Wader: "Ich sehe mich nicht als politischen Liedermacher"

4.11.2013, 09:11 Uhr
Wader:

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Herr Wader, wie und wo haben Sie so fantastisch Gitarre spielen gelernt?

Hannes Wader: Angefangen habe ich mit einer Mandoline. Mit ungefähr zwölf war ich in einem Mandolinenverein, den mein Vater 1927 gegründet hat. Das war so ein typisch sozialdemokratisches Ding im Rahmen der Arbeitervereine. Dort wurde auch Gitarre als Begleitinstrument gespielt. Ich habe dann noch mehr oder weniger dilettantisch ein paar andere Instrumente ausprobiert und Klarinette und Saxophon in einer Jazzband gespielt, bevor später die Gitarre für mich interessanter wurde.

Das Berufsbild des Liedermachers war zu Ihrer Zeit erst im Entstehen begriffen.

Wader: Lange Zeit dachte ich, ich wäre der einzige, der das in Deutschland macht. Erst später erfuhr ich, dass schon eine Szene mit Franz-Josef Degenhardt an der Spitze existierte. Heutzutage drückt man einmal auf einen Knopf und hat über das Internet sofort alles, was man braucht. Solche Möglichkeiten hatten wir damals nicht. Die entscheidenden Begegnungen, die bis heute für mich wesentlich sind, fanden auf der Burg Waldeck statt. Da bin ich aber erst ab 1966 dabei gewesen, als das Festival längst in vollem Gange war und bereits zweimal stattgefunden hatte.

Neben Chansons und Folk-Songs sind auf Ihren frühen Schallplatten viele alte Volkslieder zu finden.

Wader: Da habe ich nach meinen Wurzeln gesucht und sie in diesen alten Liedern gefunden. Wobei das nicht unbedingt so bewusst war, wie es im Nachhinein klingen mag. Ich hatte das große Glück, dass ich durch meinen Vater und meine Familie vorbelastet war. Meine Schwestern spielten ebenfalls Mandoline. Meine Mutter sang sehr viel. Von daher kannte ich die meisten alten Lieder, was keineswegs eine Selbstverständlichkeit war. In den Familien, die um uns herum wohnten, sang kein Mensch. Da spielte auch keiner ein Instrument. Insofern muss ich dankbar sein, dass ich diese Möglichkeiten hatte.

Rührte der Stempel des politischen Liedermachers der Arbeiterklasse, der Ihnen oft aufgedrückt wird, auch aus diesem familiären Kontext?

Wader: Das hat sicherlich eine Rolle gespielt. Hinzu kamen die ideologischen Strömungen, mit denen ich damals in Kontakt gekommen bin. Wie viele andere habe ich mich damals mit Marx und anderen Klassikern des Sozialismus beschäftigt. Später bin ich ja auch noch in die DKP eingetreten, wenngleich aus anderen Gründen. Trotzdem habe ich mich nie als explizit politischen Liedermacher gesehen. Allerdings habe ich immer einen Drang und Druck empfunden, mich in dieser Richtung zu äußern.

Mittlerweile gehören Sie der DKP nicht mehr an.

Wader: Stimmt, und ich unterstütze auch keine andere Partei mehr dezidiert mit meinem Namen. Wobei ich meine grundsätzlichen sozialistischen Überzeugungen nicht über Bord geworfen habe. Die sind bis heute ungebrochen geblieben.

Was längst nicht immer allen geschmeckt hat...

Wader: Nachdem ich in die DKP eingetreten war, bekam ich haufenweise zerbrochene Schallplatten von mir geschickt, mit der „freundlichen“ Empfehlung, sie mir in meinen „Kommunisten-Arsch zu schieben“. So haben manche Leute auf meinen Partei-Eintritt reagiert. Die wollten mich als Einzelkämpfer behalten. Ich sollte als Che Guevara der Liedermacher dastehen und alleine im Busch kämpfen.

Zwischenzeitlich hat sich sogar der Staatsschutz für Sie interessiert, weil sie unfreiwillig der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin Unterschlupf gewährt haben.

Wader: Das hat gereicht, um mir ein Ermittlungsverfahren anzuhängen. Der größte Teil der 70er und 80er Jahre war eine turbulente Zeit für mich. Ich stand unter dauernder Observation. Wenn man sich Bilder aus der Zeit vor mir anguckt, sehe ich aus wie ein wandelndes Skelett, weil ich nur noch geraucht und gesoffen habe.

Man sollte anmerken, dass Frau Ensslin sich Ihnen nicht mit richtigem Namen vorgestellt hat.

Wader: Die hat sich bei mir als Mitarbeiterin vom NDR unter dem Namen Hella Utesch vorgestellt. Dadurch ist alles überhaupt ins Rollen gekommen. Das fand damals gleichzeitig mit meinem Durchbruch statt. Meine dritte Platte „7 Lieder“ explodierte plötzlich und wurde ein wahnsinniger Renner. Auch das wusste ich. Deswegen habe ich mich, nachdem ich die Platte aufgenommen hatte und bevor sie erschienen ist,

auf eine mehrmonatige Tramp-Tour durch Europa begeben. Ich wollte mein altes Leben noch einmal auskosten, weil ich wusste, dass bei meiner Rückkehr nichts mehr so sein würde wie vorher. Dass dann auch auf eine andere Art und Weise vieles nicht mehr so war wie früher, habe ich natürlich nicht geahnt. Mein Durchbruch oder sagen wir ruhig mein Ruhm passierte zeitgleich mit der Verfolgung durch die Strafbehörden. Das hat mich total zerrissen.

Irgendwann wurde das Verfahren aber eingestellt...

Wader: Das erste Ermittlungsverfahren wurde nach fünf Jahren eingestellt. Dann kam aber gleich das nächste. Da hat nämlich jemand behauptet, er hätte gesehen, wie ich in Hamburg am Altonaer Bahnhof eine Kalaschnikow aus meinem Gitarrenkoffer gezogen und Ulrike Meinhof gezeigt habe. Als Muster für eine Bestellung für 24 Kalaschnikows, die sie angeblich bei mir aufgeben wollte. Das hat sich der Mann alles zusammengesponnen. Aber trotzdem war er Kronzeuge der Polizei. Das reichte, um mich weitere fünf Jahre zu verfolgen und unter ständiger Beobachtung zu halten. Normal leben konnte man da eigentlich nicht. Durch diese Baader-Meinhof-Geschichte war ich zehn Jahre lang blockiert.


Aktuelle Doppel-CD: Hannes Wader, „Trotz alledem – Lieder aus 50 Jahren“ (Universal).
 

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