"EXIT:ERDE": Weißenburg führt sich wieder auf

11.10.2020, 13:02 Uhr

© Foto: Jan Stephan

Die Kulturszene in Weissenburg funktioniert ohne Nachnamen. Der Matze, die Antje, die Andrea, der Clemens – die Protagonisten kennen sich, duzen sich, mögen sich. Und alle sind sich einig: Was die Kulturschaffenden der 20 000-Einwohner-Stadt hier auf die Beine gestellt haben, ist außergewöhnlich. Die Kunst-Performance "EXIT:ERDE", die am Samstag zweimal zu sehen war und am 24. Oktober ein weiteres Mal aufgeführt wird, steht in der Tradition des weithin beachteten Theaterstücks "Der Lebkuchenmann" aus dem Vorjahr. Mit Autor Franzobel und Regisseur Georg Schmiedleitner hatte man klangvolle Namen für die Schlüsselpositionen verpflichten können.

Was da 2019 passierte, war vor allem ein Startschuss. Es bildete sich ein loses Kollektiv von Weißenburger Künstlern, die sich weiter trafen, Kontakt hielten und schließlich den großen Wurf planten. Mittendrin: Buchhändler Matthias Meyer (der Matze). "Das Ziel war eine subversive Sause, bei der man von Kunst zerstört wird", erzählt Meyer. Corona habe das Ganze umgekrempelt, die Energie ging aber nicht verloren.

"Corona zwingt uns dazu, bei den Zuschauern statisch zu sein," sagt Regisseurin Antje Wagner (die Antje). "Dafür soll sich die Ausstellung bewegen." Das tut sie auch. In der rund eine Stunde dauernden Performance wird außerdem, gewissermaßen nebenbei, die Geschichte der Menschheit erzählt. Beteiligt sind Weißenburger Schauspieler und Künstler aller Gattungen. Integriert ist außerdem eine Lesung von Clemens Berger (der Clemens), Stadtschreiber, und in dieser Funktion Nachfolger von Franzobel. Der Wiener Schriftsteller arbeitet an einem Theaterstück, das 2022 aufgeführt werden soll – wieder unter der Ägide Schmiedleitners.

Es geht in der Performance um den Umgang mit unserem Planeten. Die Erde erinnert sich als Stimme aus dem Off an ihre Zeit mit den Menschen. Auf Entdeckung und Strukturierung folgt Ausbeutung und Zerstörung. Die Botschaft kommt zwar nicht gerade subtil daher, dafür fliegen Prothesen, es werden Bäume herumgehoben und Stahlhelme aufgespießt.

© Thomas Correll

Bemerkenswert ist, wie die Industriehalle, in der das Ganze stattfindet, ins Stück einbezogen wird, und wie in all dem Chaos eine Ausstellung geboren wird – die dann in kürzester Zeit wieder verschwindet, um im zweiten Durchlauf erneut zu erstehen. Ein Spektakel, das sich lohnt, weil es in so vieler Hinsicht außergewöhnlich ist. So sah es auch das Publikum, das stehend applaudierte.

Mit Bleistift und Kettensäge

Flankiert wird die Performance von einer weiteren Ausstellung. Während die lokale Kultur sich in der Industriehalle an Stadtrand austobt, geht es in der schicken "Kunstschranne" im Zentrum gesitteter zu. Dort zeigen 24 überregionale Künstlerinnen und Künstler ihre Werke.

"Wir hatten über 260 Einsendungen", berichtet Kulturamtschefin Andrea Persch (die Andrea). Beeindruckend ist etwa die per Kettensäge geschaffene und doch so fragile Holzskulptur der Münchner Künstlerin Elsa Nietmann oder das Flüchtlingsboot vom Berliner Clement Loisel, bei dem die Menschen als Bleistift-Zeichnung verblassen, während der Rest des Bildes satte Farbe bekommen hat.

"Kunst fließt durch alle Poren hier", freute sich die Antje nach der Performance. Den Satz kann man so stehenlassen.

"EXIT:ERDE" ist am 24. Oktober um 19.30 Uhr nochmals zu sehen, die dazugehörige Ausstellung kann man auch ohne Performance besuchen, am 11., 17. und 18. Oktober. Die Kunstpreis-Ausstellung in der Schranne läuft bis 24. Oktober.

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