verkauf: 20./21. Dez.; Schulvorstellungen ab 8./9. Dez. Karten: 974 24 00

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