Verwirrspiel in Bamberg

25.1.2016, 11:30 Uhr
Verwirrspiel in Bamberg

© Foto: Martin Kaufhold

„Sonnenklar“ sei ihm jetzt alles, sagt Medardus zwischendurch mal, und da muss das Publikum dann schon recht lachen. Denn sonnenklar ist gar nichts in Hannes Weilers erfreulich pfiffiger Pfefferminz-Version von E.T.A Hoffmanns Roman „Die Elixiere des Teufels“ im Theater Bamberg. Stattdessen sieht man: ein bewusstes, gewolltes Verwirrspiel. Es gibt in Weilers Bühnenadaption recht viel zu lachen, denn statt allzu vorlagentreuer Betulichkeit oder eines radikal dekonstruktivistischen Textmassakers findet der Regisseur einen schlüssigen Mittelweg zum Werk: Er begegnet dem fantastischen, vielschichtigen, doppelbödigen und zuweilen bizarren Inhalt von Hoffmanns punschbefeuerter Sündenvision mit Fantasie, Vielschichtigkeit und einem schrägen Hochgeschwindigkeits-Kuddelmuddel, das passt wie ein Mönch ins Kloster.

Die neue Bamberger Intendantin Sibylle Broll-Pape hat bei der Spielplangestaltung ihrer ersten Saison Rückgriff auf den Namensgeber ihres Hauses genommen, der dort von 1808 bis 1813 eine nicht gerade glückliche Zeit in verschiedenen Funktionen verbrachte. Die „Elixiere des Teufels“ schrieb er in Erinnerung an einen Klosterbesuch in Bamberg, und in der Geschichte um den Klosterbruder Medardus entspinnt sich eine enorm verwickelte Geschichte um brennende Leidenschaften, den „Pfuhl ewiger Verderbnis“, permanent aufploppende geheime Bezüge und Beziehungen und Hoffmanns Lieblingsthema Doppelgängertum. Eigentlich liest sich der wunderbar-wunderliche Roman wie schräger Schwarze-Romantik-Trash, und Weiler nimmt diese Vorlage also folgerichtig ernst, wenn er sie nicht ganz ernst nimmt: ein Klassiker als Kindergeburtstag.

Der Regisseur bebildert Hoffmanns absurde Welt regelrecht aufgekratzt, ohne albern zu werden. Dass da beispielsweise das Teufelselixier in Form eines Kastens Bier daherkommt und all die Bühnentypen gleichsam den gestalterischen Kräften bewusstseinserweiternder Substanzen geschuldet zu sein scheinen, ist bei dieser Vorlage und Hoffmanns Lebensweise ja nicht ganz abwegig. Und weil’s gern auch ein wenig bildungsbürgerlich sein darf, wird in dieser putzmunteren Produktion ständig auf die gerade im Theater so schön überprüfbare Brüchigkeit von Rollen und Identitäten hingewiesen. Denn Hoffmanns literarisches Umrühr-Spiel um Ichs, Doppel-Ichs und rätselhafte Dei ex Machina ist ohnehin erkennbar mit des Autors ausgiebiger Kenntnis von Theaterdonner gewürzt. Weiler macht daraus: Theaterdonner. So ergeben hier auch seine Videoeinspielungen deutlich Sinn.

Sinn ergibt auch, dass Ausstatterin Lena Hiebel die Bühne des Bamberger Studio-Theaters zweigeteilt hat, getrennt durch eine zerschlitzte Plane, auf der Textfragmente zu lesen sind. Durch diese metaphorische Sprach- und Text-Ebene schießen die Schauspieler wie Elritzen auf Beutejagd zu ihren Vorderbühneneinsätzen heraus und ziehen sich dann ebenso geschwind wieder in den geheimnisvollen Rückraum hinter der Plane zurück. Auch hier also eine Doppelung in Hoffmanns Sinn: Das, was sichtbar ist, hat stets auch Bezüge zu dem, was unsichtbar dahintersteckt. Es steckt viel Logik in dieser Inszenierung in all ihrem schrillen Gebaren.

Schnell wechselnde Stimmungen

Dass fast alle Darsteller diverse Rollen verkörpern, versteht sich dann von selbst. Selbst Stefan Hartmann als Medardus ist ständig mehr als er selbst: ein verwunderter Mensch als eine Art Mischung zwischen Stan Laurel und Pumuckl, der nie aus dem Staunen darüber herauskommt, was und wie ihm da geschieht. Hartmann ist der eine Bühnen-Fixpunkt, der andere ist Pina Kühr, die so glänzend in Sekundenbruchteilen zwischen Rollen und Emotionen wechseln kann. Alexander Tröger und Benedikt Flörsch tragen zu dieser zackigen Vielfalt sehenswert bei, und Marie Nest schießt zischelnd und wischelnd durch die Szenerie wie eine versehentlich im Innenraum abgeschossene Silvesterrakete.

Vorstellungen: 26.–28. und 31. Januar, 4., 13., 14., 17., 18. Februar. Kartentelefon: 09 51/87 30 30.

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