Brissago am Lago Maggiore: Plötzlich im Urwald

21.7.2018, 08:00 Uhr
Brissago am Lago Maggiore: Plötzlich im Urwald

© Gudrun Bayer

Brissago, in zwei Teile zerschnitten von der verkehrsreichen Uferstraße, teilt das Schicksal vieler Grenzorte: Sie sind berühmt als wichtige Punkte bei der Routenplanung, nicht als Urlaubs-Sehnsuchtsziele. Obwohl: Der Tourismus spielt für die Gemeinde, in der 1700 Menschen dauerhaft leben, durchaus eine wichtige Rolle: Der Zweitwohnungsanteil liegt bei 70 Prozent – der gesetzlichen Höchstgrenze. Im Hochsommer füllen schon mal 6000 Menschen den Ort. Überlaufen fühlt er sich trotzdem nicht an. Schließlich verteilen sie sich auf Ortskern und bergiges Hinterland. Auf 197 Meter über dem Meer steht das Rathaus von Brissago, auf 1037 Metern liegt Mergugno, der höchste Weiler der Gemeinde.

Wer sich von Feodora Balestra, die ehrenamtlich durch ihren Heimatort führt, ihre Lieblingsplätze zeigen lässt, muss daher erst mal klettern. Hoch geht’s zur Wallfahrtskirche Santa Maria Addolorata am Sacro Monte, die Mitte des 18. Jahrhunderts auf einem Felskopf erbaut wurde und das Ende eines Kreuzwegs markiert. Die 64-jährige Feodora legt das Tempo einer durchtrainierten Sportlerin vor. Runter läuft sie mit der selben Energie, über steile Stufen, immer dem Bach entlang, der ebenfalls Sacro Monte heißt und der sich durch einen tropisch anmutenden Urwald schlängelt.

Botanik-Fans der Vergangenheit haben Pflanzen aus der ganzen Welt mitgebracht in einer Zeit, in der noch niemanden der Verdrängungswettbewerb zwischen einheimischen und fremden Arten kümmerte. Im milden Klima am See gedeihen die Exoten prächtig. Zu sehen auch im 1885 angelegten Botanischen Garten auf den Brissago-Inseln, der bekanntesten Sehenswürdigkeit der Gemeinde.

Wir jedoch bleiben im eher unbekannten Teil. Mit mehreren Mühlen wurde am Sacro Monte, so erklärt Feodora, früher Energie gewonnen. "Nur eine wurde gerettet." Auch sie ist jetzt ein Ferienhaus. Ein unerwarteter Stopp. Feodora ist einer Freundin begegnet. Der Tochter von Angelo Conti Rossini, der bis zu seinem Tod 1993 als einer der besten schweizer Köche galt. Feodora ist sichtlich stolz auf ihre Bekanntschaft. Unten im Ort zeigt sie uns die Osteria Agorà, Conti Rossinis letztes Lokal, in dem – direkt neben der Hauptstraße – wieder gehoben gekocht wird.

Über die Straße und hinein in die engen Gassen des ans Ufer gepressten Ortskerns. Blicke durch offene Türen und Torbogen in Innenhöfe; hier eine kleine Statuette, dort ein Töpfchen mit leuchtend-pinken Blümchen, am Balkon hängt die Wäsche, italienisches Lebensgefühl im Süden der Schweiz. Noch einen Abstecher ins "Ridi Pagliaccio", ein kleines Museum, das den italienischen Opern-Komponisten Ruggero Leoncavallo ehrt. Dann, ganz am Ende der Ortsführung, wartet der Prosecco in der Bar um die Ecke.

100 mal durchgefahren, nie links und rechts geschaut. Ein Fehler. Brissago hat offene Augen verdient.

Mehr Informationen:
Tessin Tourismus, www.ticino.ch und Parkhotel Brenscino, www.brenscino.ch, die diese Reise unterstützt haben.
Gemeinde Brissago, www.brissago.ch

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