Weinanbau in Tschechien: Guter Tropfen aus dem Osten

5.10.2019, 08:00 Uhr
Weinanbau in Tschechien: Guter Tropfen aus dem Osten

© Marc Reisner

Waren es bis vor einigen Jahren noch 25 Gramm Restzucker pro Liter, die der Wein enthalten durfte, so sind es nun gerade noch 15.Nach diesen Fakten folgen Stufen, denn es geht hoch hinauf auf den Turm, von dem aus der Blick über die Stadt mit den sorgfältig restaurierten Hausfassaden und weit ins Land geht.

Lieblich liegen die Hügel rundum, schroffe Felsen sind in ganz Südmähren kaum zu finden. So lässt sich problemlos ein Blick auf die österreichischen Alpen werfen und – viel näher – auf die zahlreichen Weingärten rundum. Immerhin 19 000 Weinbauern gibt es in ganz Tschechien, dazu mehr als 16 000 Hektar Anbaufläche – von denen 96 Prozent hier im Süden, in Mähren liegen.

Ich will mir selbst ein Bild machen und steige in den Vinobus, der dreimal täglich einen Rundkurs über Land macht, fast 70 Kilometer lang und mit 15 Haltestellen bei 19 Winzern. Wer mag, steigt aus, probiert hier, wandert dort ein Stück und steigt später wieder in den Bus.

Ich steige aufs Fahrrad. In Sachen Wein bieten sich mehrere Weintrassen durch die Region Znojmo, für längere Touren auch die Mährische Weinroute an. Eine Frage habe ich allerdings noch: Degustationen und Alkohol am Lenker . . .? "Kein Problem", raunt mir ein Mitfahrer zu, "die Polizisten aus der Region sind selbst Winzer und drücken ein Auge zu."

Na gut, dann also los. Nach Šatov geht es, einem Ort, in dem sich zahlreiche ausgedehnte Keller finden, die früher oft erst im nahen Österreich endeten. Mit dem Kommunismus kam das Ende dieser Tunnel, Grenzsoldaten zerschossen sie.

Mit dem Auto fahre ich weiter nach Pavlov. Dort erzählt Winzer Pavel Hrebacka, dass er pro Jahr meist zwischen 30 000 und 40 000 Flaschen produziert, davon 85 Prozent Weißwein. Eigene Anlagen dafür hat er nicht, er borgt sich die Geräte.

Viele Sorten auf kleinen Flächen

Hrebacka setzt in seiner Weinkellerei Paulus auf den Modewein Pálava, einen würzig-duftigen Weißen, der vor etwa 70 Jahren durch die Kreuzung aus Rotem Traminer und Müller-Thurgau entstand. Der Pálava ist hier denn auch der teuerste Wein. Eine Flasche kostet etwa 300 Tschechische Kronen, knapp zwölf Euro.

"Der Arbeitsaufwand im Weingarten ist bei dieser Rebsorte am größten", erklärt Hrebacka, "und um die Qualität zu steigern, reduzieren wir den Ertrag pro Pflanze auf 1,2 bis 1,5 Kilo." Allerdings macht der Pálava in ganz Tschechien auch nur 0,6 Prozent der Anbauflächen aus. Und der Rest? Schwer zu sagen, meint Pavel Krška, Hobbywinzer und Präsident des örtlichen Weinbauverbandes, "bei uns gibt es viele Sorten auf kleiner Fläche". Gerade in der Region Znojmo sorgten allerdings die kalkigen Böden für besonders würzigen Geschmack.

Dass es tschechische Weine trotzdem in Deutschland praktisch nicht zu kaufen gibt, liegt am Durst unserer Nachbarn: Die heimische Produktion deckt etwa 45 Prozent des tschechischen Konsums. Da bleibt für Exporte nicht viel übrig. Aber es ist ja auch schöner, die teils fremden Rebsorten vor Ort zu probieren.

Etwa in Mikulov, einer weiteren Weinbauregion. Im Keller des Schlosses ruht ein gigantisches Fass, das – 1643 dort eingebaut – mehr als 100 000 Liter aufnehmen konnte. Gefüllt wurde es mit dem Zehnten, der Pflichtabgabe der Winzer. Doch selbst leer wog der riesige Behälter mehr als 26 Tonnen, allein die 22 Fassreifen brachten es auf je 390 Kilogramm.

Viel weniger wuchtig ist dagegen das Weinblatt, das in einer weiteren Ausstellung zu bestaunen ist: Es versteinerte vor rund 18 Millionen Jahren. Ganz lebendig und im Hier und Jetzt geht es in den Gässchen rund um den Schlossberg zu. Vinotheken und Winzerstuben wechseln sich ab. Es lohnt sich, in den gemütlichen Gewölben einen Ryzlink vlašský (Welschriesling) oder einen Veltlínské zelené, einen Grünen Veltliner, zu probieren – beide Sorten werden in der Region bevorzugt angebaut.

Weiter geht es zum Schloss Valtice. Im Keller der großzügigen Anlage warten 15 000 Flaschen mit 700 verschiedenen Weinen auf Gäste, die sich durch die besten tschechischen Tropfen probieren möchten. Zwischen 100 und 499 Tschechische Kronen kosten die Degustations-Programme. Die Weine sind tatsächlich die besten 100 eines jeden Jahrgangs, denn die Auswahl ist Ergebnis eines nationalen Wettbewerbs.

Kreative Regelauslegung

Petr Skoupil in Velké Bílovice kredenzt dagegen seine Eigenproduktionen. Der knuffige Wein-Liebhaber baut acht Rotweine und 16 Weißweine an. Seine Weinberge umfassen 30 Hektar. Das ist für tschechische Verhältnisse eine ganze Menge – immerhin durfte ein Winzer in der Tschechpsslowakei maximal fünf Hektar besitzen. "Nun ja", sagt Skoupil schmunzelnd, "wir haben das kreativ auf alle Familienmitglieder ausgedehnt – eigentlich illegal, aber es hat funktioniert". Und schon hat er eine Flasche seines 2015er St. Laurent zur Hand, entkorkt sie rasch und gießt den Gästen ein.

Mehr Informationen:
Tschechische Zentrale für Tourismus
www.czechtourism.com
Tourismuszentrale Südmähren
www.ccrjm.cz
Anreise:
Nach Znaim mit dem Auto über die E50. 500 Kilometer in etwa sechs Stunden. Mit Zug oder Bus nach Prag, dann mit dem Regionalzug nach Znaim; acht bis neun Stunden.
Beste Reisezeit:
Mai bis September

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