Der Direktkandidat im Portrait
FDP-Kandidat Marco Preißinger: Der Newcomer
1.9.2021, 06:04 Uhr„Die Erfahrene und der Newcomer“: So beschreibt Marco Preißinger das „bewusst so gewählte Kandidatenduo“ der Nürnberger FDP. Die Erfahrene, das ist die 42-jährige Katja Hessel, ehemalige Staatssekretärin und aktuell Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag. Sie kandidiert in Nürnberg Nord.
Der Newcomer ist er selbst: Marco Preißinger, 24 Jahre jung, Fachinformatiker bei Puma, Bundesschatzmeister der Jungen Liberalen und Direktkandidat in Nürnberg Süd/Schwabach. Wobei er zu Schwabach, wie er offen zugibt, keinen engen Bezug hat.
Platz 26 statt 13
Doch nicht nur die Rollen, auch die Chancen sind unterschiedlich verteilt. Die FDP ist die einzige Partei im Bundestag, die 2017 keinen einzigen Wahlkreis gewonnen hat. Als Direktkandidaten sind Katja Hessel und Marco Preißinger ohne realistische Chance.
Deshalb kommt es entscheidend auf die Platzierung auf der Landesliste an. Katja Hessel ist auf Platz 2 abgesichert. Marco Preißinger hatte sich auf der Nominierungskonferenz um Platz 13 beworben. Nach den Umfragen liegt die FDP um die 13 Prozent, dies hätte für ihn reichen können. Tatsächlich aber ist er auf Platz 26 gelandet.
Seine Wahlchancen schätzt er entsprechend realistisch ein: „Ich bin Optimist, aber blauäugig bin ich nicht.“ Wie groß die Enttäuschung war? „Ich bin jung und hatte nichts zu verlieren. Ich habe hoch gepokert und es hat nicht funktioniert.“ Von Frust aber ist beim Gespräch in der Tagblatt-Redaktion nichts zu spüren. „Diese Erfahrung nehme ich mit und werde es beim nächsten Mal besser machen. In vier Jahren versuche ich es auf jeden Fall nochmal.“
"Ich gebe 110 Prozent"
Zunächst aber gilt sein voller Einsatz der Bundestagswahl am 26. September. Persönliche Chancen hin oder her, für die FDP gehe es um ein „sehr gutes zweistelliges Ergebnis“, und dazu will er seinen Beitrag leisten. „Ich gebe nicht nur 100, sondern 110 Prozent“, sagt Marco Preißinger.
Das sei auch sein Lebensmotto, sagt er und wechselt kurz ins Englische: „Do more.“ Mehr machen. Sich einsetzen, etwas leisten. „Sozialer Aufstieg durch Bildung“: Das sei das Versprechen liberaler Politik, und wer ihm zuhört, bekommt den Eindruck, als sehe er sich selbst als Beispiel dafür.
„Untypischer Weg“
„Ich bin einen für die FDP vielleicht etwas untypischen Weg gegangen“, sagt Marco Preißinger. „Meine Eltern sind keine Ärzte oder Rechtsanwälte. Großgezogen hat mich meine alleinerziehende Mutter, die viel Wert auf Bildung gelegt hat. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.“
Nach dem Realschulabschluss beginnt er bei Puma in Herzogenaurach eine Ausbildung zum Fachinformatiker für Systemintegration. „Heute bin ich hauptverantwortlich für globale operative Cloud-Sicherheit“, sagt er und übersetzt: „Mein Job ist es, Hackern möglichst keine Schwachstellen zu geben. Das ist eine sehr spannende Aufgabe, die mich sehr erfüllt. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht.“
"Massiv politisiert"
Über die Berufsschule führt sein Weg zur Politik. Marco Preißinger wird Schülersprecher zunächst in seiner Schule und dann hochgewählt in die Bundesschülerkonferenz. „Dabei habe ich viele inspirierende Menschen getroffen und war bei Gesprächen in Kultusministerien dabei. Da ging es um große Themen wie Digitalisierung und Migration. Dabei habe ich gelernt: Wenn man etwas erreichen will, funktioniert das über die Politik. In der Zeit als Schülersprecher wurde ich ganz massiv politisiert.“
Nach der Schule sei er deshalb „bereit für eine neue Herausforderung“ gewesen. Marco Preißinger vergleicht Wahlprogramme, findet die Bildungspolitik der FDP am überzeugendsten, tritt in die Partei ein, wird in den bayerischen Landesvorstand der Jungen Liberalen als Sprecher für Digitales gewählt und nur ein halbes Jahr später 2019 in den Bundesvorstand berufen.
Bundesschatzmeister der Jungen Liberalen
Seit 2020 ist er ehrenamtlicher Bundesschatzmeister der 10 000 Mitglieder starken Nachwuchsorganisation. „Man lernt Personalmanagement, wie man mit Geld umgeht, wie man Gehaltsverhandlungen führt“, betont Preißinger, „und ich bin dankbar für die Erfahrung, die ich mit so jungen Jahren machen darf.“
Indirekt dazu beigetragen habe der Fußball. Mit 15 Jahren wird Marco Preißinger Schiedsrichter und leitet sein erstes Erwachsenenspiel. Später steigt er bis zur Bezirksoberliga auf, wird Linienrichter in der A-Jugend-Bundesliga. „In jungen Jahren gegen 22 Mann zu stehen, immer den Kopf zu behalten, keine Fehler zu machen: Diese Erfahrung hat mir viel Selbstbewusstsein gegeben.“
Parteiisch statt unparteiisch
Deshalb hat er sich auch zugetraut, die Spielfelder zu wechseln. „Aus dem Unparteiischen wurde der Parteiische“, sagt Marco Preißinger über sich. Die FDP sei 2017 nach der Rückkehr in den Bundestag „wie ein Start-up mit Jungen und Wilden“ gewesen. Als Mitglied im JuLi-Bundesvorstand erlebt er auch die FDP-Spitze live in Sitzungen. Auch Christian Lindner: „Da wirkt er eins zu eins so wie im Fernsehen.“
Ist Lindner, der selbst mit 21 Jahren erstmals Abgeordneter wurde, ein Vorbild? „Ich bin nicht wegen Christian Lindner in die FDP, eher wegen Leuten aus der zweiten Reihe wie Konstantin Kuhle“, sagt Preißinger. Kuhle war Vorsitzender der Jungen Liberalen und ist inzwischen Bundestagsabgeordneter. „Aber Lindner ist kritikfähig, reflektiert, ein absolutes Arbeitstier und in seiner Professionalität durchaus ein Vorbild.“
Wahlrecht ab 16
Inhaltlich will Marco Preißinger vor allem junge Menschen ansprechen. Er fordert mehr Mitsprachemöglichkeiten durch das Wahlrecht ab 16 Jahren. „Fridays for Future finde ich gut, weil die Bewegung Druck beim wichtigen Klimaschutz macht.“ Er selbst habe aber drei andere Schwerpunkte: Bildung, Soziales und Digitalisierung.
Bei der Bildung fordert die FDP eine „Exzellenzoffensive für berufliche Bildung“, um deren Stellenwert zu erhöhen. Die beste Sozialpolitik sei eine Bildungspolitik, die Perspektiven biete: „Wir wollen Talentschulen in Brennpunktbezirken mit den besten Lehrern und der besten Ausstattung. Die FDP steht für das Aufstiegsversprechen.“ Und für Digitalisierung ohnehin: „Wir fordern ein eigenes Ministerium für digitale Transformation. Wir müssen unbedingt digitaler werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“
Jamaika statt Ampel
Sorgen bereitet ihm Corona: „Meine Generation wird der größte Verlierer sein“, verweist Marco Preißinger etwa auf die hohen Staatsschulden. Umso wichtiger sei es, die Steuern zu senken und „die Wirtschaft zu entfesseln und Wachstum zu schaffen“.
Am besten würde das in einer schwarz-gelben Koalition möglich. Zu der aber reicht es nach den aktuellen Umfragen nicht. Bliebe die „Ampel“ mit SPD und Grünen oder „Jamaika“ mit Union und Grünen. Was ihm lieber wäre? Marco Preißinger überlegt einen Moment, sagt dann aber deutlich: „Jamaika“.
Am 26. September war die Bundestagswahl 2021. Alle Ergebnisse - regional und landesweit - sowie weitere Entwicklungen rund um die Koalitionsbildung finden Sie auf nordbayern.de/bundestagswahl.
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