Wird der Wöhrder See zur Schlammwüste?

6.10.2010, 07:55 Uhr
Wird der Wöhrder See zur Schlammwüste?

© Hagen Gerullis

Das Wasserwirtschaftsamt Nürnberg hat in den vergangenen Monaten eine umfassende Bestandsanalyse unter Beteiligung der Technischen Universität München und den Landschaftsplanern von Büro Team 4 vorgenommen. „300.000 Kubikmeter an Auflandung haben sich in den vergangenen 30 Jahren im Oberen und Unteren Wöhrder See angesammelt. Wenn es so weitergeht, dann ist der See in 30 Jahren komplett verlandet“, fasst Klaus Winklmair, Bauoberrat vom Wasserwirtschaftsamt, die Analyseergebnisse zusammen. Winklmair hat die Untersuchungen geleitet und ist in Nürnberg kein Unbekannter, denn er hat die Umgestaltung des Pegnitztals zwischen Nürnberg und Fürth geleitet.

Die Folgen der Verlandung sind schon jetzt augenfällig: Im Sommer wird das Wasserwirtschaftsamt der Algen nicht mehr Herr und muss teure Geräte einsetzen. Trotzdem stinkt der See. „Wie stark die Verlandung schon fortgeschritten ist, das wussten wir erst nach der genauen Analyse“, sagte Winklmair bei der Vorstellung der Ergebnisse im Bildungszentrum.

Professor Peter Rutschmann, der den Lehrstuhl für Wasserbau an der Technischen Universität München innehat, hat mit Simulationen die Probleme des Wöhrder Sees genau nachgestellt: „Es gibt Bereiche, die nicht mehr durchströmt sind.“ Wenn nichts passiert, dann würden diese weiter zulegen. Die Folgen sind eine wachsende Verlandung. In Teilen sei der See nicht einmal mehr 65 Zentimeter tief.

Die fehlende Strömung der Pegnitz und die abnehmende Fließtiefe im See sorgt auch für eine starke Anlandung von organischem Material wie Vogelkot, Laub, Wasserpflanzen und Algen. Im Sommer fängt es dann zu stinken an. „Die Wasserqualität ist abnehmend und die Naherholungsnutzung wird eingeschränkt“, sagte Rutschmann.

Der Wissenschaftler hat berechnet, dass jedes Jahr 5000 bis 6000 Kubikmeter Sand, Feststoffe und andere Ablagerungen in den See eingeschwemmt werden. Hinzu kommen noch 49 Tonnen Schwebestoffe pro Tag, davon sind 20 Prozent organisches Material. Das Sandfangbecken bei der Satzigner Mühle, das eigentlich den Sand zurückhalten soll, genügt den Anforderungen nicht mehr. Außerdem muss es alle paar Jahre, wie im vergangnen Sommer, für 250.000 Euro von Schlamm und Sand befreit werden.

In mehreren Szenarien hat Rutschmann die Folgen durchgespielt: „Wenn nichts getan wird, dann stirbt der See und große Teil verlanden.“ Am Ende würde sich wieder eine Pegnitzau, die bei Hochwasser überflutet wird, einstellen. Man könnte See und Pegnitz entkoppeln, dann würde aber auch der See an organischem Material sterben. Wenn Bürger und Politik einig sind, dass sie den See erhalten wollen, so Rutschmann, dann müsste die Fliessgeschwindikgeit der Pegnitz etwa durch den Einbau von Inseln erhöht werden, und der See gezielt mit Frischwasser gespült werden. Außerdem müssten die Ablagerungen herausgenommen und die Feststoffe herausgefiltert werden. Der See müsste so gestaltet werden, dass nicht so viel Sand liegen bleibe.

Neben der Verlandungsthematik gibt es aber noch eine weiteres Problemfeld, denn der bei Joggern und Spaziergängern beliebte Uferbereich des Wöhrder Sees ist nach über 30 Jahren stark modernisierungssbedürftig. Der Leiter des Wasserwirtschaftsamts, Josef Keckl, zitierte aus einen Brief von Oberbürgermeister Ulrich Maly, dass der Zustand des Wöhrde Sees „völlig ungenügend ist“ und wohl nur eine grundsätzliche Umplanung Verbesserungen zulasse. Auch Umweltminister Markus Söder ist für eine Aufwertung und Schönheitskur des gesamten Wöhrder Sees.

Landschaftsplaner Max Wehner vom Büro Team 4 hat eine lange Mägelliste zusammengetragen: Zugewachsene Blickbeziehungen, wenig Sitzmöglichkeiten, Wegeschäden, kaputte Holzbauten, Wege, die ins Nichts führen, unzeitgemäße Freiflächengestaltung, isolierte Altwasserbereiche. Team 4 hat auch schon Vorschläge gemacht, wie der Erholungsbereich Wöhrder See aufgewertet werden kann. Biotope und der Status als Landschafstschutzgebiet würden dabei nicht beeinträchtigt.

Das sehen nicht alle so. Vertreter vom Bund Naturschutz konnten sich durchaus den ganzen oder zumindest teilweisen Rückbau des Wöhrder Sees zu einer Auenlandschaft vorstellen, weil der See eine „widernatürliche Anlage“ sei. Das jahrelange Geruchsproblem würde dabei billigend in Kauf genommen. Das wollten Annette Göschner vom Bürgerverien Jobst-Erlenstegen und Wolfgang Köhler vom Bürger- und Geschichtsverein Mögeldorf so nicht stehen lassen. „Der See gehört zu Nürnberg. Ganz auf ihn verzichten wollen die Bürger nicht“, so Göschner. Klaus Köppel, Leiter des Umweltamtes, war sich jedenfalls sicher. einen Kompromiss zwischen Freizeitgestaltung und Landschaftsschutz zu finden.

Kein Wunder passt doch die Aufwertung des Wassererlebnisraums Wöhrder See wie ein Legostein zum Konzepte „Stadt am Fluss“, mit dem die Innenstadt zur Pegnitz geöffnet werden soll. Keckl und Umweltreferent Peter Pluschke wollen zusammen eine offene Planung durchführen, an denen sich alle Interessengruppen beteiligen können. Die erste Sitzung des runden Tisches soll im nächsten Frühjahr stattfinden.

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