Das "Chaos Kochstraße" an der Erlanger Uni dauert an

8.10.2013, 07:49 Uhr
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© FAU

Zu Beginn klang das alles noch einem schlechten Witz. Damals konnte keiner an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) auch nur ahnen, was noch alles kommen sollte. Am 22. Juli wurde das Gebäude komplett gesperrt – bis auf weiteres, hieß es da. Bis heute, knapp drei Monate später, hat sich daran nichts geändert.

Das größte Problem für die Studenten: Ohne Literatur geht in den philosophischen Fächern meistens gar nichts. Und ohne Fachbibliothek gibt es keine Bücher. Noch immer sind Hunderte von Regalen in den Präsenzbibliotheken im einsturzgefährdeten Gebäude prall gefüllt, aber niemand kommt an die Bücher.

Das Prinzip der Präsenzbibliothek, Bücher stets zur Verfügung zu haben, durch Regale schlendern zu können und so noch das ein oder andere interessante Werk zu entdecken, ist damit begraben – genau wie ursprünglich der Schreibtisch des Mitarbeiters in der Archäologie. Zwar richtete die Uni einen „Bücherholdienst“ ein – allerdings nur für Staatsexamenskandidaten. Alle anderen müssen sehen, wo sie ihre Literatur herbekommen.

Bücher per Fernleihe zu bestellen, dauert meistens lange. Aber Studenten wären nicht Studenten, wenn sie nicht in jeder noch so verzwickten Situation eine Lösung finden würden. Das Ausweichen auf andere Unis, beispielsweise in der Heimatstadt eines auswärtigen Studenten, oder auf die Stadtbibliothek daheim kommt ebenso in Mode, wie das Bestellen bei Online-Händlern. Die lassen einem zwar jedes noch so spezielle Werk innerhalb von drei Tagen in den Briefkasten werfen. Teuer ist das jedoch allemal.

Abgabetermin verschoben

Was bleibt, ist das Entgegenkommen der Uni, Abgabetermine zu verschieben. Für viele ist das ein Segen. Anderen, die gerade ihre Bachelor-Arbeit schreiben oder sich für einen Master-Studiengang bewerben, hilft das nicht.

Und jetzt steht auch noch das Wintersemester vor der Tür! Da wird von Studis wie Angestellten der Fakultät der nächste Kraftakt verlangt. „Nach wie vor herrscht Chaos“, sagt Philipp Dees, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Wirtschaftswissenschaft, das von der Sperrung der Kochstraße 4 betroffen ist.

Zwar habe er persönlich noch Glück gehabt, weil er seine Doktorarbeit im Juli abgegeben habe und aktuell an keinem dringenden Projekt arbeite. Aber viele seiner Kollegen – seit der Sperrung ohne Schreibtisch und Fachliteratur – haben da mehr zu kämpfen. Doch auch für Dees ist die Situation schwierig: „Ich organisiere momentan Umzüge am laufenden Band.“ Zu Semesterbeginn soll der Südflügel der Kochstraße 4 wieder zugänglich sein, doch „da sieht es immer noch wüst aus“.



Zwar hat die Uni für alle Lehrveranstaltungen Ersatzräume in der Erlanger Innenstadt organisiert, und für Sprechstunden sollen ebenfalls Lösungen gefunden werden. „Die Kommunikation mit Kollegen und Studenten ist jedoch kaum möglich“, moniert Dees.

Wie es weitergehen soll? „Das wissen wir im Institut leider auch nicht“, sagt Dees. Die Universitätsleitung betreibe „keine Informationspolitik“, offizielle Aussagen sind rar. „Meist erfährt man irgendwie irgendwas, was jemand mal gehört hat.“

Zum Beispiel ist immer wieder das Gerücht zu hören, die Fakultät solle nach Tennenlohe ausgelagert werden. Vor allem Studenten, die sowieso schon zwischen Nürnberg und Erlangen pendeln, graust es vor Lehrveranstaltungen in dem relativ abgelegenen Stadtteil.



Auch die Fachschaftsvertretung der Philosophischen Fakultät (FSV) ist rat- und machtlos. „Wir wissen genauso wenig wie alle anderen“, sagt FSV-Mitglied Katja Zapf. Bei Nachfragen verweise die Unileitung lediglich auf den für die Sanierung der Kochstraße 4 angelegten Web-Blog.

Kaum eine Hilfe

Der ist für verzweifelte Studenten jedoch kaum eine Hilfe. „Ich habe das Gefühl, dass keiner so richtig weiß, was zu tun ist“, sagt die 22-jährige Geschichts- und Germanistikstudentin Katja. Ähnlich sieht es Wirtschaftswissenschaftler Dees: „Wir wissen nicht, wie das Wintersemester starten soll.“ Wieder einmal dürften die Nerven und die Kreativität der Mitarbeiter und Studenten gefragt sein, denn ein Ende im „Chaos Kochstraße“ ist bislang nicht in Sicht.

Der Blog zur Sanierung des Seminargebäudes Kochstraße 4 lautet www.blogs.fau.de/kochstr4

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