Ungewöhnlicher Protest: Fürther Klinikchef schweigt zu #allesdichtmachen

26.4.2021, 21:00 Uhr
Ungewöhnlicher Protest: Fürther Klinikchef schweigt zu #allesdichtmachen

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Ein Video zeigt den Arzt, der auch Pandemiebeauftragter des Klinikums ist, wie er lautlos über eine sonnige Wiese läuft und den Zeigefinger an den Mund legt. Im Text darunter macht er deutlich, um was es ihm geht. "Botschaft an die Beteiligten der Aktion #allesdichtmachen. Manchmal wäre Schweigen besser als Reden!!!"

Zu sehen ist das Video auf seinem Instagramkanal doc.m.wagner, auf dem er regelmäßig bei "weekend-walks" seine Gedanken zur Pandemie und deren Auswirkungen auf die Kliniken teilt. Er will dem medizinischen Personal eine Stimme geben. Wie groß das Bedürfnis von Pflegern und Ärzten ist, gehört zu werden, zeigt die große Resonanz seitens der Mitarbeitenden aus dem Fürther Krankenhaus und anderen Kliniken.

"Ich bin ziemlich aufgebracht, verärgert und enttäuscht", schreibt Wagner mit Blick auf #allesdichtmachen auf Instagram. Es sei zwar schwierig, alle Einzelbeiträge über einen Kamm zu scheren. Aber es komme trotz des Stilmittels von Satire und Ironie nur "wenig nachvollziehbare gute Intention" an. Die Essenz, die er aus der Künstler-Kampagne herausfiltert: "Eine autoritäre Bundesregierung schürt Panik, die von gleichgeschalteten Medien weiterverbreitet wird."

Wenn man die unabhängige Medienlandschaft in Deutschland mit der von totalitären Staaten vergleicht, bediene man das Narrativ rechter Kreise, die gerne von der Lügenpresse sprechen. "Das sage ich jetzt nicht als Pandemiebeauftragter, sondern als politischer Bürger", sagt Wagner gegenüber den FN.

Was ihm derweil als Klinikchef und Pandemiebeauftragtem fehlt: die Wertschätzung für diejenigen, die in den Krankenhäusern des Landes tagtäglich die Hauptlast dieser Pandemie tragen. "Sie haben sie verdient, wenn es auch in Zukunft noch Leute geben soll, die uns versorgen, wenn wir krank sind." Wenn es um die Aufwertung des Pflegeberufs geht, wird laut Wagner oft von einer besseren Bezahlung gesprochen. Für mindestens genau so wichtig aber hält er Anerkennung.

Trotzdem ist er kein Anhänger der Aktion #allemalneschichtmachen, die die Notärztin und Bloggerin Carola Holzner, im Netz bekannt als Doc Caro, als Antwort ins Leben gerufen hat und die die Künstler-Videos als zynisch kritisiert. Holzner forderte die an #allesdichtmachen beteiligten Schauspieler auf, für eine Schicht im Rettungsdienst oder auf einer Intensivstation mitzuarbeiten.

Inhaltlich kann Klinikchef Wagner die Motivation zu dieser Gegenkampagne zwar gut nachvollziehen. Aber das Vorgehen hält er für nicht zielführend. "Sie polarisiert statt zusammenzuführen!"

Gegen hasserfüllte Kommentare

Wagner gibt sich versöhnlich: Trotz aller Kritik an #allesdichtmachen seien die teils hasserfüllten Kommentare zu der Kunst-Aktion völlig überzogen. "Man sollte anerkennen, dass inzwischen etliche der Beteiligten aufgrund der Wirkung dieser Kampagne ihr Video zurückgezogen und sich klar von Querdenkern und rechten Tendenzen abgegrenzt haben."

Und das hält Wagner für das Entscheidende: Nicht "dass wir einmal einen Fehler machen, sondern dass wir dann, wenn wir merken, etwas entwickelt sich in eine nicht beabsichtigte oder falsche Richtung, die entsprechenden Konsequenzen daraus ziehen".


Das sagen Schauspieler aus der Region zu der Aktion #allesdichtmachen


Unter dem Motto #allesdichtmachen hatten rund 50 TV- und Filmstars, darunter prominente Vertreter wie Jan Josef Liefers, Heike Makatsch und Ulrich Tukur, in sarkastisch-ironisch inszenierten Videos auf Instagram die Pandemiepolitik der Bundesregierung und den Umgang der Medien damit kommentiert.

"Schließen Sie ausnahmslos jede menschliche Wirkungsstätte und jeden Handelsplatz", fordert etwa Tukur die Bundesregierung auf. "Nicht nur Theater, Cafés, Schulen, Fabriken, Buchhandlungen, Knopfläden, nein, auch alle Lebensmittelläden, Wochenmärkte und vor allem auch all die Supermärkte. Sind wir erst am Leibe und nicht nur an der Seele verhungert und allesamt mausetot, entziehen wir auch dem Virus und seiner hinterhältigen Mutantenbagage die Lebensgrundlage."

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