Nürnberger Bürgerinitiative kritisiert Kulturhauptstadtbüro
24.1.2020, 12:12 UhrDarin wird zu lesen sein, warum jede der fünf im Rennen verbliebenen Städte weitergekommen ist. Aber eben auch, was die Jury an den jeweiligen Bewerbern um den Titel als Kulturhauptstadt 2025 bemängelt, was aus ihrer Sicht fehlt, was stärker oder anders akzentuiert werden sollte. Eine Art von Zwischenzeugnis also.
Wann genau dieses Zeugnis von der Kulturstiftung der Länder, die das Verfahren managt, vergeben wird, ist nicht bekannt. Es dürfte aber sehr bald sein. Denn laut Statut hat die Jury dafür 21 Arbeitstage nach der Bekanntgabe der Shortlist Zeit. Die ist (wenn man die klassischen Büro-Wochentage zählt) seit vergangenem Freitag um. Man ist also bereits in Verzug.
Die Zeit drängt
Das sei ein unhaltbarer Zustand, finden die Aktivisten von NUE2025 (nicht zu verwechseln mit dem städtischen Bewerbungsbüro N2025) und schießen gegen die Kulturstiftung der Länder und die Kulturministerkonferenz. Die habe "schlecht geschriebene Verfahrensregeln verfasst" und räume den Beteiligten viel zu viel Zeit ein. Das, so die Kritik der Bürgerinitiative, mache die Aktionsfrist für Bürger unnötig kurz. Gemeint ist damit die Tatsache, dass das neue, zweite Bewerbungsbuch bis Ende Juli abgegeben werden muss und die Zeit drängt.
Bürger, die sich für die Kulturhauptstadtbewerbung engagieren, investieren dafür ihre Freizeit, betont Philip Zerweck von NUE2025. Die Profis hätten dafür ihre Arbeits- zeit zur Verfügung. Die Kulturstiftung, so die Forderung von NUE2025, möge der Jury also bitteschön Druck machen. Aber auch die Kulturstiftung selbst bekommt von der Initiative aus Nürnberg, die derzeit im Kern aus acht Leuten besteht, Kritik: Sie habe ungeschickt kommuniziert und kläre die Bevölkerung nicht gut genug auf.
Kulturhauptstadt 2025: So hat sich Nürnberg vorgestellt
"Sehr, sehr kontraproduktiv" findet Hans-Joachim Wagner, Chef des Nürnberger Bewerbungsbüros, die Tatsache, dass NUE2025 die Organisationseinheit, die für die Auswahl der deutschen Kulturhauptstadt zuständig ist, derart angeht. Bei der Kulturstiftung selbst reagiert man professionell gelassen. "Kein Kommentar", heißt es.
Ein nachvollziehbarer Kommentar zu einem weiteren Kritikfeld, das NUE2025 mit Vehemenz beackert, findet sich auf der Facebookseite der Bürgerinitiative: "Wenn man das (…) so liest, könnte man den Eindruck gewinnen, Nürnberg sei gar nicht weiter" im Rennen um die Kulturhauptstadt, meint der Kulturwissenschaftler Thomas Kaestle aus Hannover, das (neben Magdeburg, Chemnitz und Hildesheim) einer der verbliebenen Mitbewerber Nürnbergs ist.
Hintergrund für seine Feststellung ist die vernichtende Bewertung, die die NUE2025ler zu einer vom Bewerbungsbüro in Auftrag gegebenen Netzwerkstudie abgeben. Grob gesagt geht es darin um die Erfassung regionaler und internationaler Kulturkooperationen von Einrichtungen sowie Künstlern der Metropolregion. Nach umfassender und arbeitsaufwendiger Analyse hält NUE2025 die Ergebnisse der Studie für "unzureichend", "fehlerhaft", "unbrauchbar", "untauglich". Die Liste an negativen Zitaten ließe sich problemlos fortsetzen: Zehn Seiten Total-Verriss zu einer 40-seitigen Studie.
Sehr verkürzt lautet die Kritik: Der Begriff "Kulturakteure" wird nicht ausreichend definiert. Und indem die bestehenden Kontakte dieser diffusen Masse als Basisdaten für eine weitere Kulturstrategie hergenommen werde, zementiere man bestehende Verhältnisse — das heißt Personen und Institutionen, die eh schon von den Fördertöpfen profitieren. Bedenkenswerte Argumente. Beide Papiere sind für jedermann im Internet nachzulesen.
Im Nürnberger Bewerbungsbüro reagiert man auf diese Angriffe ebenfalls professionell gelassen, löscht schon mal einen Post von NUE2025, wenn der wegen persönlicher Verunglimpfung justiziabel erscheint und arbeitet weiter am neuen Bid Book.
Von der Idee begeistern
Um nicht missverstanden zu werden: Kritische Begleitung ist wichtig, richtig und unerlässlich. Mit Vorwürfen an die Kulturstiftung der Länder und die Kulturministerkonferenz erweist man der Nürnberger Bewerbung aber wohl eher einen Bärendienst. Das Verfahren dürfte dadurch nicht beschleunigt werden.
Und für den stadtinternen Begleitprozess gilt: entscheidender als die Frage, ob eine Studie nun Begriffe ausreichend definiert, ist es doch, die Menschen von der Idee der Kulturhauptstadt zu begeistern und ihnen überhaupt zu vermitteln, worum es dabei geht. Das gelingt ganz sicher nicht mit akademischen Diskussionen.
"Am Ende bleibt das Gefühl mieser Stimmung", schreibt der schon zitierte Hannoveraner über seinen Eindruck von Nürnberg kurz vor der "Zeugnisvergabe". Kulturhauptstadt muss bei aller theoretischer Durchdringung von Fragen der Stadtentwicklung und Kulturtheorie, bei allen schwierigen Definitionen von Kultur und Kulturakteuren, bei allen Debatten um Basisdaten und Zukunftsstrategien vor allem die Menschen mitnehmen. Die packt man aber nur, wenn sie sich wohlfühlen, wenn auch Spaß, Unterhaltung, Emotionen im Spiel sind — und bei all dem Komplexen auch ein Stück weit Humor und Leichtigkeit. Ein schwieriger Spagat. Aber zu schaffen, wenn alle an einem Strang ziehen.
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