Max Frischs "Biedermann" in Erlangen

27.9.2016, 14:00 Uhr
Max Frischs

© Foto: Quast

„ACHTUNG ALLES FRISCH“ malt der Feuerwehr-Kommandant zu Anfang auf eine Folie. Ein schön doppeldeutiger Satz. Schließlich hat Max Frischs „Biedermann“, uraufgeführt 1958, sein Haltbarkeitsdatum längst noch nicht überschritten. Leider, könnte man sagen, denn sonst bräuchte es das „Lehrstück ohne Lehre“, wie es der Schweizer Autor nannte, auch nicht mehr. Doch die Biedermänner und die Brandstifter sterben nicht aus.

Gottlieb Biedermann (Hermann Große-Berg) lebt mit Gattin Babette (Marion Bordat) und Dienstmädchen (Janina Zschernig) in einem drehbaren Sperrholzkasten, möbliert mit 50er-Jahre-Sesseln und Fischglas in der Makramee-Ampel: Aktualität wird hier nicht vorgetäuscht, alles ist schön retro (Bühne und Ausstattung: Nikloaus Porz). Und doch passend, wenn die Biedermanns zum zeitgenössischen Schlager feiern: „Wir tanzen wieder Polka“ heißt es da und „Man sehnt sich nach der guten alten Zeit“. Zusammen mit den unendlich vielen realen Daten von Brandanschlägen auf Asylunterkünfte im Jahr 2015, die über zwei Bildschirme am Bühnenrand laufen, ergibt sich die eindeutige Botschaft: Die Zündler, die die Gesellschaft spalten wollen, sind auch heute unter uns.

Es ist nicht die feine Tiefenpsychologie, die Regisseurin Elina Finkel hier bemüht. Sie nimmt Max Frischs Parabel als das, was sie ist: Ein Stück mit Botschaft, ein direkter Spiegel, den er der Gesellschaft vorgehalten hat. Also nochmal reingucken. Und Spaß haben. Finkel lässt die Figuren slapstickhaft durchs Stück stolpern, übertreiben, wo es nur geht, in vergangenen Klischees baden mit „Frauengold“ aus der braunen Flasche, bemaltem Teller an der Wand und schönen Ehefrauen-Sätzen wie, „Was zieh’ ich heute an, was koch’ ich meinem Mann?“

Der Zaunpfahl, mit dem hier gewunken wird, ist riesig, doch das passt. Spießer Gottlieb Biedermann ist ein Unbesonnener, der sich drückt vor der Wirklichkeit und lieber für den Moment gut dastehen will, als Dinge zu hinterfragen. Er will ein ruhiges Gewissen. Schon unschön genug, dass der Mitarbeiter, den er hochkant rausgeschmissen hat, sich umbringt. Für einen zerfledderten Kranz ans Grab hat es grad gereicht. Wie eine Vorahnung steht da schon versehentlich Biedermanns eigener Name auf der Schleife . . .

Der lässt – man will ja keine Vorurteile haben – die Hausierer Schmitz (Benjamin Schroeder) und Eisenring (Ralph Jung) in seinem Dachboden wohnen, obwohl sie ihm penetrant kommen und dreist seinen Wein trinken. „Die blanke Wahrheit ist die beste Tarnung“, weiß Eisenring. Dass auf dem Dachboden bald Benzin und Holzwolle gelagert wird, tut der Hausbesitzer als eigenwilligen Scherz ab und will sich bei den dreisten Neubewohnern nicht unbeliebt machen. Am Ende reicht er ihnen noch die Zündhölzer – als Vertrauensbeweis.

So weit, so bekannt. Mit kleinen Seitenhieben auf das Hier und Jetzt hebt Regisseurin Finkel die heutige Gültigkeit des „Biedermanns“ noch weiter hervor: Da fällt das Wort von der „Lügenpresse“, und am Ende wird der farbige Feuerwehr-Kommandant (Charles P. Campbell) mit Benzin übergossen. Auf den Bildschirmen erscheint das aktuelle Datum: Brandanschlag in Erlangen. Selbst wenn es nicht wirklich brennt – mit Worten wird derzeit schon genug gezündelt. Frisch bleibt frisch.

Weitere Aufführungen: 2./3. Oktober, 12./13. November, Karten-Tel. 0 91 31/ 96 25 11, www.theater-erlangen.de

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