"Mordgeschichte um Mordsfußballer"

In diesem neuen Nürnberg-Krimi spielt Max Morlock eine Hauptrolle

20.8.2021, 16:31 Uhr
Max Morlock in seinem Lotto-Geschäft in Nürnberg.

© dpa/Kemmether Max Morlock in seinem Lotto-Geschäft in Nürnberg.

Es ist nicht der erste Spaziergang, den Rolf Gröschner und Wolfgang Mölkner fern ihrer eigentlichen Expertise unternehmen, wohl aber der weiteste: Anstatt Jurisprudenz und Philosophie, Freiheitsdialog und Lehre wagen sie sich an gleichsam irdische Sujets. Ein Krimi mit Blut und Fußball, wie schon das Cover verrät. Und der Untertitel, dass die Katze das Mausen nicht ganz lassen kann.

Eine "Mordgeschichte um einen Mordsfußballer", sagt Dr. Rolf Gröschner, Jurist und Universitätsprofessor im Ruhestand, verheiße nicht nur kriminalistisches Ungemach, sondern auch das Sprachfaible, welches ihm als Tor zur Literatur diene, und wir lernen: Wo ein "Mord" mit einem sogenannten "Fugen-s" daherkommt, da sprechen wir von einem Nonplusultrasuperlativ. Wo der Mord alleine steht, fließt wahrscheinlich Blut.

Zwei Frankenseelen

Rolf Gröschner und Wolfgang Mölkner: Morlock – Mordgeschichte um einen Mordsfußballer. Romeon Verlag, 10,95 Euro.

Rolf Gröschner und Wolfgang Mölkner: Morlock – Mordgeschichte um einen Mordsfußballer. Romeon Verlag, 10,95 Euro. © Romeon Verlag/Montage: Sabine Schmid

Seit vielen Jahren schon veröffentlichen Gröschner und Mölkner gemeinsam ihre Gedankenspielereien, haben 2019 mit der vielbeachteten Staatstheater-Kooperation "Freiheitsdialoge" die großen Philosophen zum Leben erweckt und zuletzt "Kants Doppelleben" erkundet. Der "schlummernde Autor", sagt Rolf Gröschner, begann hier bereits, sich auszutoben. "Jetzt darf er endlich raus." In eine "Kriminalgeschichte mit eigenem Erzählton", gibt sich der Belletristik-Eleve bescheiden, "schließlich sind wir keine Thrillerautoren."

Wohl aber Frankenseelen mit dem Wissen zweier langer Leben, das sich auf knapp 150 Seiten zu einer dichten Geschichte verwebt, in deren Zentrum mit Max Morlock identitätsstiftendes Idol vieler Generationen und einer ganzen Region steht. So viel sei verraten: Er war's nicht! Doch sein Lottoladen in der Südstadt, in dem am 4. Juli 1954 ("Tor, Tor, Tor – Deutschland ist Weltmeister!") nicht nur die Korken knallen, sondern auch Schüsse, ist Schauplatz des tragischen Endes, das die junge Liebe zwischen einer Deutschen und einem amerikanischen Soldaten findet.

Anstatt den Fall gemäß Krimi-Leitlinien kommissarisch zu durchleuchten, sezieren Gröschner und Mölkner die fränkische Seele – und die der Nachkriegszeit zwischen Wirtschaftswunder und kaltem Krieg, zwischen Entbehrungen und Jubel. In einem "co-kreativen Prozess, in dem wir uns regelmäßig gegenseitig an- statt aufgeregt haben", ist mit viel Wissen um die Heimat ein Porträt derselben entstanden, das als buntes Potpourri so gespickt ist mit Informationen, dass man vor lauter Feuerwerk schon mal den Überblick verliert, es einen allemal aber beim Lesen in den Füßen juckt: Details, die man noch nie bemerkt, Hintergründe, derer man bislang nicht gewahr war, verlocken zum sofortigen Nachforschen auf eigene Faust, die Geschichte bebildern mit eigenen Ideen oder umgekehrt. GIs im Fürther "Grünen Baum", die Männlein, die am Hauptmarkt laufen. Warum die "Quelle" eigentlich so heißt und wie aus einem kleinen, jüdischen Papierwerk Deutschlands erfolgreichstes Versandhaus werden konnte. Wie die Stimmung sich ändert in der Vorkriegszeit und wie danach und wie der Fußball so beflügelt in einer Welt, die am Boden liegt – und wie mittendrin der Denker und Lenker des Nürnberger Spiels zum ruhmreichen Status erhebt.

"Viel selbst Erlebtes" haben die Autoren eingewoben, sagt Alt-Erlenstegener Gröschner, der als kleiner Rolf mit dem Radl nach Zabo geflitzt und seinem Idol Zaungast war. Der zwar die Rechtschreibreform bekämpft, nicht aber die Wahrheitsfindung, sondern sich "als Aufklärer von brutaler Offenheit" sieht und mit Kompagnon Wolfgang Mölkner nicht nur die eigene Kindheit in erste zaghafte, doch mutige belletristische Gehversuche lenkt, sondern sicher auch die Erinnerungen zahlreicher Nürnberger wiederaufleben lässt. Der Kriminalfall wird, wie es sich gehört, freilich geklärt. Ob der "Mordgeschichte" noch das "Fugen-s" verliehen wird, soll jeder selbst entscheiden.

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