Hausärzte übers Impfen: "Die Warteliste wächst und wächst"

8.4.2021, 13:30 Uhr
Hausärzte übers Impfen:

© Ron Hübner

Das Telefon steht kaum noch still, laufend gehen neue Anfragen ein, erzählt Dr. Bernd Meisel, dessen Allgemeinarztpraxis sich in Oberfürberg befindet. So wie ihm geht es vielen Kollegen.


Corona-Impfung beim Hausarzt: Das sollten Patienten wissen


"Die Warteliste wächst und wächst und wächst", sagt etwa auch der Allgemeinarzt Dr. Franz Jobst, Vorsitzender des Fürther Ärztenetzes. Anmeldungen gab es vorher schon, aber seit Gründonnerstag sei das Anrufaufkommen heftig. Viele, so Jobst, schildern den Arzthelferinnen am Telefon, welche Krankheiten sie haben, damit sie möglichst rasch einen Termin bekommen. "Der Drang, geimpft zu werden, ist sehr, sehr groß."

Die Impfstoffmenge indes, die den Ärzten zur Verfügung steht, ist noch klein: Zwei Fläschchen des Vakzins von Biontech/Pfizer hat Jobst für diese Woche bekommen, 14 Dosen sind das. Er hat damit sieben ältere Patienten, die nicht mehr mobil sind, bei Hausbesuchen geimpft und sieben in die Praxis eingeladen. Sie alle gehören zu den Vorranggruppen eins und zwei, die aktuell versorgt werden.

"Wir müssen uns an die Impfreihenfolge halten", betont Jobst, und er findet das auch richtig: Je älter jemand ist, desto höher sei das Risiko, dass Covid-19 schwer oder tödlich verläuft. "Das ist eindeutig – warum sollte ich davon abweichen?"

Es stünden inzwischen so viele Impfwillige aus den beiden Prioritätengruppen auf seiner Warteliste, dass es – so vermutet er – auch kein Problem sein wird, unter ihnen Kandidaten zu finden, die ganz kurzfristig kommen können, wenn Restdosen verimpft werden müssen.

Neben den über 80-Jährigen sind inzwischen Menschen über 70 dran, außerdem unter anderem Patienten mit bestimmten chronischen oder schweren Erkrankungen, aber auch enge Kontaktpersonen von Pflegebedürftigen, die zuhause betreut werden, sowie von Schwangeren. (Einen kompletten Überblick finden Sie hier.)

50 Impfdosen konnte Jobst für die kommende Woche bestellen – noch weiß er nicht, ob er tatsächlich alle 50 bekommt. Termine kann er also oft nur kurzfristig vergeben: "Wir erfragen von allen eine Nummer, unter der sie wirklich zu erreichen sind."

"Wir müssen viele vertrösten"

Vielen sei nicht klar, welche Erkrankungen genau in die Prioritätengruppe zwei fallen, berichtet sein Kollege Meisel. Nicht jede Herzerkrankung beispielsweise gehöre dazu. Andere wollen jetzt schon mal "den Fuß in die Tür bringen". Alle, die anrufen, weise man darauf hin, dass die Priorisierung weiter gilt. "Wir müssen viele vertrösten."

In der Sprechstunde könne man mit den Patienten das Vorgehen besprechen. Dabei sei man bisher meist auf Verständnis gestoßen, sagt Meisel, auch weil die festgelegte Reihenfolge eine "Regierungsentscheidung" und keine persönliche Entscheidung des Arztes ist.

Ein "Impfzentrum" in der Schön-Klinik

Meisel gehört mit seiner Praxis zum Medic-Center Nürnberg, einem Verbund von mehr als 130 Ärzten in der Region, der jetzt eine Art eigenes Impfzentrum in den Räumen der leerstehenden Schön-Klinik an der Europaallee eingerichtet hat: Acht Praxen aus Fürth und Stein nutzen die Möglichkeit, ihre Patienten hier zu immunisieren.

In der früheren Schön-Klinik ist ein Impfzentrum des Medic-Centers entstanden.

In der früheren Schön-Klinik ist ein Impfzentrum des Medic-Centers entstanden. © Ron Hübner

Am Dienstag und Mittwoch bekamen hier insgesamt 366 Patientinnen und Patienten der acht beteiligten Praxen die schützende Impfung. Alle mit Termin, betont Michael Langer, Geschäftsführer des Medic-Centers, sicherheitshalber. Niemand könne einfach so vorbeischauen. Auch könne man nicht die Patienten anderer Praxen berücksichtigen; jeder solle sich weiter an seinen Hausarzt wenden, rät Langer.

Vier Ärzte des Medic-Centers können in den Räumen der früheren chirurgischen Praxis der Schön-Klinik gleichzeitig impfen. Gerade für seine kleine Praxis in Oberfürberg sei es hilfreich, die Strukturen zu zentralisieren, sagt Meisel. Der normale Praxisbetrieb könne so einfach weiterlaufen – auch dann, wenn hoffentlich bald viel mehr Impfstoff geliefert werde. "Es ist sinnvoll, strategisch zu planen, um in der Pandemie ein großes Stück vorwärtszukommen", sagt der Mediziner.

Mehr Aufklärungsbedarf, wenn Astrazeneca kommt

Dass sie mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer starten konnten, hat es den Ärzten leichter gemacht. Das Produkt steht in der Gunst der Patienten ganz oben. Schon bei Moderna gebe es Vorbehalte, so Meisel, weil in den Medien seltener davon zu lesen ist. Noch größer werde der Aufklärungsbedarf bei Astrazeneca sein.

Meisel weiß von Impfwilligen, die in der Vergangenheit zu ihrem vereinbarten Impftermin mit Astrazeneca erschienen sind – in der Hoffnung, der Arzt könne ihnen doch ein anderes Vakzin geben. Als sie feststellten, dass das nicht möglich ist, machten sie einen Rückzieher.

Um Impfdosen, die etwa nach solchen Terminabsagen übrig bleiben, rasch verimpfen zu können, kennzeichnen die Praxen des Medic-Centers auf ihren Wartelisten die "Springer" aus den aktuellen Vorranggruppen, die mobil sind und kurzfristig einspringen könnten.

"Die Patienten sind unglaublich dankbar"

Große Dankbarkeit erleben Jobst, Meisel und ihre Kollegen in diesen Tagen. Hausarzt Jobst erzählt von seinen ersten Geimpften, die "unglaublich dankbar" waren. "Man merkt, dass viele lange darauf gewartet haben, dass die Hausärzte impfen", sagt Medic-Center-Geschäftsführer Langer. "Das ist ein super-angenehmes Arbeiten."

Grundsätzlich sei es schon sinnvoll, dass auch Jüngere, die noch nicht an der Reihe sind, ihre Impfbereitschaft signalisieren. Allerdings, so Jobst, sei es nicht verkehrt, damit noch zu warten, bis der erste Ansturm vorbei ist. Und er betont: "Es hat keinen Sinn, mit den Helferinnen am Telefon zu diskutieren, warum es wichtig ist, dass ich geimpft werde. Sie können das nicht entscheiden. Und wir führen auch keine Liste nach der Reihenfolge der Anmeldungen."

Von der Reihenfolge abweichen dürfen Impfzentren und Ärzte nur im Ausnahmefall, um zu vermeiden, dass Impfdosen weggeworfen werden müssen. Für Menschen aus der Prioritätengruppe drei empfiehlt es sich, sich auch beim bayernweiten Portal BayIMCO zu registrieren. Wichtig: Wer beim Hausarzt schneller drankommt als im Impfzentrum, sollte seinen Eintrag in BayIMCO löschen, damit keine Termine blockiert werden. Umgekehrt bitten die Praxen darum, dass man Bescheid gibt, wenn man im Impfzentrum immunisiert wurde und keinen Platz mehr auf der Warteliste benötigt.

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