Neuer Berliner Tatort: Reiben, Würgen und ein Blutbad

23.3.2015, 09:45 Uhr
Grandioses Duo: Robert Karow (Mark Waschke, links) und Nina Rubin (Meret Becker) sind die neuen Ermittler in Berlin.

© rbb/(M)/Frédéric Batier Grandioses Duo: Robert Karow (Mark Waschke, links) und Nina Rubin (Meret Becker) sind die neuen Ermittler in Berlin.

Vielleicht überfordern die ersten Minuten. Vielleicht steigt nicht jeder Zuschauer sofort auf die verschiedenen Handlungsstränge ein. Doch vielleicht ist "Das Muli" gerade dadurch einer der besten Tatorte seit langer Zeit.

Wir haben die besten Tweets zum Berliner Tatort zusammengefasst.

Während Robert Karow (Mark Waschke) sich mit einer Badewanne voller Blut, aber ohne Leiche konfrontiert sieht, sieht Kommissarin Nina Rubin (Meret Becker), wie am Frühstückstisch ihre Ehe zerbröckelt. Wieder einmal war sie im Nachtleben unterwegs, dieses Mal im Berliner Cassiopeia, wo sie sich gleich einen Kollegen der Polizei für ein Spiel aus Würgen, Schlagen und Ficken im Hinterhof sucht – der einzige Moment, in dem dieser Tatort zu den üblichen Kniffen des Sonntagabendkrimis greift.

Denn durch das Drehbuch von Stefan Kolditz stehen sich hier endlich einmal zwei Kommissare wirklich gegenüber, es gibt Reibungsflächen und wirkliche Konflikte – eine Sache, die der Tatort aus Münster nur im sinnfreien Klamauk kennt. Karow kommt zur Mordkommission, nachdem sein Partner beim Drogendezernat unter merkwürdigen Umständen ums Leben gekommen ist. Auch er selbst könnte an dessen Tod schuld sein, alleine verrät dieser Tatort das aber nicht.

Den Kollegen voraus

Schon vom ersten Tag an ist er seinen Kollegen mindestens zwei Schritte voraus. Selbst für den Zuschauer lösen sich manche seiner Gedankengänge erst im Laufe der ganzen Länge.

Schnell stellt er bei dem Mord in der Badewanne die richtige Verbindung zu seiner Vergangenheit her: Drogenschmuggel. Dealer nutzen Mädchen als so genannte "Mulis", also Esel, die für sie Drogen im Körper über die Grenze bringen. Bis zu 100 Beutel Kokain im Wert von 40.000 Euro tragen sie dann im Bauch.

Als Entlohnung gibt es dafür ein paar schöne Tage am Strand, Geld und die Hoffnung auf ein besseres Leben. Doch ein Versuch geht schief, ein Mädchen stirbt, die 13-jährige Jo sieht mit an, wie ihre Freundin getötet wird und flieht. Ein Wettlauf beginnt – sowohl Drogenring als auch die Kommissare wollen das Mädchen finden.

"Die Polizei hat gesagt, dass viele junge Menschen in Berlin verloren gehen“, sagen die Eltern des Opfers bei der Obduktion. Und tatsächlich will dieser Tatort mehr sein – ein Panorama der Abgründe von Berlin. Ist er aber nicht. Denn dafür sind die Einstellungen der Stadt viel zu schwach. Bis auf ein paar Aufnahmen in einem neuen Hotel am Flughafen nimmt Berlin hier kaum Platz ein. Die Stadt als eigene Rolle, als Atmosphäre? Dafür verblasst sie viel zu sehr. Glücklicherweise. Denn Kulisse braucht gar keinen Charakter.

Fesselndes Zusammenspiel

Das bringt Karow im Zusammenspiel mit Rubin ein. "Vielleicht lebt sie ja noch", sagt Rubin. "Hoffentlich noch lange genug", so Karow. "Wie meinen Sie denn das?" "So wie ich das sage." Hier treffen endlich mal zwei Figuren aufeinander, deren Menschenbild sich unterscheidet, die sich nicht nur abtasten, um am Ende festzustellen: Der andere Charakter ist genauso hohl wie sie selbst. Die Atmosphäre entsteht hier durch ihr Innenleben, ihre Mimik, ihre Ausdrucksweise.

Mark Waschke spielt Karow unterkühlt, aber nicht übertrieben, arrogant, aber nicht überheblich, während Meret Becker ihre Rubin ein Stück überzeichnet, sie dem Problemkommissar annähert, der mehr mit seinen eigenen Hindernissen als dem Fall zu ringen hat. Stereotyp trifft hier auf frischen Wind. Und alleine dadurch entstehen in der Geschichte Impulse, denn während es Rubin um das Mädchen geht, will Karow vor allem das große Ganze auffliegen lassen - auch um den Preis eines Menschenlebens.

Am Ende scheint alles gelöst, für einen Moment sind die Rollen klar verteilt. Die Guten können sich freuen, dass ein Fall zu den Akten kommt. Doch wie Karow vorher anmerkt: Es ist wie bei Sisyphos. Nur nicht mit einem Stein. Sondern Hunderten von Felsbrocken. Ein Schuss aus dem Nichts und alle Fragen sind wieder offen. Und vielleicht wissen die Macher um die beiden neuen Ermittler aus Berlin einfach, wie sie ihre Zuschauer für mehr als 90 Minuten mit einer Geschichte beschäftigen können.

Ein starker Start für den neu formierten Tatort aus Berlin meldete dann die Deutsche Nachrichtenagentur am Montagmorgen: 10,19 Millionen Zuschauer interessierten sich am Sonntagabend ab 20.15 Uhr für den Fall "Das Muli". Der Marktanteil betrug 27,1 Prozent. Auch beim jüngeren Publikum zwischen 14 und 49 Jahren, das sonst bei den Privatsendern im Fokus steht, lag der Film mit 23,2 Prozent deutlich auf Platz eins.

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