Von schwarzen Tintenklecksen, die nie mehr rausgehen

14.5.2012, 00:00 Uhr
Von schwarzen Tintenklecksen, die nie mehr rausgehen

© Harald Sippel

Schenkt man unter anderem der Jugendseite dieser Zeitung Glauben, dann schreibt kein Mensch mehr Briefe oder auch nur sonst irgendetwas mit der Hand. Längst läuft die komplette schriftliche Kommunikation digital: per E-Mail, SMS und Co. Doch wie immer, wenn die Herde in die eine Richtung rennt, klappt seitlich irgendwo eine Nische auf, in der sich die Gegenbewegung sammelt. Sind das in diesem Fall die letzten Kämpfer wider einer aussterbenden Schreibkultur? Oder anders gefragt: Nutzen die ihre edlen Federn auch oder sammeln die nur?

„Das ist schon eher ein Sammeln“, lächelt Horst Max Schrage und zieht ein antikes Schreibgerät aus der Angebotspalette, die vor ihm ausgebreitet auf dem Tisch liegt. „Schauen Sie: Dieser Füller ist 80 Jahre alt, doch das sieht man ihm nicht an. Hier am Schaft hat sich das Material durch die Tinte ein wenig verfärbt, doch das ist normal. Trotzdem würde ich mit diesem Füller heute nicht mehr schreiben.“

Neben dem Sammeln und Handeln hat sich der Hamburger auf das Reparieren kaputter Füllfederhalter spezialisiert. „Ein total geschrottetes Gerät wieder schreibtauglich zu machen, das ist für mich die eigentliche Faszination“, erklärt der 55-Jährige, der gelernter Werkzeugmacher ist.

Neben der Restauration gehört sein Herz „Astoria“: einer alten Füllermarke, die Schrage vor drei Jahren wiederbelebt hat. Seit 1936 ist kein Füller mehr unter diesem Logo erschienen. Als die Rechte 2009 ausliefen, schnappte sich Schrage den Namen, ließ die Marke neu registrieren und begann, „Astoria“-Schreibgeräte nach historischem Vorbild neu aufzulegen. 100 Exemplare aus Ebonit (Hartgummi) – dem klassischen Werkstoff – stellt der Hamburger im Jahr her, alle von Hand gedrechselt, jede Feder höchstpersönlich geschliffen, jeder Füller von ihm selbst eingeschrieben. „Mehr schaffe ich nicht. Dafür ist das dann exklusiv und jedes Stück ein Unikat!“

Zwischen 500 und 2000 Euro kosten die edlen Federn, die es in zwei Reihen (die kleine heißt David, die große Goliath) gibt. Dafür bekommt man dann schon mal einen Füllfederhalter aus echtem Silber – und als Augen der Schlange, die sich als Ansteck-Clip über den Griff windet, funkeln zwei kleine Rubine.

Neben Schreibgeräten wird im Foyer der Tafelhalle alles feilgeboten, was zum Hobby dazugehört: Von Original-Tinte aus den 50er Jahren („ein Spritzer aufs Hemd, das kriegen sie nie wieder raus!“) über spezielle Papiersorten hin zu Fachliteratur und Zubehör wie Ledermappen und Schatullen zum adäquaten Aufbewahren.

Zum fünften Mal veranstaltet Michael Gutberlet die Börse – und ist zufrieden: 33 Aussteller sind es dieses Mal und ein paar hundert emsig fachsimpelnde Besucher, darunter Gäste, die eigens aus Frankreich, Italien, Amerika und Japan angereist sind. Damit hat die Penshow Nürnberg aufgeschlossen zu den großen Füllerbörsen in Köln und Hamburg.

Manche Schreibgeräte stehen an diesem Vormittag gar nicht zum Verkauf, sondern werden nur gezeigt – wie jener Pelikan-Füller der legendären 100er-Reihe aus den 1930er Jahren, der eine spezielle Silberlegierung trägt. „Davon gibt es weltweit heute nur noch drei Stück“, verrät der stolze Besitzer und lässt uns das rare Stück (Schätzwert: 5000 Euro) zumindest einmal in der Hand halten.

 

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