Nürnberg-Plakate, die um die Welt gingen

23.7.2008, 00:00 Uhr
Nürnberg-Plakate, die um die Welt gingen

© Karlheinz Daut

Sein Arbeitswerkzeug hat Fritz Henry Oerter bis heute nicht zur Seite gelegt. Noch immer zeichnet und malt er mit Leidenschaft, und durchaus nicht nur zum Privatvergnügen. Für die Werbeagentur von zwei seiner ehemaligen Studenten ist er seit 2005 als freischaffender Grafiker im Einsatz - und stolz darauf, dass seine originale Handschrift auch im Zeitalter des Computer-Designs gefragt ist.

Geradezu Kultstatus erreichten zu Oerters Ära als Stadtgrafiker seine Plakate zum Tiergarten und die 15-teilige Serie zum Spielzeugmuseum mit dem pauspäckigen Püppchen-Charme. Er schuf Plakate für den Christkindlesmarkt, für Theateraufführungen, Ausstellungen, Konzerte. Auf 400 Plakatentwürfe schätzt er allein sein Nürnberger Werk, das er Anfang des Jahres zu einem großen Teil dem Stadtarchiv übergeben hat.

Eigene Mischtechnik

Darüber hinaus gestaltete er für seine Heimatstadt 30 internationale Ausstellungsauftritte, entwarf vier preisgekrönte UNO-Briefmarken und machte sich auch bei auswärtigen Auftraggebern einen Namen. Berühmt etwa wurden seine Plakate für die Deutsche Märchenstraße an der Weser, für die er eine eigene Mischtechnik erfand. «Besonders die Japaner waren ganz verrückt danach», erinnert er sich. Dass Oerter-Werke einmal weltweite Renner werden würden, präsentiert auf Internationalen Plakatkunst-Biennalen, auf Ausstellungen von Brasilien bis Kanada und käuflich zu erwerben im Shop des Metropoli- tan Museum in New York ebenso wie in den Galeries Lafayette in Paris, war zu Beginn seiner Karriere allerdings kaum absehbar.

Oerters künstlerisches Talent offenbarte sich zwar schon zu Schulzeiten - «im Zeichnen hatte ich immer eine Eins». Doch nachdem er seine von Militärdienst und russischer Kriegsgefangenschaft unterbrochene Ausbildung an der Höheren Fachschule für Grafik und Werbung 1949 absolviert hatte und als «Amtsgrafiker» in städtische Dienste trat, folgte erst einmal die ernüchternde Alltagsarbeit.

Türschilder von Büros beschriften war eine der Aufgaben Oerters, der ursprünglich nach Amerika zu seinem Onkel Henry (daher der zweite Vorname) auswandern wollte. Der besorgte Vater war dagegen, und Oerter gehörte in Nürnberg schon bald zu denjenigen, die auf Initiative des Oberbürgermeisters Andreas Urschlechter daran mitarbeiteten, das Image der von Reichsparteitagen und Kriegsverbrecherprozessen belasteten Stadt zu erneuern. «Meine Aufgaben sind in dem Maße gewachsen, wie die Stadt gewachsen ist», erinnert sich Oerter, der schon bald fachmännische Kollegenhilfe bekam. Am Ende waren ihm sechs Grafikdesigner unterstellt, doch den Chef hat er nie herausgekehrt. «Das waren alles Solisten, lauter exzellente Leute. Wir nannten uns ,die Crew‘ und haben immer das Hermann-Glaser-Wort von der ,Vielfalt in der Einheit‘ beherzigt.»

Dass heute viele Aufträge nach außen vergeben werden, findet Oerter schade, doch möchte er sich keine Kritik an den städtischen Entscheidungen anmaßen. Trotz aller Erfolge sympatisch bescheiden geblieben, freut er sich auf die Ausstellung, die ihm jetzt in der Ehrenhalle des Rathauses ausgerichtet wird - die erste seit der großen Oerter-Millenium-Plakatschau im Jahr 2000 und bestückt nach seiner Auswahl.

Spaß an der Verwirrung

Rund 120 städtische und freie Arbeiten werden zu sehen sein, Plakate, Acryl-Malerei und Grafiken, die den aufmerksamen politischen Beobachter belegen. Die Ausstellung soll Oerters Facettenreichtum vor Augen führen, der von sich schmunzelnd sagt: «Ich bin eine zwiespältige künstlerische Existenz.» Einer, der sich stilistisch nie hat festlegen lassen, der sich je nach Anforderung des Sujets bei Toulouse-Lautrec, dem Jugendstil oder der Pop-Art bediente. «Es gibt keinen typischen Oerter», sagt er und hat Spaß daran, als «künstlerisches Chamäleon auch mal zu verwirren».

Wie ein gutes Plakat entsteht, daran gibt es für ihn jedoch nichts zu rütteln. «Erste Voraussetzung ist immer der Denkprozess, die geistige Auseinandersetzung mit dem Thema.» Das hat er auch seinen Studenten vermittelt, die er von 1988 bis 1998 an der Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule unterrichtete. Und wenn Oerter selber mal nicht weiter weiß, hilft ihm seine Ehefrau Marga weiter - «meine Muse und wichtigste Kritikerin», mit der er seit 54 Jahren glücklich verheiratet ist.