Die Landwirte wollen sich nicht zur Hofaufgabe zwingen lassen

17.9.2015, 19:27 Uhr
Die Landwirte wollen sich nicht zur Hofaufgabe zwingen lassen

© Foto: Müller

Eigentlich müsste man sich scheiden lassen, meint Arnold Ernst. Die Frau des Landwirts aus Rothenburg ob der Tauber hat das getan – sie lebt nicht mehr bei ihm und bekommt jetzt die Bauernrente ausgezahlt. Er selbst erhält keinen Cent. Der 67-Jährige hat sich dazu entschieden, seinen Hof weiter zu bewirtschaften – und wer seinen Betrieb mit dem Rentenalter nicht abgibt, der wird durch die Hofabgabeklausel mit Rentenentzug bestraft (siehe Kasten).

„Man hat Pflichtbeiträge von uns verlangt und jetzt verweigert man uns aus politischen Gründen die Altersvorsorge. Das können wir in keinster Weise hinnehmen“, empört sich Emil Ott. Der 70-Jährige Landwirt aus Lohr, einem Örtchen südlich von Rothenburg, hat schon 1992 auf Nebenerwerb umgestellt. Dadurch bekommt er immerhin 500 Euro gesetzliche Rente. Seine 330 Euro aus der landwirtschaftlichen Alterssicherung werden ihm allerdings verweigert, weil er seine 15 Hektar auch im fortgeschrittenen Alter noch weiter bewirtschaftet.

„In anderen Berufen kann man als Selbstständiger jederzeit bis in hohe Alter weiterarbeiten, ob als Anwalt, Arzt oder Handwerksmeister, und bekommt ohne Probleme seine Rente ausgezahlt“, beklagt sich Dietrich Hugenberg. „Das ist ein Eingriff ins Eigentum und ein Rentenbetrug.“

Der ehemalige Landwirt aus dem Kreis Lippe in Nordrhein-Westfalen leitet gemeinsam mit Heinrich Eickmeyer den „Arbeitskreis für die Abschaffung der Hofabgabeklausel“. Bundesweit fast 1000 Mitstreiter haben sich ihnen angeschlossen.

Sie führen keinen ganz einfachen Kampf, denn der Bauernverband und die Bundesregierung wollen die Klausel beibehalten. „Sie ist nach wie vor ein notwendiges strukturpolitisches Instrument, erhält und verbessert die Flächengrundlage für die Betriebe und fördert den rechtzeitigen Generationswechsel“, erklärt der Deutsche Bauernverband.

Auch Marlene Mortler, CSU-Bundestagsabgeordnete und agrarpolitische Sprecherin der Landesgruppe, plädiert für die Klausel: „Das System hat sich bewährt, da es regelmäßig an die Gegebenheiten angepasst wurde. Es gibt derzeit viele Möglichkeiten der Hofübergabe. Bei den meisten Betrieben läuft sie problemlos ab.“

Der Agrarausschuss des Bundesrats indes kam jüngst zu einem völlig anderen Ergebnis. Er fordert die Abschaffung der Klausel und hält sie für „nicht mehr zeitgemäß, strukturpolitisch weitgehend entbehrlich und sozial ungerecht“. Vielerorts fehlten die Hofnachfolger und der demografische Wandel mache es immer ungerechtfertigter, Bauern zur Aufgabe zu drängen und ihr Einkommen derart zu schmälern.

Wahrscheinlich ist allerdings nur eine Modifizierung der Regelung: „Wir haben ein paar Schwachstellen identifiziert und werden diese im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens beseitigen“, erklärt Mortler.

Kein Geld für Zusatzvorsorge

Immerhin dürfen die Bauern dann, wenn auch im kleinen Rahmen, weiterarbeiten. Einige Härtefälle können dadurch wohl abgeschwächt werden, andere bleiben: „Wir haben sehr viele sehr kleine Betriebe von 15 oder 20 Hektar. Die hatten wenig Einkommen und kaum Geld für eine Zusatzversorgung“, verdeutlicht Isabella Hirsch, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Franken.

Zur Rente kommen bei der Hofabgabe zwar auch noch die Pacht-Einnahmen hinzu, doch die betragen pro Hektar im Jahr vielerorts nur 300 Euro. Wenn die Landwirte weiterarbeiten, stehen sie deutlich besser da.

„Da das Alterssicherungssystem der Landwirte von Anfang an nur als Teilabsicherung gedacht war, ist eine individuelle Beratung für eine zusätzliche Absicherung unerlässlich“, betont Mortler. Eine Aufnahme in die gesetzliche Rentenversicherung wäre für den Bund aber zu teuer.

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