Heimspiel

Ein Hauch von Bella Italia: So lebt Nürnbergs Ex-OB Ulrich Maly

8.7.2021, 11:47 Uhr
Durch die Zucchiniblätter: Ulrich Maly kennt sich nicht nur am Herd gut aus, sondern ist auch im Garten „für alles Essbare“ zuständig. Im Hochbeet wachsen außerdem viele mediterrane Kräuter, an der Hauswand rankt der Wein idyllisch empor.

© Michael Matejka Durch die Zucchiniblätter: Ulrich Maly kennt sich nicht nur am Herd gut aus, sondern ist auch im Garten „für alles Essbare“ zuständig. Im Hochbeet wachsen außerdem viele mediterrane Kräuter, an der Hauswand rankt der Wein idyllisch empor.

Poloshirt, Jeans, braune Sandalen, im Gesicht eine leichte Bräune vom Kurzurlaub am Gardasee, so steht Ulrich Maly hinterm Gartenzaun. „Bitte reingehen und hinten wieder rausgehen“, winkt er den Besuch von der Presse ins Haus. Vorbei an formschönen Holzmöbeln, gemütlich und puristisch zugleich, und Bücherturmregalen geht es auf die Terrasse. Eine lauschige grüne Oase öffnet sich hinter dem Haus, das in der Falkenheimsiedlung in Nürnberg liegt. Die Umgebung ist wie der Hausherr selbst: unaufgeregt. Auf einem roten Gartenstuhl nimmt der SPD-Mann, der Nürnbergs Geschicke 18 Jahre lang als Oberbürgermeister geleitet hat, Platz, daneben gibt es auch blaue, gelbe und grüne. „Eine Farbe war uns zu langweilig“, sagt Maly. Die Stühle mit dem Retro-Design sind auch eine Reminiszenz an sein Lieblingsland Italien.

Ein Hauch von Bella Italia: So lebt Nürnbergs Ex-OB Ulrich Maly

© Michael Matejka

Mit seiner Frau Petra war er dort gerade, in einem Häuschen, einsam gelegen auf der Westseite des Gardasees. Die Wanderwege gehen dort direkt von der Haustür weg, erzählt er, während er in grauen Steingut-Tässchen Espresso serviert. Gekauft bei „Biancardi“, seinem italienischen Lieblingshändler in Gostenhof. Maly kocht leidenschaftlich gerne. Seit einem Jahr hat er die heimische Küche „komplett übernommen“, sagt er. Denn seit einem Jahr ist der 60-Jährige im Ruhestand.

"Ich bin der Typ einsamer Läufer"

Während andere mit Coronapfunden kämpfen, hat Maly ein paar Kilo verloren, das Polohemd sitzt locker. Sicher hängt es mit seiner Tagesroutine zusammen: Nach dem Aufstehen und der morgendlichen Zeitungslektüre geht er joggen. Am Alten Kanal oder am Schuttberg, mindestens eine halbe Stunde, oft auch eine Stunde lang, jeden Tag. Massenläufe und Marathons sind nicht sein Ding. „Ich bin eher der Typ einsamer Läufer.“

Ein Hauch von Bella Italia: So lebt Nürnbergs Ex-OB Ulrich Maly

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Zusammen mit seiner Frau hat er in den letzten Monaten zudem „alle Wanderführer durchgelaufen“, sagt Maly und lacht. Seine Ehefrau Petra, die köstliche selbstgemachte Trüffel auf den Tisch stellt („Nur Schokolade, Butter und Eier, ganz einfach“), setzt sich nur auf einen schnellen Espresso dazu. „Es geht ja um ihn“, sagt sie.

"Nicht ins Leere springen"

Fast 20 Jahre lang ging es um ihn in Nürnberg. Oder vielmehr: Ging es ihm um Nürnberg. Von 2002 bis 2020 war er der Oberbürgermeister. Jetzt ist Ulrich Maly Privatmann.Und es bekommt ihm sichtlich gut. Eine klassische „Nachkarriere“, wie er es formuliert, mit einer Vielzahl an Ehrenämtern und anderen Aufgaben wollte er nicht. „Ruhestand ist Ruhestand“, sagt er. Und: „Es ist gut, so wie es ist.“
Maly wirkt glaubhaft entspannt. Geltungsbedürfnis ist bei dem 60-Jährigen nicht zu spüren. Sein Abschied vom Amt war bewusst. Man merkt, dass er sich damit vorher länger beschäftigt hat. Das rät er auch allen anderen, bei denen dieser Schritt ansteht. „Bis zum letzten Tag am Schreibtisch zu sitzen und zu arbeiten und dann ins Leere zu springen, das ist keine gute Idee“, warnt er. Und sich bloß nicht mit tausend Freizeitaktivitäten zuschütten.

Ein Hauch von Bella Italia: So lebt Nürnbergs Ex-OB Ulrich Maly

© Michael Matejka

Maly war für seine spritzigen und selbstgeschriebenen Reden bekannt. Die Bühne fehlt ihm aber nicht. Ab und zu erprobt er sich, bei einer Rede im Rotary Club etwa. „Da beobachte ich mich selbst: Kann ich es noch? Ja. Brauch’ ich es noch? Nein.“
Der 60-Jährige mit den hellwachen und hellblauen Augen könnte als Paradebeispiel gelten, wie Ruhestand bestenfalls geht.


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Aber auch er musste sich an vieles erst gewöhnen, da macht er keinen Hehl daraus. „Nicht mehr die Nummer eins in der Stadt zu sein“, sei zwar gar nicht so schlimm. Eine Umstellung aber schon. Vor allem, was die ganz lebenspraktischen Dinge angeht: „Ich war ja total gepampert“, sagt er. Sämtliche Termine, egal ob dienstlich oder privat, bis hin zur Zahnprophylaxe, wurden vom Chefsekretariat des Oberbürgermeisters koordiniert. „Du bist ein gläserner Mensch“, sagt er und fügt an: „Aber es basierte auf einem totalen Vertrauensverhältnis.“

Bürger sprechen ihn nach wie vor an, erzählt er. Es sind freundliche Begegnungen. „Ich laufe aber nicht im Kreis ums Rathaus, um darauf zu warten, dass mich jemand erkennt“, betont er und hebt die Hände abwehrend in die Höhe: „Ich betreibe soziale Distanz dazu.“ Arbeit und Privates trennte er im Amt auch immer relativ strikt. An einen großen Homeoffice-Trend glaubt er nicht. „An der Kaffeemaschine werden Probleme bekanntlich oft schneller gelöst als am Schreibtisch.“

"Keine Picknick-Olympiaden"

Und wie kommt er eigentlich so ganz ohne soziale Medien aus? „Ach, diese hysterische Hektik, das kann man gut ignorieren“, findet er. Hätte er nochmal kandidiert für das Amt als OB, wäre er um Facebook und Co. allerdings nicht mehr herumgekommen, ist ihm klar. Erleichtert, dass er manche Entscheidung jetzt nicht mehr treffen muss, nein, das sei er nicht. „Man wollte sich ja nie vorm Amt drücken. Manchmal denkt man sich allerdings, was haben’s da für einen Scheiß entschieden“, sagt er und grinst. „Aber das sag’ ich dann nur meiner Frau.“

30. Hochzeitstag hat er mit ihr dieses Jahr zusammen gefeiert. Bei einer Wanderung mit den beiden Kindern. Der 29-jährige Sohn lebt in Nürnberg, die 27-jährige Tochter in München. Zur Feier des Tages gab es eine ausgiebigere Verpflegung, sonst halten es die Malys lieber einfach. Belegte Brote, ein Bier oder Wein. „Keine Picknick-Olympiaden mit Manufactum-Korb“, sagt er und lacht.

Studentenjob in der Weinhandung

Von guten Tropfen hat er eine Ahnung. Während seiner Studienzeit arbeitete er in einer italienischen Weinhandlung. „Der einzig seriöse Beruf, den ich je gelernt habe“, scherzt Maly. Der Einzelhandel sei eine gute Schule für den Umgang mit Menschen. Seine Begeisterung für Italien resultiert auch aus seinem Studentenjob. Und aus den Urlauben mit den Eltern. „Jesolo war in den 60ern ja quasi Pflicht.“ Heute liegt er in Italien aber nicht am Strand, sondern erlebt das Land gern wandernd. Die Dolomiten haben es ihm besonders angetan. „Das Essen, die Berge, die Mentalität der Menschen - es ist immer noch gleich faszinierend“, sagt er und kommt, ganz untypisch, ins Schwärmen.

Die Liebe zu Italien spiegelt sich auch in seinen Kochtöpfen. Er mag die leichte mediterrane Küche. Die Zutaten dazu pflückt er im eigenen Garten. Rosmarin, Thymian, Estragon und auch Zucchini wachsen im Hochbeet. An der Hauswand rankt sich der Wein empor. Fürs Pressefoto („Ich kann Fotografiertwerden einfach nicht leiden, Sie wissen es“) beugt er sich übers Beet und ärgert sich über die Schnecken, die über Nacht eine Zucchinipflanze ratzekahl gefressen haben. Im Garten hat das Ehepaar eine Aufgabenteilung. „Alles, was blüht, ist Sache meiner Frau. Alles, was man essen kann, meine“, fasst Maly es zusammen.

Karl Marx lugt aus der Hecke

Idyllisch ist der Garten, auf der Terrasse stehen Blumen in steinernen Kübeln. Aus der Hecke lugt ein knallroter Karl Marx - eine Figur des Installationskünstlers Ottmar Hörl. Es herrscht entspannte Ordnung, mit dem Lineal getrimmt wirkt hier nichts. Eine große Birke, Altbaumbestand, wirft Schatten und zu Malys Leidwesen als Allergiker auch Pollen ab. Es ist das Geburtshaus seiner Mutter, vor rund 30 Jahren sind sie hier eingezogen, haben an- und umgebaut. Die Trauerweide haben sie nach dem Einzug selbst gepflanzt und die Lärche neben dem Haus persönlich in Kärnten ausgebuddelt. Brusthoch war sie damals, jetzt überragt sie das Haus. Ihr Alter weiß Maly genau. „27, so alt wie meine Tochter.“ Regelmäßig kommen die Kinder vorbei. In der großen offenen Küche hängen gerahmte Kinderzeichnungen von ihnen. Ein Stillleben mit Essen und Wein ist darauf zu sehen. „Das sagt auch alles“, lacht Petra Maly. Dolce vita, aber bitte gemäßigt.
Täglich Sport und leichtes Essen, viel Lesen und viel Frischluft - hat der Mann nicht wenigstens irgendein Laster? „Ja, vielleicht“, sagt Maly mit lausbubenhaftem Grinsen. „Aber das geht doch Sie nix an!“


Zur Person: Ulrich Maly (60) amtierte von 2002 bis 2020 als Nürnberger Oberbürgermeister. Von 2013 bis 2015 war er Präsident und danach Vizepräsident des Deutschen Städtetags. 2019 kündigte er an, bei der Wahl für das Amt des OB nicht mehr zu kandidieren. Der Sozialdemokrat wuchs in Schweinau auf und lebt seit fast 30 Jahren mit seiner Frau in der Falkenheimsiedlung in Nürnberg. Er studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg und leistete Zivildienst in einem Altenheim. Der Nürnberger hat ein Faible für Italien und ist ein Fan des Sängers Bob Dylan. Mit seiner Frau hat er zwei erwachsene Kinder.

Weitere Folgen der Heimspiel-Serie: mit Musiker Wolfgang Buck, Partysänger Peter Wackel, Koch Rainer Mörtel, Pianistin Hildegard Pohl, Entertainer Volker Heißmann, Sängerin Felicia Peters und Unternehmerin Dagmar Wöhrl.

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