Vom "Tatort"-Kommissar zum "jerks."-Comedian

Christian Ulmen: "Das funktioniert wie ein Horrorfilm"

18.8.2021, 14:27 Uhr
Sind sie nicht putzig? Christian Ulmen (rechts) und Fahri Yardim spielen in „jerks.“ zwei Comedyversionen von sich selbst – bald in der vierten Staffel.  

© ProSieben, NN Sind sie nicht putzig? Christian Ulmen (rechts) und Fahri Yardim spielen in „jerks.“ zwei Comedyversionen von sich selbst – bald in der vierten Staffel.  

Herr Ulmen, „jerks.“ geht in die vierte Staffel. Wie haben Sie es geschafft, dieses ungewöhnliche Format am Leben zu erhalten?

Christian Ulmen: Wir hatten Glück, dass unsere Zuschauer drangeblieben und von Staffel zu Staffel neue dazugekommen sind, würde ich sagen. Es ist natürlich schade, dass ich Ihnen die erstaunlich hohen Zahlen, mit denen „jerks.“ abgerufen wird, nicht verraten darf, weil Joyn die nicht veröffentlicht. Nicht mal ich selber darf sie offiziell wissen, ich höre die immer nur durch vorgehaltene Hände über den Flurfunk, und demnach sind unsere Abrufzahlen sensationell. Wir freuen uns jedenfalls, dass wir weitermachen dürfen.

Welche Reaktionen bekommen Sie auf „jerks.“?

Ulmen: Die meisten Menschen, denen ich begegne, mögen das, weil sie sich gerne gruseln (lacht). „jerks.“ funktioniert ähnlich wie ein Horrorfilm, man muss sich bisweilen die Hände vor die Augen halten – diesen Nervenkitzel mögen viele gut leiden.


Wie "jerks." begann


Den Nervenkitzel des Fremdschämens?

Ulmen: Ja. Wobei mich der Begriff der Fremdscham nervt. Man schämt sich nicht fremd, man schämt sich einfach. Man weint ja auch nicht fremd bei „Titanic“ oder lacht fremd, wenn man eine Komödie guckt. Man lacht und weint und schämt sich, weil man mit den Figuren mitgeht. Das „Fremd“ in „Fremdscham“ will so eine überlegene Distanz zur Scham des anderen verheißen, die doch gar nicht sein muss.

Glauben Sie, dass „jerks.“ eine Serie ist, die man entweder liebt oder hasst?

Ulmen: Nein, diese Erfahrung habe ich eigentlich nicht gemacht, dass das polarisiert. Es gibt natürlich Leute, die mit ‚jerks.“ nichts anfangen können oder die Serie blöd finden. Aber die entwickeln keinen Hass, die gucken das einfach nicht. Krasse emotionale Ablehnung als Reaktion ist mir von früheren Formaten durchaus gut bekannt, aber die habe ich bei „jerks.“ noch nicht erlebt.

Die Serie scheut vor keiner Peinlichkeit zurück. Was ist Ihnen peinlich?

Ulmen: Da gibt es nichts, was nicht auch allen anderen Leuten peinlich wäre, ich habe da nichts Außergewöhnliches zu berichten. Mir ist genau das peinlich, was jedem anderen auch peinlich ist.

Wieviel ist Improvisation bei „jerks.“?

Ulmen: Die Handlung steht im Drehbuch, aber alles was die Schauspieler sagen, ist improvisiert. Die Schauspieler haben die Freiheit, sich eigene Sätze oder Formulierungen auszudenken, sie müssen keiner vorgegeben Dialogdramaturgie folgen. Das macht glaube ich den besonderen Klang von „jerks.“ aus.

Sie und Fahri Yardim spielen bizarre Versionen Ihrer selbst. Werden Sie im echten Leben oft mit Ihrer Figur verwechselt?

Ulmen: Man kann da glaube ich gar nicht so viel verwechseln, weil wir ja tatsächlich so drauf sind (lacht). Klar: Wir kehren die Seiten heraus, die erzählenswert sind und einen gewissen Sprengstoff in sich tragen. Wir sind hoffentlich etwas vielschichtiger als in „jerks.“, aber wenn Leute sagen, die sind so auch in echt, dann ist das keine Verwechslung.

Loyalität ist ein großes Thema der Serie, vor allem Fahri Yardim verhält sich Ihnen gegenüber manchmal höchst illoyal. Wie wichtig ist Ihnen Loyalität im richtigen Leben?

Ulmen: Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Ich brauche nicht so wahnsinnig viele Freunde, bin vielleicht gar einzelgängerisch unterwegs. Jetzt könnte man die These aufstellen, dass sich Einzelgänger wenig Gedanken um Loyalität ihrer Nächsten machen müssen, weil die Nächsten eben rar sind. Aber das weiß ich wirklich nicht. Davon abgesehen: Fahri ist in der Serie meistens nicht illoyal, weil er böse ist, sondern weil er Angst um sein eigenes Heil hat – und das ist doch auch irgendwie verständlich. Ein gewisses Maß an Illoyalität ist menschlich.

Sind Sie ein loyaler Freund?

Ulmen: Ich glaube schon. Ist es denn schon illoyal, wenn mir ein Freund ein sehr krasses Geheimnis anvertraut, das für mich sehr schwer zu ertragen ist und ich es dann im Prozess der Verarbeitung beim Schlafengehen meiner Frau erzähle? Eigentlich schon, oder? Ich müsste dann noch mal überlegen, wie weit genau meine Loyalität belastbar ist (lacht).

Warum "Tatort"-Kommissar Lessing nicht auferstehen durfte

Und wie geht’s mit dem „Tatort“ weiter? Ihr Kommissar Lessing ist in der letzten Folge aus Weimar ja gestorben.

Ulmen: Stimmt, Lessing ist gestorben, und ich hätte mich total gefreut, ihn als Geist weiter auftauchen zu lassen. Das war der allgemeine Plan, aber den mochte meine liebe Freundin und „Tatort“-Partnerin Nora Tschirner unversehens nicht mehr leiden. Sie konnte ohne mich einfach nicht weitermachen, was mir natürlich auch geschmeichelt hat, klar.

Also ist das Thema „Tatort“ durch für Sie?

Ulmen: Erstmal ja. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass es wieder einen grandiosen „Tatort“ aus Weimar geben wird, auch wenn der ohne Lessing und ohne die freche Kodderschnauze von Nora Tschirner auskommen muss. Der Tatort Weimar wird weiterleben.

Die neue Staffel „jerks.“ läuft ab 26. August beim Streamingdienst Joyn Plus.

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