Rollender Vinyl-Fachhandel

Zum ersten Mal in Mittelfranken: Dieser Bus lässt Herzen von Schallplattenfans höher schlagen

Stefan Gnad

"Leben"

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17.5.2023, 10:59 Uhr
Dieser schicke gelbe US-Schulbus kommt am Donnerstag, 18. Mai 2023, nach Erlangen - und lädt zum Stöbern ein ...

© Björn Stork Dieser schicke gelbe US-Schulbus kommt am Donnerstag, 18. Mai 2023, nach Erlangen - und lädt zum Stöbern ein ...

Jetzt macht der Vinylbus zum ersten Mal Station in Mittelfranken – Termin ist Donnerstag, 18. Mai 2023, von 13 bis 18 Uhr in der Spardorfer Straße 150 in Erlangen. Wir haben vorab mit Michael Lohrmann telefoniert, der sich auch von unseren Fangfragen nicht aus der Reserve locken ließ.

Herr Lohrmann, sie sind eher selten mit Ihrem Vinylbus im Süden unterwegs, kann das sein?

Ich war schon öfters in Süddeutschland – aber in Nürnberg tatsächlich noch nie. Erlangen ist das erste Mal, dass ich bei Euch bin. Ich folge der Einladung der Kollegen von der Clearaudio Manufaktur, die auch Partner des Busses sind. Da war klar, dass ich bei deren Tag der Offenen Tür vorbeikomme. Passt mir auch prima, weil ich die nächsten drei Tage dann in München bei der High-End-Messe sein werde.

Nun sind wir in Sachen "Nahversorgung mit analogen Tonträgern" hier in der Region eigentlich ganz gut aufgestellt. Wenn wir uns nicht verzählt haben, gibt es in Erlangen drei Plattenläden, in Nürnberg vier und in Fürth immerhin noch einen …

Darum geht es nicht. Der Bus findet seine Akzeptanz auch in Orten, in denen es Plattenläden gibt. Es ist ja auch wichtig, was man anbietet, und da kann sich der Vinylbus schon sehen lassen. Davon abgesehen will ich den Händlern vor Ort auch gar keine Konkurrenz machen. Im Gegenteil, immer wieder arbeiten wir auch zusammen: Ich stehe vor dem Plattenladen, der zieht seine Leute, ich meine, und schon wird daraus ein kleiner Event.

Ich interessiere mich für polynesischen Mystic Boogie und die frühen Sachen auf Ninja Tune. Werde ich da bei Ihnen im Bus fündig?

Der Bus ist zu 60 bis 70 Prozent rocklastig, aber ich hab auch andere Genres an Bord. Klassik, Schlager und Volksmusik sind die einzigen Sachen, die ich nicht dabei habe, dafür aber inzwischen relativ viel elektronische Musik und Jazz und natürlich Pop, Funk und Soul. Die Rockschlagseite erklärt sich so, dass ich rund 4000 LPs in den Bus kriege. Wenn man da in die Tiefe gehen möchte, dann muss man für ein Genre mehr Platz berücksichtigen – und das ist bei mir eben Rockmusik. Das heißt aber nicht, dass die anderen Genres ausgespart werden.

Sprechen wir von neuen Platten oder von Second Hand?

90 Prozent der Sachen, die hier bei mir im Bus stehen, sind gebraucht, allerdings mit einer professionellen Plattenreinigungsmaschine gewaschen. Das ist elend viel Arbeit, die sich aber lohnt: Die Platten sind dementsprechend in einem sehr guten Zustand.

Wie darf man sich das Einkaufserlebnis vorstellen: Kann ich da vor Ort in Ruhe stöbern oder fahren Sie vor allem Raritäten aus, die sich die Leute vorab schon aus dem Internet bei Ihnen reserviert haben?

Das eine schließt das andere nicht aus. Die Leute haben die Möglichkeit, vorab von einer Raritätenliste Platten zu bestellen, die ich sonst nicht ohne Weiteres mit habe. Die ganz teuren Sachen will ich nicht einfach so reinstellen, weil dann Menschen, die nicht so viel Einblick haben, völlig irritiert sind, wenn da eine Schallplatte für 300 Euro steht. Bei mir im Bus fängt es in der Regel bei 5 Euro an und hört bei 99 Euro auf.

Der Vinylbus ist aber kein Flohmarkt. Ich verramsche nichts, rufe im Gegenzug aber auch keine völlig überzogenen Preise auf, sondern orientiere mich an dem, was sonst so am Markt bezahlt wird, und versuche, im Gegenzug dafür die bestmögliche Qualität zu liefern. Die teureren Sachen bringe ich auf Zuruf mit, aber die Leute, die diese vorbestellt haben, wollen ja ohnehin trotzdem auch noch stöbern. Das funktioniert mit bis zu 16 Menschen gleichzeitig im Bus, wenn nicht über Gebühr viele mit einer Bud-Spencer-Figur darunter sind. Ich mache das immer nach Augenmaß: Wenn ich merke, dass es sich staut, dann muss man halt einen Moment warten. Trotzdem ist es ein besonderes Einkaufserlebnis. Die Stimmung ist gut, man trifft andere Sammler – so wie in einem echten Plattenladen auch. Ich kriege sehr viel gutes und wohlwollendes Feedback auf das, was ich da mache.

4000 Schallplatten gehen rein, bis zu 16 Menschen können zeitgleich einkaufen: Michael Lohrmann in seinem Vinylbus.

4000 Schallplatten gehen rein, bis zu 16 Menschen können zeitgleich einkaufen: Michael Lohrmann in seinem Vinylbus. © Björn Stork

Gibt es nur Schallplatten oder auch CDs und DVDs?

Nein nein nein, dieser Bus konzentriert sich ausschließlich auf Vinyl. Ich habe nichts gegen CDs und DVDs, aber das sind nicht die Formate meines Vertrauens. Zudem ist der acht Meter lange Bus so geschnitten, dass das mit den Platten genau passt.

Sammeln Sie selbst?

Na klar. Dieses Projekt könnte man nicht machen, wenn man sich nicht selbst für das Format begeistern würde. Wobei meine eigene Sammlung rund 2500 Platten umfasst, also gar nicht mal so fürchterlich viele.

Sie kommen eigentlich aus dem Journalismus, waren Gründer, Verleger und Herausgeber der Musik-Fachmagazinen "Visions" und "Mint" sowie dem Interview-Magazin "Galore" ...

Nach 30 Jahren in diesem Verlagsjob hatte ich das Gefühl, nochmal was anderes machen zu wollen, weil ich gemerkt habe, dass ich mich nicht mehr freue, wenn eine neue Ausgabe aus der Druckerei kam. Als sich die Gelegenheit ergeben hat, meinen Verlag verkaufen zu können – ein mittelständiges Unternehmen, in der Spitze mit 50 Mitarbeitern – habe ich das nach reiflicher Überlegung gemacht, ohne allerdings zu wissen, was ich danach tun werde. Dann kam mir spontan die Idee mit dem Vinylbus. Eigentlich war das als Projekt auf ein Jahr angelegt. Im November 2019 habe ich angefangen, bin drei Monate lang gefahren, alles war super – und dann kam Corona. Das hatte zur Folge, dass ich zwei Jahre Zwangspause hatte, weshalb sich das ganze Projekt nun zeitlich nach hinten geschoben hat. In der Zwischenzeit habe ich jedoch so viele Sammlungen aufgekauft, dass ich noch eine Weile beschäftigt sein werde, die alle wieder zu verkaufen.

Gebetsmühlenartig wird vermeldet, dass die gute alte Schallplatte ein Revival erlebt. 2022 wurde in den USA erstmals wieder mehr Vinyl als CDs verkauft. Jetzt kam aber auch raus, dass die Hälfte der US-amerikanischen Vinyl-Käufer gar keinen Plattenspieler besitzt...

Man muss da differenzieren: Das eigentliche Geschäft mit Schallplatten wird im Sekundärmarkt gemacht, also mit gebrauchten Schallplatten. Der Anteil von Neu- zu Gebrauchtware ist 1:10, das heißt: Es gibt deutlich mehr Gebrauchtware und die wird auch deutlich mehr gekauft. Ein Phänomen der heutigen Zeit ist, dass es Leute gibt, die Schallplatten als Neuware so wie Merchandise ansehen: Die kaufen sich dann von einer Band kein T-Shirt mehr, sondern eine Schallplatte, weil die ein großes Cover hat und man sie sich schön hinstellen kann, wie ein Kunstwerk. Andere spekulieren mit neuen Schallplatten: Man kauft sie für 30 Euro und hofft, dass sie in einem halben Jahr 50 Euro wert ist. Sowas gibt es in allen Sammlerbereichen. Zu mir in den Vinylbus kommen aber Menschen, die Platten nicht nur sammeln, sondern auch hören. Das finde ich sehr wohltuend.

Was war die teuerste Scheibe, die bislang im Vinylbus über die Ladentheke ging?

Ein Box-Set von Ozzy Osbourne für 1500 Euro – limitiert und handsigniert. Damit habe ich einen Sammler sehr glücklich gemacht.


www.vinylbus.de

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