Kulturort mit Charme: Kofferfabrik gibt es seit zwei Jahrzehnten

24.4.2014, 11:44 Uhr
Kulturort mit Charme: Kofferfabrik gibt es seit zwei Jahrzehnten

© Stefan Gnad

Das ehemalige Fabrikgebäude unweit der Stadtgrenze, in dem noch bis in die 1980er Jahre hinein tatsächlich Koffer hergestellt wurden, ist alles andere als perfekt renoviert. Aber gerade das macht den Charme der Kofferfabrik aus. Als Udo Martin, der gelernte Kaufmann, der später in seinem Leben auf Schauspieler und Geschichtenerzähler umsattelte, das Kulturzentrum übernahm, war es ziemlich heruntergewirtschaftet und stand kurz vor der Schließung.

Aller Anfang war schwer. In den ersten Jahren musste Martin viel Lehrgeld bezahlen. „Ich musste erst lernen, wie eine Küche funktioniert, wie man richtig einkauft und wie man eine ordentliche Personalplanung macht.“ Inzwischen freut sich die Kofferfabrik über richtig guten Zulauf.

Zwei Drittel der Besucher sind Stammgäste, die mindestens zweimal in der Woche zu dem alten Industriegelände mit dem Biergarten kommen. Darunter sind 16-jährige Punks ebenso wie 40-jährige Krawattenträger und 75-jährige Senioren. Dumm angeschaut wird hier keiner, alle sind willkommen – außer der braunen Brut.

Nur ein einziges Mal ist die Polizei in all den Jahren da gewesen, und das wegen eines falschen Feueralarms. Damit waren die Ordnungshüter immerhin einmal öfter in dem Fürther Kulturzentrum zu Besuch als der Oberbürgermeister und die Kulturreferentin.

Doch Udo Martin kommt auch ohne städtische Förderung zurecht. Wie viele(s) im Leben, so hält sich auch die Kofferfabrik mit einer gesunden Mischkalkulation über Wasser. Der sonntägliche Brunch (jedes Mal mit anderem Länderschwerpunkt) ist legendär, für das nicht minder beliebte Kneipenquiz mit Big Kev Murphy muss man auf die Warteliste, wenn man einen Tisch reservieren will. Mit dem Geld, das die Gastronomie im Haus und die Zugpferde unter den Veranstaltungen reinspielen, wird der Teil des umfangreichen Programms finanziert, zu dem nicht ganz so viele Leute kommen.

Große Namen im Programm

Und Programm wird großgeschrieben auf den rund 700 Quadratmetern, die von 27 Mitarbeitern betreut werden. Von Anfang an war es ein Ziel von Udo Martin, dass in der Saison, die von September bis April geht, jeden Tag etwas passieren soll. Theater und Lesungen, Poetry Slam und Kabarett. Die „Döring’sche Theaterwerkstatt“ ist hier ebenso fest zu Hause wie der Stammtisch „Alde Daggel“. Bekannte mittelfränkische Dauerbrenner wie der Musiker Florian Baessler aka Der Wilde Pilger, Komiker Gymmick, die Poetry-Slammer Michael Jakob und Lukas Fassnacht oder auch die Improtheater-Urgesteine „6 auf Kraut“ treten regelmäßig in der Kofferfabrik auf.

Ein Schwerpunkt liegt auf Musik im Spannungsfeld von Jazz und Blues, Folk und Rock. Regelmäßig sind Bands und Musiker aus der Region, aber auch aus dem Ausland zu Gast auf der Bühne im 1. Stock. Dass zuletzt auch große Namen wie Al Di Meola, Scott Henderson, Steve Gibbons und Ginger Baker in der Langen Straße 81 aufgetreten sind, freut „Mr. Oberkoffer“. „Es war aber nie Ziel, nur solche Größen hier zu haben.“

Bei allem Erfolg: Ohne die in der Subkultur obligatorische Selbstausbeutung geht es auch in der Kofferfabrik nicht. „Einen gewissen Grundwahnsinn brauchst du einfach. Und man darf auch gar nicht länger darüber nachdenken, sondern muss einfach machen.“

Da sind es im Alltag oft die kleinen Momente, die zählen: Wenn Ex-„Genesis“-Sänger Ray Wilson auf einem der Sofas flackt und ein zufriedenes „Ich liebe diesen Laden“ seufzt, dann weiß der Koffer-Chef wieder, warum er das alles macht. Ein Grund, sich zurückzulehnen, ist das aber nicht. Niemals ausruhen heißt die Devise. Mutig sein, unbequem bleiben, stets ein offenes Ohr haben und kreativem Potenzial Raum geben, sich auszuprobieren.

Udo Martins Ziel auf lange Sicht: Die Kofferfabrik als Subkulturladen zu erhalten, sie aber zugleich soweit zu kommerzialisieren, dass es noch kein Verrat ist. „Im Prinzip wird das hier alles mit Farbe und ganz viel Enthusiasmus zusammengehalten. Man könnte aber noch so viel mehr aus dem Haus machen, in dem noch immer viel leer steht.“

Doch man wird Udo Martin nicht jammern hören. Sein Laden läuft, im Fürther Kulturleben ist die Kofferfabrik mehr denn je eine Bastion. Nur eines würde sich der 57-Jährige wünschen: etwas mehr Planungssicherheit. „Mit drei Monaten Kündigungsfrist kann das hier alles ganz schnell zu Ende sein. Klar, man gewöhnt sich an alles. Aber ein bisschen mehr Planungssicherheit wäre schon fein.“
Mehr Informationen gibt es auf der Homepage der Kofferfabrik.
 

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