Vor Nürnberg.Pop: Karin Rabhansl im Interview

10.10.2018, 18:34 Uhr
Vor Nürnberg.Pop: Karin Rabhansl im Interview

© Foto: Katja Ruge

NN: Die neuen Songs sind härter, die Texte düsterer und auch Ihr Gesang klingt viel aggressiver als früher. Wie zum Teufel ist das passiert?

Karin Rabhansl: Ich musste 30 Jahre alt werden, um mich endlich mal zu trauen, so eine Platte zu machen. Und ich hatte einfach Lust, eine etwas andere Richtung einzuschlagen. Davon abgesehen habe ich schon immer auch düstere Songs geschrieben, aber die haben thematisch nie zu meinen restlichen, eher fröhlicheren Songs gepasst. Außerdem haben Leute, denen ich die Songs vorgespielt habe, gesagt: "Oh nein Karin, das kannst du nicht bringen, das ist zu krass, da bekommt man ja Angst". Es war für mich ein langer Weg, um genau zu sein drei Alben lang, um rauszufinden, was ich eigentlich will und wo die Reise hin geht.

NN: Gab es diese dunkle Seite schon immer? Oder sind Sie über die Jahre pessimistischer geworden?

Rabhansl: "Die dunkle Seite der Macht" gab’s schon immer bei mir. Ich habe sie nur oft weggedrückt, weil ich mir gedacht habe, ich muss lieb, nett, lustig, ein wenig frech, aber nicht zu derb "für ein Mädchen" sein, um im Musiker-/Boys-Club mitspielen zu dürfen. Irgendwann habe ich aber angefangen, ja zu meiner dunklen Seite zu sagen und gemerkt, dass das ein Teil von mir ist und dass das auch gut so ist. Ich glaube, jeder Mensch hat diese dunkle Seite. Es geht nur jeder individuell damit um. Ich habe für mich gemerkt: Ich muss da hin, wo’s weh tut. Ich würde mich jedoch nicht als pessimistisch bezeichnen, ich bin eher realistisch. Vor allem im Musik-Business muss man sich einfach ein härteres Fell zulegen. Da geht die naive, niederbayrische Dorfmädchen-Mentalität schon mal flöten.

NN: Der Tod hat in den neuen Songs eine sehr prominente Rolle, dabei sind Sie ja noch recht jung...

Rabhansl: Mich interessiert der Tod, weil er so unwägbar ist, keiner Logik folgt und ganz plötzlich eintreten kann. Wenn ich in meiner Lieblingsstadt Wien bin, versuche ich immer auch einen Spaziergang über den Zentralfriedhof einzubauen. Das beruhigt mich irgendwie. Ich mag das Morbide.

NN: "Wenn I doad bin, muas I zum Deife" - wie real ist für Sie die Vorstellung von Himmel und Hölle?

Rabhansl: Aufgewachsen bin ich im tiefsten niederbayrischen Wald mit einer sehr katholischen Erziehung, das prägt einen natürlich. Wobei ich nicht direkt an Himmel und Hölle im biblischen Sinne glaube. Ich denke aber schon, dass es nach dem Tod noch irgendwie weitergeht. Außerdem fand ich diese alte Geschichte um Robert Johnson, der seine Seele an den Teufel verkauft hat, um der beste Gitarrist der Welt zu werden, schon immer super spannend. Runter gebrochen auf die Frage: Was muss ich tun, um Ruhm und Reichtum zu erlangen?

NN: Der Song "Preiskampf" klingt wie eine Abrechnung mit Schönheitsidealen und Partnerbörsen - als wäre Liebe ein Geschäft, geregelt von Angebot und Nachfrage. Sind Sie tatsächlich so desillusioniert?

Rabhansl: Haha, sehr schöne Frage! An Partnerbörsen habe ich tatsächlich nicht bei dem Song gedacht, mehr an dieses ganze Selbst-Optimieren, an Work-LifeBalance und Superfood, an "schlank, hübsch und schön sein" und das zur Schaustellen auf den Sozialen Medien. Plötzlich kann jeder alles werden, wenn man nur den Willen hat. Ich habe das Gefühl, dass einem dabei suggeriert wird: "Hey, so wie du bist, bist du scheiße! Aber es gibt Mittel und Wege, wir helfen dir. Bitte überweise deine Kohle hier hin!" Was zur Folge hat, dass alle immer unglücklicher werden und nur noch mit sich selber beschäftigt sind. Eine Gesellschaft von Narzissten. Mir fällt im Alltag immer wieder auf, dass viele Menschen nur noch von sich selbst erzählen und gar nicht mehr an ihrem Umfeld interessiert sind. Glücklicherweise sind das nicht alle.

NN: Wieviel Einfluss hat Ihre Band auf die musikalische Entwicklung? War die neue, härtere Richtung eine Gemeinschaftsentscheidung?

Rabhansl: Auf gar keinen Fall. Diese härtere Richtung hat sich ja schon ein wenig bei meinem letzten Album "Anna" angekündigt. Als ich da plötzlich angefangen habe, meine Akustikgitarre zu verzerren, ging erst mal ein Aufschrei durch die Band und es gab großen Diskussionsbedarf. Aber am Ende des Tages muss man sich dann halt doch die Frage stellen: "Wie heißt die Band?" Inzwischen finden es alle gut und ziehen mit. Die Jungs haben sich im Studio super reingehängt und einen phantastischen Job gemacht.

NN: Was ist mit der alten, fröhlichen Ringelstrumpf-Karin passiert? Gibt’s die noch oder haben Sie die begraben?

Rabhansl: Natürlich gibt’s die noch. Es gibt ja nicht nur eine Karin, es gibt ganz viele, und ich habe das Gefühl, es werden immer mehr. Außerdem dauert ein Konzert mindestens 90 Minuten und da ist genug Platz für alte Lieder. Und meine Ringelstrümpfe trage ich auch weiterhin.


Aktuelle LP/CD: Karin Rabhansl "Tod & Teufel" (Donnerwetter Musik). Live am 11. Oktober, 20.30 Uhr, im Z-Bau Nürnberg (mit Band); solo am 13. Oktober bei "Nürnberg.Pop" und am 17. November in Fürth im "Kopf und Kragen".

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