Großes Kerk-Kino: Der neue Club-Standard

15.8.2017, 16:26 Uhr
Großes Kerk-Kino: Der neue Club-Standard

© Sportfoto Zink / DaMa

"Im Jahr des Jubiläums ist die Lust auf Pokal bei uns besonders groß", hatte Michael Köllner kurz vor Anpfiff zu Protokoll gegeben, im Nachsatz aber auch ein besonders schweres Spiel in Duisburg annonciert. Am Ende sollte Nürnbergs Chef-Animateur natürlich Recht behalten. Die Nachkommen der Cup-Helden von 2007 machen Lust auf weitere erfolgreiche Auseinandersetzungen. Fünf wären es im Optimalfall noch in diesem Wettbewerb. Und der Club dann wieder... - nunja, lassen wir das.

Womit der Club-Coach ebenfalls richtig lag, war, dass das Weiterkommen beim Liga-Kontrahenten für den FCN eine zumindest hinten heraus anstrengende Angelegenheit werden würde. Nach der ersten Hälfte, die Hanno Behrens zurecht eine sehr gute nannte, war das nicht absehbar gewesen. Der Club führte 2:0 - und das auch in der Höhe durchaus verdient. "Letztlich war es ein Sieg unseres Willens und unserer Entschlossenheit", resümierte Michael Köllner nach Spielende.

Ein erstes Mal entschlossen beim Abschluss zeigten sich Nürnbergs Zebra-Jäger in Person von Kevin Möhwald. Der Siegtorschütze aus dem Regensburg-Match buchte dem Club in der achten Minute den ersten seiner zwölf Torschüsse aufs Konto. Nach schöner Ballmitnahme und noch schönerem Dropkick senkte sich das Spielgerät aufs Tordach. Der Club ließ davor und danach die Kugel geschickt zirkulieren. Dass er am Ende über 30 Pässe mehr adressiert und zum Kollegen gebracht haben sollte wie der MSV, hatte damit zu tun, dass er im ersten Durchgang in Sachen Ballbesitz deutliche Vorteile hatte. Besonders gut in der zielgenauen Weiterleitung des Leders präsentierte sich dabei bereits angesprochener Kevin Möhwald: 37 seiner 39 Zuspiele fanden einen Abnehmer aus den eigenen Reihen, was für den Nürnberger Kreativdirektor eine fantastische Passquote von 95 Prozent bedeutete und Möhwald in dieser Kategorie vor die Sportkameraden Leibold (91 Prozent) und Kammerbauer (86) setzte.

Kerk, Ecke, Tor

Der Club hatte in der ersten Hälfte die Spielkontrolle, aber auch in der 17. Minute beinahe das Nachsehen, als Simon Brandstetter bei der ersten gefährlichen von insgesamt 14 Duisburger Torannäherungen an Thorsten Kirschbaum scheiterte. Wenig später hieß es 1:0 für den FCN: Sebastian Kerk, der bereits beim Saisonauftakt mit einer mit viel Effet getretenen Ecke Lautern-Keeper Marius Müller zu einem Eigentor verleitet hatte, beförderte den Ball ans rechte Fünfereck, wo Hanno Behrens Borys Tashchy enteilt war. Der Club-Captain, der bereits in der Vorbereitung sechsmal getroffen hatte und auch beim 3:0 gegen den FCK als erster Nürnberger Torschütze in Erscheinung getreten war, platzierte das Leder wuchtig unter die Querlatte.

Gut gemacht, geht gleich nochmal: Noch vor dem Seitenwechsel erinnerte sich der FCN an seine Standardstärke und nutzte eine diesmal von links und natürlich von Kerk hereingebrachte Ecke, um auf 2:0 zu stellen. Über die gesamte Partie hinweg sollten die Zebras laut einer Sky-Statistik 65 Prozent ihrer Kopfball-Duelle erfolgreich bestreiten. In den beiden spielentscheidenden Szenen hatten die Duisburger jedoch gepennt oder wie der zierliche Cauly Oliveira Souza den heranstürmenden Georg Margreitter gar nicht begleitet.

Nürnbergs tollkühne Eck-Ballerei könnte zur Blaupause für eine erfolgreiche Club-Saison werden. "Standards hatten wir vor dem Spiel trainiert. Schön, dass das aufgegangen ist", erklärte Hanno Behrens nach dem Match, warum es sinnvoll ist, seine Stärken auszuprägen. "Es ist ärgerlich, dass zwei Standards die Entscheidung gebracht haben. Die Ecken waren aber auch überragend platziert und schwer zu verteidigen", zollte auch Köllners Konterpart Ilia Gruev, der Zebra-Dompteur also, der gekonnten Ausführung des rot-schwarzen Stilmittels seinen Respekt.

In der zweiten Hälfte ging der Club vom Gaspedal und konzentrierte sich weitgehend darauf, den komfortablen Vorsprung zu verwalten. Gegen Duisburger, die der zumeist stabilen Nürnberger Defensive doch recht plan- und hilflos begegneten, ging das zumindest unmittelbar nach Wiederbeginn auch gut. Erst nach und nach gelang es dem MSV mit seinen steten Offensivbemühungen den FCN in einen "typischen Pokalfight" (Behrens) zu verwickeln, in dem der Club in den direkten Duellen erstaunlich oft den Kürzeren zog. Die kicker-Statistik deckt auf, dass die Zebras über die komplette Spielzeit hinweg 63 Prozent ihrer Zweikämpfe erfolgreich bestritten, die Nürnberger folglich nur 37.

Löwen hebt den Schnitt - und ist verletzt

Während der im Pflichtspielbetrieb weiter torlose Mikael Ishak und viele seiner Offensivkollegen unter der 20-Prozent-Marke landeten, konnten immerhin die Defensivspezialisten Löwen (71) und Valentini, der mit 76 Prozent der beste Club-Akteur in diesem Ranking war, mit ordentlichen Werten aufwarten. Und dieses Manko bei kampfschwachen, dafür aber spielstarken Gästen aufwiegen. Ärgerlich ist daher, dass Löwen, der neben Zweikampfstärke auch mit variablem, mutigem und vertikal ausgerichtetem Aufbauspiel auffällig wurde, aufgrund einer Zerrung ausgewechselt werden musste und dem Tabellenführer beim Spitzenspiel gegen zweitplatzierte Eiserne aus Berlin somit fehlen könnte.

Ob mit Löwen oder ohne! Der FCN hat das Verlieren offenbar verlernt. Zehn Siege in Serie - die Testspiele in der Vorbereitung miteingerechnet - hat der Club zuletzt eingefahren. Alles gut beim FCN? "In der letzten halben Stunde haben wir das Spiel etwas aus der Hand gegeben. Da hat es einige Male gebrannt. Auch wenn es nur selten richtig gefährlich wurde, darf es nicht unser Anspruch sein, uns die letzten 30 Minuten hinten reinzustellen und nur zu verteidigen", erklärte Sebastian Kerk nach Abpfiff. Nürnbergs Matchwinner weiß, dass das mit dem Siegen kein Selbstläufer ist. Lust auf weitere Erfolge – auch im Pokal - haben die Zebra-Jäger natürlich dennoch gemacht.

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