Nürnberger Biergeschichte(n)

Immer flüssig: Darum übernahmen Nürnbergs Stadtväter das Brauen einst in eigene Regie

17.3.2022, 12:00 Uhr
Das städtisches Weizenbräuhaus in Nürnberg an der heutigen Karl-Grillenberger-Straße auf einer Radierung von Johann Alexander Boener aus dem 18. Jahrhundert.

© Stadtarchiv Nürnberg, StadtAN E13/II Nr. 116., NNZ Das städtisches Weizenbräuhaus in Nürnberg an der heutigen Karl-Grillenberger-Straße auf einer Radierung von Johann Alexander Boener aus dem 18. Jahrhundert.

Bier wurde in Nürnberg natürlich schon seit dem Mittelalter gebraut, die ältesten Belege stammen vom Beginn des 14. Jahrhunderts. Was da in Fässern und Krügen gelagert und ausgeschenkt wurde, war buchstäblich in aller Munde, weil gewöhnliches Wasser häufig mit Keimen belastet war. Der Rat der Stadt ließ es an Vorgaben nicht fehlen: Lange vor dem legendären bayerischen Reinheitsgebot von 1516 legte er beispielsweise fest, dass als Zutaten neben Wasser nur Gerste und als Bitterstoff Hopfen zulässig waren. Und er hatte stets ein waches Auge auf die Zusammensetzung („Biermuster“) und Abgaben („Umgeld“).

Das Bier von damals sei durchaus „hochwertig“ gewesen, schätzt der frühere Tucher-Braumeister Jochen Sprotte, der im Laufe von Jahrzehnten eine umfangreiche Sammlung zur Geschichte zusammen getragen hatte. Gebraut wurde lange ausschließlich Rotbier - und nur hier, anders als fast überall sonst, mit untergäriger Hefe. „Weil das nur in der kühleren Jahreszeit gut klappte, war die Brausaison begrenzt auf die kühlere Jahreszeit zwischen dem Michaelistag Ende September und Pfingsten“, erläutert der heutige Geschäftsführer Technik bei Tucher, Gunther Butz.

Kein Pardon gab es für Pfusch: Bis ins 17. Jahrhundert soll es Brauch gewesen sein, schlechte Biere unter großem öffentlichen Aufsehen ans Pegnitzufer zu bringen, wo den Fässern der Boden ausgeschlagen wurde, so dass die Plörre in den Fluss plätscherte. Wie ein roter Faden zieht sich durch die Überlieferung die Furcht der Ratsmitglieder, hintergangen und um Abgaben betrogen zu werden.

Stadt gründet erste eigene Braustätte

Sicher kein Zufall, dass sich vor allem Aufzeichnungen zu Maßen, Steuern und zur Überwachung erhalten haben, kaum dagegen zu den damals gebräuchlichen Herstellungsverfahren. Das Misstrauen hat wohl auch dazu beigetragen, dass im Februar 1443 der Beschluss zur Gründung eines „Gemeinen Bräuhauses“ gefasst wurde - nicht für den breiten Absatz, sondern für Versuche und Kontrollen. Wenig später entstand das „Herren-Bräuhaus“, aus dem viel später die Lederer-Brauerei hervorgehen sollte.

Das Weizenbräuhaus von 1672 war also keineswegs die erste kommunale Braustätte in Nürnberg. Und es hatte selbst eine längere Vorgeschichte: Gegen Ende des 30-jährigen Krieges mit seinen verheerenden wirtschaftlichen Folgen kam die Idee auf, das bereits in der Oberpfalz und in Altbayern beliebte Weizenbier auch in Nürnberg herzustellen. „Das ließ sich auch im Sommer ansetzen“, nennt Butz einen wesentlichen Vorteil. „Allerdings musste die Getreideart, die bis dahin vor allem für Backwaren reserviert war, in ausreichender Menge zur Verfügung stehen“.

Der Rat der Stadt nahm die Sache in Hand, begann damit in der Braustätte im Heilig-Geist-Spital und sicherte sich zugleich das Monopol in der Stadt. Mehr noch: Großzügig setzte er sich darüber hinweg, dass er selbst eigentlich einmal beschlossen hatte, das Geschäft privaten Brauern zu überlassen. Immerhin 33 Brauhäuser gab es Mitte des 17. Jahrhunderts - sie mussten sich weiter mit Rot- und sogenanntem Weißbier begnügen.

Satte Einnahmen

Die Stadtväter durften sich die Hände reiben: Die Nachfrage und die Einnahmen erlaubten, ja nötigten zur Errichtung der größeren, eigenen Braustätte an der heutigen Karl-Grillenberger-Straße: Sie wurde vor genau 350 Jahren fertiggestellt und in Betrieb genommen. Mit seiner markanten Fassade im Stil des frühen Barock gehörte das Weizenbräuhaus zu den prägenden Bauten jener Epoche - bis zur Zerstörung Anfang 1945. Der Betrieb habe mehr abgeworfen als alle anderen Nürnberger Braustätten, fasst Sprotte die „Erfolgsgeschichte vom ersten Tag an“ in einer Abhandlung über 700 Jahre Nürnberger Brautradition im Jahresband der Gesellschaft für Geschichte des Brauwesens 2005 zusammen.

Beim Bier allein sollte es nicht bleiben: Beflügelt von den verlässlichen Einnahmen diente das Weizenbräuhaus ab etwa 1720 auch als Geldinstitut: Die Bürger konnten hier Geld anlegen, das mit vier Prozent verzinst wurde. Die Einlagen standen der städtischen Finanzverwaltung zur Verfügung - die gut laufende Braustätte aber musste haften und wurde zur Sicherung herangezogen.

Niedergang mit königlichem Titel

Mit dem Ende der reichsstädtischen Zeit erlebte auch das Weizenbräuhaus einen Niedergang. Dabei wurde es, nachdem sich das neugeschaffene Königreich Bayern auch das hoch verschuldete Nürnberg einverleibt hatte, zum „Königlichen Weizenbräuhaus“ geadelt. Vom früheren Glanz aber war, vor allem auch wirtschaftlich, bald nichts mehr übrig. Das sollte sich erst ändern, als 1855 das Gesamtgeschlecht der Tucher‘schen Familie die Brauerei übernahm und sie zur Keimzelle eines neuerlichen Aufschwungs machen konnte - diesmal unter den Vorzeichen des Industriezeitalters.

Die Eisenbahn spielte dabei eine Schlüsselrolle: Wie schon Brauereien aus Kulmbach und Erlangen konnten sich so mehrere Nürnberger Unternehmen mit großem Geschick Absatzmöglichkeiten in anderen deutschen Städten und bald auch im Ausland erschließen, bis hin zur Pariser Weltausstellung 1867. Via Schiff kamen Amerika und die deutschen Kolonialgebiete hinzu Von 1868, als mit der Einführung der Gewerbefreiheit auch die amtlichen Preisfestlegungen und Konzessionen wegfielen, bis 1898 stieg die Produktion der vier größten Nürnberger Brauereien von 53.000 auf 188.000 Hektoliter im Jahr - auch gegenüber der Konkurrenz aus München hatten die Nürnberger die Nase vorn. Das historische Weizenbräuhaus steuerte bis 1907 seinen Anteil dazu bei.

So beliebt wie ab Mitte des 17. Jahrhunderts war Weizenbier im 19. Jahrhundert allerdings nichts mehr, es wurde vor allem von Braunbier abgelöst. „Der Neuaufschwung setzte vor rund 100 Jahren ein“, erläutert Butz. Heute mache es, samt der alkoholfreien Variante, rund ein Fünftel der Nürnberger Produktion aus.

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