Fiat 500e: Der Kult-Italiener fährt elektrisch

13.11.2020, 15:12 Uhr
Fiat 500e: Der Kult-Italiener fährt elektrisch

© Hersteller

Das hätte Fiat auch anders machen können: Für den Start in die Elektromobilität haben die Italiener eine spezielle Plattform konzipiert. Ein Mikro-SUV wäre auf diesem Unterbau vorstellbar gewesen, oder ein City-Mini ganz neuen Zuschnitts.

Stattdessen haben die Designer des Centro Stile eine seit 63 Jahren vertraute Karosserie draufgesetzt – aus nachvollziehbaren Gründen: Der Cinquecento (numerisch: 500) genießt Kultstatus, er wird geliebt von seinen Fans und ist der meistverkaufte Fiat überhaupt. Als Stadtfloh passt er zudem perfekt zum Thema Elektromobilität.

Führt ein Doppelleben

Und so gibt es den Cinquecento ab sofort in zwei Daseinsformen: Einmal als (auch mildhybridisierten) Verbrenner 500. Und einmal als 500e, der mit seinem konventionell angetriebenen Bruder nur die ikonisch knuffige Optik gemeinsam hat.

Zumindest weitgehend. In Länge (3,63 Meter), Breite (1,68 Meter) und Höhe (1,53 Meter) wächst der 500e um jeweils rund fünf Zentimeter über den 500 hinaus. Parken beide Versionen nebeneinander, ist unübersehbar, dass der Stromer schon ein etwas stattlicheres Kerlchen ist. Speziell die Frontpartie wirkt bulliger, statt des Fiat-Signets trägt sie mittig ein markantes "500"-Logo, und aus den kulleräugigen Scheinwerfern wird ein Halbrund, das von einer geschwungenen Leuchten-Linie zur runden Sache ergänzt wird.

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Wie sein benzingefüttertes Geschwisterchen ist auch der 500e als Coupé und als Cabrio erhältlich. Ausschließlich dem Elektriker vorbehalten bleibt aber die neue Karosserievariante "3+1": Auf der Beifahrerseite besitzt sie eine schmale Zusatztür, die sich gegenläufig öffnen lässt und – weil keine Trennsäule im Weg ist – endlich bequemen Zustieg in den Fond erlaubt. Das dürften vor allem Eltern zu schätzen wissen, die den Nachwuchs nunmehr verrenkungsfrei und ohne wütenden Protest im Kindersitz unterbringen können.

Am Platzangebot selbst ändert sich gegenüber Coupé und Cabrio nichts. Auch der 500e bleibt in erster Linie ein Stadtauto, dessen Fond bestenfalls Kinder adäquat unterbringt; der kleine Kofferraum nimmt 185 bis – bei umgeklappter Rücksitzbank – 550 Liter auf.

Herantasten an die Automatik

Vieles neu ist dagegen im Cockpit. Das Quartett der Taster beispielsweise, über die sich die Fahrstufen der Automatik – R für Rückwärts, D für Fahren, N für Neutral, P für Parken – anwählen lassen. Oder die in der Mittelkonsole installierten Kippschalter für Fahrmodi und Lautstärke. Ebenso der bis zu 10,25 Zoll große Zentralmonitor, der das Multimediasystem mitsamt Konnektivität beherbergt. Und die Türen öffnen nunmehr auf Tastendruck.

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Fiat bietet den 500e in zwei Motor- und Akkuvarianten an. Klein passt hier zu klein, groß zu groß. Heißt: Der Basismotor mit 70 kW/95 PS ist an eine Batterie der Kapazität 23,8 kWh gebunden. Diese Kombination gibt es nur für die Limousine. Nach WLTP ermöglicht sie eine Reichweite von bis zu 180 Kilometern.

Die stärkere Maschine mit 87 kW/118 PS dagegen kooperiert mit einem 42-kWh-Akku. Hier nennt Fiat einen Aktionsradius von maximal 320 Kilometern, in der Stadt sollen bis zu 460 Kilometer möglich sein.

Laden in Espresso-Schnelle

Beide 500e-Versionen können dreiphasig und bis zu 11 kW Wechselstrom (AC) laden, zudem bringen sie die Fähigkeit zum Schnellladen von Gleichstrom (DC) mit. Der kleine 23,8-kWh-Akku beherrscht dieses DC-Laden bis 50 kW. Um Strom für 50 Kilometer Strecke zu tanken, genügen laut Fiat zehn Minuten oder – hier denkt man italienisch – die Zeit für eine schnelle Tasse Espresso.

Der größere 42-kWh-Akku bietet eine auf 85 kW erweiterte DC-Ladekompetenz. Hier fallen die Angaben zur Ladezeit exakter aus: 35 Minuten dauert es, bis die Batterie von 0 auf 80 Prozent Ladestand gebracht ist. An der 11-kW-Wallbox oder -Station vergehen für eine Komplettladung 4 Stunden und 15 Minuten, an der 2,3-kW-Haushaltssteckdose sind 15 Stunden und 15 Minuten Geduld aufzubringen.

Erste Probefahrten mit der großen 500e-Lösung haben uns durch Frankfurt und das Umland der Main-Metropole geführt. Der Umgang mit dem italienischen Lifestyle-Stromer funktioniert so unkompliziert, wie elektrisches Fahren nun einmal ist: Finger auf Taste "D", Fuß aufs Fahrpedal, und der 500e macht sich lautlos und vibrationsfrei auf den Weg. E-Auto-typisch nimmt er ansatzlos zügig Fahrt auf, mit leiser Befriedigung nehmen wir im Rückspiegel die finstere Miene des SUV-Fahrers wahr, dem wir an der Ampel locker die Rücklichter gezeigt haben. Satt liegt der elektrische 500 auf der Straße, kariösen Asphalt bügelt er komfortabel aus. Sorry, Verbrenner-Cinquecento, aber dein elektrischer Bruder macht entschieden mehr Laune als du!

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Entlang des Mains und durch die Straßenschluchten fahren wir im "Range"-Modus, in dem der 500e besonders intensiv rekuperiert und das sogenannte "One-Pedal-Driving" ermöglicht – wird der Fuß vom Fahrpedal genommen, ergibt sich eine so starke Verzögerung, dass das Fahrzeug auch ohne Extra-Bremsen zum Stillstand kommt. Die so frei gewordene Energie fließt dann zurück in die Batterie. Über Land wechseln wir in den Normal-Modus. Und interessehalber switchen wir kurz auf den Sherpa-Modus, der eigentlich dazu da ist, bei bedenklich reduzierten elektrischen Reserven die Reichweite zu optimieren. Dann fahren die Lebensfunktionen zurück, die Höchstgeschwindigkeit beschränkt sich auf 80 km/h, Stromverbraucher wie Sitz- oder Spiegelheizung schalten automatisch ab. Tatsächlich springt die Anzeige des Bordcomputers umgehend von 260 auf 287 Kilometer Rest-Reichweite um.

Autonom auf Level 2

Auf der Autobahn rufen wir den "Co-Driver" zum Dienst, so nennt Fiat den intelligenten Abstandsregeltempomat, der autonomes Fahren auf Level 2 ermöglicht und den 500e selbstständig in der Mitte der Fahrspur positioniert, Tempolimits erkennt und die Geschwindigkeit entsprechend hält, ebenso wie den Abstand zum Vordermann. Ausstattungsabhängig fahren auch Helfer wie Totwinkelwarner, Aufmerksamkeits- und Lichtassistent, 360-Grad-"Drone View"-Parksensoren, Rückfahrkamera oder ein Notbremssystem mit.

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Auf den Zuruf "Hey Fiat" merkt der Sprachassistent auf. Gehorsam stellt er, wie aufgetragen, die Temperatur auf 21 Grad und nimmt Navi-Ziele entgegen, beim Wechsel des Radiosenders hilft er uns aber nicht weiter.

Im Fahrzeug liegt ein Datenblatt aus. Wir schlucken: 37.810 Euro! Allerdings betrifft dieser Preis das Cabriolet in Topausstattung "Icon", das an sich schon 32.560 Euro kostet und hier mit vielerlei Extras praktisch auf Komplettausstattung gebracht worden ist. Die Limousine kostet 2000 Euro weniger, der 3+1 dagegen 2000 Euro mehr. Noch luxuriöser gibt sich der zur Markteinführung erhältliche "La Prima" (Limousine ab 34.900 Euro, Cabrio ab 37.900 Euro).

Basismodell ab 23.560 Euro

Dann aufatmen: Das 500e-Basismodell "Action" mit 23,7-kWh-Akku und 70 kW/95 PS ist schon ab 23.560 Euro zu bestellen. Wie bei allen 500e-Varianten darf der Umweltbonus in Höhe von 9480 Euro brutto abgezogen werden. 14.080 Euro also – sieht doch gleich viel besser aus! Als Lieferzeit gibt Fiat übrigens sechs bis acht Wochen an.

Wir parken den Cinquecento vor der Ladestation. Elektrisch hat er nichts von seinem Kultstatus verloren. Eigentlich finden wir ihn so noch viel charmanter. Gut, dass Fiat hier nichts anders gemacht hat.

Ulla Ellmer

Fiat 500e in Kürze:

Wann er kommt: Ist bereits bestellbar

Wen er ins Visier nimmt: Renault Twingo Electric, Honda-e, VW e-up, Seat Mii Electric, Skoda Citigo iV, Smart EQ forfour, Mini Electric

Was ihn antreibt: Elektromotoren mit 70 kW/95 PS und 87 kW/118 PS

Was er kostet: Ab 23.560 Euro. Umweltbonus in Höhe von 9480 Euro brutto abzugsfähig