Viel Arbeit, wenig Schlaf

14.7.2015, 18:18 Uhr
Viel Arbeit, wenig Schlaf

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Dass Politik und Party nur schwer miteinander vereinbar sind, erfuhr ich noch vor meiner Abreise nach Berlin: Während meine Mitschüler am Morgen nach Bekanntgabe der Abiturnoten vom Feiern heimkamen, saß ich auf Einladung des Fürther Bundestagsabgeordneten und Bundeslandwirtschaftsministers Christian Schmidt bereits im Intercity nach Berlin.

Für die kommenden vier Tage sollte ich im Planspiel „Jugend und Parlament“ nicht mehr Björn-Hendrik Otte sein, sondern Leopold Wagner, 47 Jahre alt, verheiratet und Vater von vier Kindern. Als Energieberater aus Darmstadt sollte ich für die Ökologisch-Soziale Partei (ÖSP) im Deutschen Bundestag sitzen.

Welche Partei man vertreten musste, wurde durch Los entschieden. Neben der ÖSP gab es die Christliche Volkspartei (CVP), die Arbeitnehmerpartei Deutschlands (APD) und die Partei der sozialen Gerechtigkeit (PSG). Als ÖSP-Mitglied galt es besonders auf die Umwelt und die Gleichstellung von Mann und Frau zu achten.

Bei manchen Teilnehmern verfinsterten sich die Gesichter, nachdem sie erfahren hatten, für welche Partei sie antreten sollten. So landete mancher konservativ eingestellter Schüler bei der APD und ein Abgeordneter, der mit einem „Refugees Welcome“-Shirt angereist war, saß für die CVP im Plenarsaal.

Bis zum nächsten Morgen hatte sich der Unmut aber gelegt. In den Fraktionen wurden die Vorsitzenden und Schriftführer gewählt. Am Nachmittag gab es die „Berliner Runde“. Die Vorsitzenden der vier Parteien wurden dabei zu Entwürfen für ein Einwanderungsgesetz, ein Gesetz zur Verbesserung der Tierhaltung in der Landwirtschaft, ein Gesetz zu neutralen Bewerbungen und einem Antrag zum EU-Beitritt von Illyrien befragt. Die CVP-Vorsitzende brachte ihre Argumente dabei so gut rüber, dass auch bei mir Erstaunen aufkam, als sie beim Abendessen erklärte, dass sie eigentlich politisch weit links stehe.

Am Montagmorgen erfolgte dann die erste Sitzung im Plenarsaal des Bundestages. Besonders begehrt waren die ersten Sitzreihen mit Tisch und drehbarem Sessel, die – wie in Wirklichkeit — nach dem Motto „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ besetzt wurden. Anschließend ging es für uns in die Ausschüsse. Als Abgeordneter der ÖSP hatte ich im Innenausschuss, der sich mit dem Einwanderungsgesetz beschäftigte, keine leichte Arbeit. CVP und APD bildeten nämlich – wie Union und SPD – die Regierung und hatten die Mehrheit. Meine Meinung wurde übergangen, meine Einwände wurden von den Regierungsparteien mit einem Lächeln abgetan.

In der abschließenden Fraktionssitzung musste ich als Sprecher meiner Arbeitsgruppe der Fraktion einen Vorschlag vorlegen, wie meine Partei am Ende abstimmen sollte. Da CVP und APD in den Ausschüssen unsere Vorschläge überstimmt und unsere Änderungsanträge teilweise in der Luft zerrissen hatten, gab es für uns nur die Möglichkeit, das Einwanderungsgesetz abzulehnen. Es trug für uns als Opposition noch zu sehr die Handschrift der Regierungsparteien.

Probleme mit der Quote

Schwierig war es für uns beim Aufstellen der Rednerliste die Frauenquote einzuhalten. In unserer Fraktion saßen neben über 20 Männern gerade mal acht Frauen, von denen drei aber schon andere Posten hatten. Erschwert wurde die Auswahl noch dadurch, dass nicht jede Frau sprechen wollte. Ich sicherte mir schließlich zwei Minuten Redezeit. Statt Berliner Nachtleben war also bis nach Mitternacht Redeschreiben angesagt. Auch wenn wir beim Planspiel sehr realistisch erfahren haben, wie es sein muss, ein Abgeordneter zu sein: Ich hoffe, dass die echten Politiker mehr Schlaf bekommen.

Am Dienstagmorgen war es so weit: Bundestagsvizepräsidentin Ulla Schmidt bat mich ans Rednerpult. Meine Rede ging schnell und schmerzlos vorüber. War ich vorher noch sehr aufgeregt gewesen, fühlte ich mich während meines Vortrags gar nicht mehr so fehl am Platz. In zwei Minuten konnte ich meine Positionen zum Einwanderungsgesetz darlegen und auf Fragen eingehen. Es gab Applaus aus den eigenen Reihen und Kritik aus der Koalition. Alles wie im wirklichen Leben.

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