NSU-Umfeld plante weitere Anschläge in Nürnberg

20.4.2018, 06:00 Uhr
Ein früherer fränkischer Neonazi-Aktivist berichtet erstmals über weitere Anschlagspläne des NSU-Netzwerks in Nürnberg.

© Repro: Martin Hähnlein/BR Ein früherer fränkischer Neonazi-Aktivist berichtet erstmals über weitere Anschlagspläne des NSU-Netzwerks in Nürnberg.

Anders als bislang bekannt, nahmen nicht nur Mundlos, sondern auch Böhnhardt und Zschäpe 1995 an einer Party mit mehr als hundert Neonazis in Nürnberg teil. Zu der Feier in der Gastwirtschaft "Tiroler Höhe", die Anlaufstelle der NDP war, war den Recherchen zufolge auch der Neonazi Ralf Wohlleben angereist, der mutmaßlich die NSU-Mordwaffe beschaffte.

Ebenfalls dabei: Holger G., der im NSU-Verfahren am Münchner Oberlandesgericht als Unterstützer angeklagt ist. Das Trio stieg nach Angaben des Insiders auch regelmäßig in einem polizeibekannten Rechtsradikalentreff im Nürnberger Stadtteil Mögeldorf ab. Versammlungsort war demnach eine Mietwohnung, die unter anderem von dem Neonazi und Holocaustleugner aus den USA, Gary Lauck, mitfinanziert worden sein soll.

Kai Dalek, ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, den das Rechercheteam von NN und BR jetzt ausfindig machte, war seit 1995 in einschlägigen Szenetreffs in der fränkischen Metropole aktiv.

Er hatte den Recherchen zufolge die Vernetzung zwischen thüringischen und fränkischen Rechtsextremen maßgeblich vorangetrieben und so ermöglicht, dass das spätere terroristische NSU-Trio mit der radikalisierten Neonaziszene in Franken in Kontakt kam.

Dalek steht auch auf der so genannten Garagenliste des NSU-Trios. Diese Telefonliste mit engsten Kontaktdaten hatten Ermittler 1998 bei der Durchsuchung einer mit Sprengstoff, Rohrbomben und Propagandamaterial vollgepackten Garage in Jena entdeckt. Unmittelbar danach waren Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe abgetaucht. Kai Dalek leugnet, das NSU-Trio gekannt zu haben. Doch an seiner Version gibt es erhebliche Zweifel.

Der NSU-Untersuchungssauschuss des bayerischen Landtags hatte die Verfassungsschutzbehörde im Jahr 2013 vergeblich um nähere Informationen über den V-Mann gebeten. Die Nürnberger Landtagsabgeordnete Helga Schmitt-Bussinger (SPD) hatte als früheres Mitglied des Untersuchungsausschusses auf eine Anfrage beim Geheimdienst über Dalek lediglich Akten erhalten, die fast vollständig geschwärzt waren.

Schmitt-Bussinger beklagte nun gegenüber NN und BR: "Mit dem Verfassungsschutz ist eine Aufklärung nicht möglich." Sebastian Scharmer, einer der Nebenkläger-Anwälte im Münchener NSU-Prozess und zugleich Experte auf dem Gebiet von V-Leuten, forderte im Gespräch mit dem Rechercheteam, der Landtag solle einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss einberufen.

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