Splashdiving

Die Kunst der perfekten Arschbombe

22.8.2021, 10:21 Uhr
Profis wissen: Wichtig ist, wie man ins Wasser reingeht. Dieser Kollege hier ist schon ziemlich nah dran an der perfekten Arschbombe.  

© Michael Matejka Profis wissen: Wichtig ist, wie man ins Wasser reingeht. Dieser Kollege hier ist schon ziemlich nah dran an der perfekten Arschbombe.  

Herr Hillebrecht, jetzt wollte ich lustig mit Ihnen über die Arschbombe schwätzen, doch dann stoße ich auf Ihrer Internetseite auf den Begriff Splashdiving. Was ist denn da der Unterschied?

Oliver Hillebrecht: 2004 haben wir in Bayreuth die erste Arschbomben-Weltmeisterschaft veranstaltet. Da war das Fernsehen da und hat die Bilder in alle Welt hinausgetragen – und plötzlich war die Arschbombe richtig groß. Es haben Menschen aus Nigeria angerufen, aus Amerika, Japan und Neuseeland. Erklär' denen mal, was eine Arschbombe ist! So haben wir nach einer passenden Übersetzung gesucht – nach einem internationalen Begriff, der allgemein verständlich ist. So kam es zu Splashdiving.



Wer ist "wir"?

Hillebrecht: Eine Gruppe von Verrückten will ich jetzt nicht sagen. Wir haben als Jugendliche angefangen, irgendwann wurden es immer mehr Leute, die bundesweit in Bädern die Arschbombe trainiert haben. Aus dem heraus wurde nach und nach eine eigene kleine Welt. Bis wir uns 2004 zusammengetan und in Bayreuth und Bamberg besagten Wettkampf veranstaltet haben, der sich "Die Arschbombe – die Weltmeisterschaft" nannte.

Und plötzlich hatte das Wettbewerbscharakter?

Oliver Hillebrecht, 52, betreut von Bamberg aus das Portal www.splashdiving.com. Der Werbedesigner war früher selbst Kunst-, Turm- und Klippenspringer, inzwischen trainiert er viel, veranstaltet Events und betreut die deutsche Splashdiving-Nationalmannschaft, die ihre Trainingswochenenden in Bamberg abhält.

Oliver Hillebrecht, 52, betreut von Bamberg aus das Portal www.splashdiving.com. Der Werbedesigner war früher selbst Kunst-, Turm- und Klippenspringer, inzwischen trainiert er viel, veranstaltet Events und betreut die deutsche Splashdiving-Nationalmannschaft, die ihre Trainingswochenenden in Bamberg abhält. © Splashdiving Int.

Hillebrecht: Absolut. Der Funfaktor ist aber immer noch sehr hoch. Und: Inzwischen werden wir durchaus sehr ernst genommen. Bis in die Tagesschau haben wir es schon geschafft!

Wie darf man sich das praktisch vorstellen, so einen Arschbomben-Wettbewerb?

Hillebrecht: Unten am Beckenrand sitzen die Jurymitglieder – links und rechts, an beiden Seiten – und bewerten nach Punkten. 0 Punkte ist eine sehr schlechte Punktzahl, 10 Punkte ist die mögliche Höchstpunktzahl. Bewertet wird, wie der Athlet oben abspringt, wie er seine Figur in die Luft zaubert und wie der Einschlag unten auf der Wasseroberfläche ist.

...und wenn dann nur noch halb soviel Wasser im Becken schwappt, ist es perfekt?

Hillebrecht: Nein (lacht). Masse ist nicht Klasse! Wir bewerten tatsächlich, wie der Athlet und die Athletin auf der Wasseroberfläche auftreffen. Unterschieden wird in Pflicht und Kür: Beim ersten Sprung geht es nur um die Arschbombe, in den drei weiteren Durchgängen dürfen dann Saltos und Schrauben mit reingepackt werden. Allerdings muss jeder Sprung mit einer Landeposition abgeschlossen werden, die möglichst viel Wasser vertreibt.

Findet das draußen oder in der Halle statt?

Hillebrecht: Meistens draußen. Das hat aber vor allem damit zu tun, dass die meisten Zehn-Meter-Türme in Freibädern stehen. Jetzt sind wir hierzulande sehr verwöhnt, weil wir in Deutschland mehr als 110 Zehn-Meter-Türme stehen haben, doch nur zehn davon sind indoor. Im Sommer macht es aber eh am meisten Spaß: Die Leute sind im Freibad und die Zehner stehen auch schön über die Republik verteilt in den verschiedensten Städten. Irgendwo findet sich also immer ein Sprungturm.

Wie geht die perfekte Arschbombe?

Hillebrecht: Bei der klassischen Arschbombe fasst man sich mit beiden Händen ans Schienbein, macht ein Paket und landet dann mit möglichst viel Spritzen im Wasser. Dieses Prinzip gilt wie eh und je, man hat nur bestimmte Techniken verändert oder verbessert. Da haben sich ganze Universitäten mit beschäftigt und den Vorgang genau angeguckt. Diese Leistungsergebnisse setzen wir im Training um. Mit anderen Worten: Es gibt eine primäre und eine sekundäre Wassersäule. Wann immer ein Objekt ins Wasser hinein geht, wird automatisch Wasser verdrängt. Sobald es unter Wasser ist, kommt automatisch eine zweite Säule hinzu: eine nachgelagerte, die sich wunderbar gestalten lässt. Beim Sprung können wir also beide Wassersäulen beeinflussen, die zweite aber sehr stark, etwa durch Anspannung beim Landen oder durch bestimmte Techniken unter Wasser. Da gibt es jede Menge Tricks, und die Trainer achten auch darauf, dass diese Tricks ein Stück weit ein Geheimnis bleiben. Jedes Team hat da seine ganze eigenen Rezepte.



Splashdiving ist das perfekte Fitnessprogramm, sagt Rainhard Riede aus Waldkraiburg – der amtierende Weltmeister im Splashdiving. Ist das so?

Hillebrecht: Definitiv. Man braucht viel Mut und viel Kondition, braucht Akrobatik und überhaupt allgemeine Sportlehre. Splashdiving beansprucht den ganzen Körper. Zudem gibt es unterschiedliche Disziplinen mit ganz unterschiedlichen Aufgabenstellungen – von einfachen Sprüngen hin zu Synchronsprüngen. Rainhard Riede ist ja nur ein Weltmeister, neben ihm gibt es noch andere in anderen Disziplinen. Und natürlich Frauen – ein ganz wichtiges Thema bei uns! Aber ja, Splashdiving ist schon gleichzusetzen mit einem starken Fitnessprogramm – wenn man das Training und die Wettkämpfe anschaut.

Aber: Tut das nicht weh?

Hillebrecht: Gut, die meisten dürften schon mal eine Arschbombe hingelegt haben und der ein oder die andere ist vielleicht schon mal nach einem Sprung vom Einser oder Dreier auf dem Bauch oder auf dem Rücken gelandet. Meistens hat das dann mit einem großen Schreck zu tun. Hier ist es aber umgedreht: Die Athletinnen und Athleten wissen ganz genau, was sie tun und sind in dem Augenblick entsprechend gefasst. Wenn man vom Zehner springt und mit einer Arschbombe ins Wasser eintaucht, dann prizzelt es definitiv. Von Wohlweh bis Aua ist da alles dabei, aber scheinbar ist das ein Stück weit auch typenabhängig und wird unterschiedlich empfunden. Unfälle hatten wir bislang noch keine und auch keine großartigen Blessuren, die irgendwie die Haut öffnen. Dieser Bädermythos von wegen "ich hab da wen springen sehen, dessen Bauchdecke beim Aufprall aufgeplatzt ist" – das gibt es nicht. Wir hören das immer wieder und auch, dass Menschen so etwas live gesehen haben. Bislang konnte das aber noch keiner beweisen.

Sind Arschbombenspringer Angeber? Oder anders gefragt: Ist Posing Teil des Spiels?

Hillebrecht: Wir haben unter unseren Springern reine Athleten, die den Sport sehr ernst nehmen. Ein gewisser Posing-Faktor kommt da aber trotzdem fast automatisch mit rein. Jeder, der schon mal in einem handelsüblichen Freibad war, weiß: Sobald die Sonne scheint, ist der Flirtfaktor hoch. Und hey, wir haben hier zehn Meter Höhe – wenn man da oben steht, dann gucken alle hin. Klar, dass da der ein oder die andere eine kleine Show inszeniert...

Warum ist das Ganze noch nicht olympisch?!

Hillebrecht: Schwierig. Da versucht man ja schon seit Jahren, mit dem Klippenspringen durchzukommen – leider vergebens. Die Sache ist die: Sollte Splashdiving tatsächlich jemals irgendwann bei den Olympischen Spielen auftauchen, dann hätten wir das Endziel erreicht. Klar würde uns das freuen, aber ich fürchte, da werden eher die Klimaziele eingehalten, bevor wir mit der Arschbombe dort antreten...

Mehr Informationen unter www.splashdiving.com.

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