Schatten auf der Starkarriere: Plácido Domingo wird 80

20.1.2021, 14:37 Uhr
Schatten auf der Starkarriere: Plácido Domingo wird 80

© Foto: Britta Pedersen, dpa

Die letzten beiden Jahre zählen sicherlich nicht zu den glücklichsten im Leben von Plácido Domingo. Zuletzt verlangte dem spanischen Opernstar die Corona-Pandemie und eine Covid19-Erkrankung eine Zwangspause ab. Vor allem aber sorgten im August 2019 im Zuge der "MeToo"-Bewegung veröffentlichte Vorwürfe von rund 20 Frauen, Domingo habe sie in früheren Jahren sexuell belästigt, für einen erheblichen Karriereknick und eine empfindliche Schädigung des Rufs des weltberühmten Tenors.

Der schien zuvor angesichts seines riesigen Repertoires von rund 150 Rollen, seiner jahrzehntelangen Top-Karriere mit 4000 Auftritten, seiner immensen Verkaufszahlen von 21 Millionen Tonträgern und seiner Popularität als Teil der ehemaligen "Drei Tenöre" in einer eigenen Liga zu singen und zu schweben.

Schluss mit der Met

Hart auf dem Boden der Tatsachen landete Domingo schließlich im Februar 2020, als eine Untersuchung des US-Verbands der Musikkünstler zu dem Ergebnis kam, dass Domingo "unangemessene Aktivitäten" vom Flirt bis zu sexuellen Avancen ausgeübt habe. Domingo räumte diese Vorwürfe erst nach dieser Veröffentlichung ein, was seine Entschuldigung nicht gerade glaubwürdig machte. Einen Monat später kam auch die Oper von Los Angeles zu dem Schluss, dass bestimmte Vorwürfe "unangemessenen Verhaltens" glaubwürdig seien.


Opernstar Placido Domingo entschuldigt sich für Übergriffe


Domingo trat daraufhin als Chef dieses Opernhauses zurück; die Metropolitan Opera in New York, an der Domingo häufiger aufgetreten war als an jedem anderem Haus, beendete die Zusammenarbeit mit ihm. Auch diverse europäische Häuser, darunter die Deutsche Oper Berlin, strichen Engagements, in seinem Heimatland Spanien verhängte das dortige Kulturministerium sogar eine Art bis heute fortwirkenden "Bann" für Auftritte im ganzen Land über ihn.

Entsprechend emotional gab sich Domingo nun, als er seine fast zweijährige Leidenszeit reflektierte: "Ich habe geweint, als ich nach fünf Monaten fern der Bühnen wieder gesungen habe", sagte er der spanischen Zeitung "La Razón". Inzwischen gab es wieder Auftritte in Wien – die Staatsoper hielt immer an Domingo fest – Monte-Carlo, Moskau und Sankt Petersburg, allerdings wegen der Pandemie vor kleinem Publikum.

Trotz des Einräumens seines Fehlverhaltens und seiner Entschuldigung beharrt der Vater dreier Söhne und mehrfache Großvater darauf, "niemals jemanden belästigt" zu haben. Dem stehen laut einem von Spiegel-Online veröffentlichten Artikel vom September 2019 Aussagen von Mitarbeitern diverser Opernhäuser gegenüber, Domingos unangemessenes Verhalten sei ein "offenes Geheimnis" gewesen und man habe früher "komplizierte Strategien" entwickelt, um Domingo von Sängerinnen fernzuhalten.

Enormes Arbeitspensum

Ohne diese Schatten auf seiner Biografie wären Domingo Titel wie "König der Oper", "bester Tenor aller Zeiten" und "lebende Legende" sicher gewesen. Mit seiner sängerischen Intelligenz und seinem enormen Arbeitspensum erarbeitete er sich mit rund 150 Partien ein konkurrenzlos großes Rollenrepertoire, zu dem auch zahlreiche Raritäten zählen. Sein Vorbild Enrico Caruso (1837–1921, 40 Partien) übertrifft er damit um ein Vielfaches. Im Zentrum seines sängerischen Schaffens steht die italienische und die französische Oper, mit Verdi, Puccini oder Bizet. Aber auch mit Mozart und als Wagner-Interpret hat sich Domingo in die Operngeschichte eingeschrieben: Er sang mit Lohengrin, Siegmund, Parsifal, Siegfried und Tristan die zentralen dramatischen Tenorpartien dieses Komponisten.

Als im Alter seine Stimme an Höhenkraft verlor, wechselte Domingo hin und wieder ins Baritonfach und feierte auch dort – u.a. mit der Titelpartie von Verdis "Simon Boccanegra", weltweite Erfolge.

Anfänge in Mexiko

Als Bariton hatte Domingo einst seine großartige Karriere auch begonnen. Seine Eltern, beide Zarzuela-Sänger, also der spanischen Variante der Operette, waren noch in seinen Kinderjahren nach Mexiko ausgewandert. Dort erhielt er seine musikalische Ausbildung; von 1962 bis 1965 hatte er sein erstes Engagement an der Oper in Tel Aviv, 1966 stand er zum ersten Mal in New York, an der "kleineren" City Opera, auf der Bühne. 1968 wechselte er an die Met und erlebte dort seinen Durchbruch.

Neben seinen Rekorden ist Domingo als durchaus nicht unbedeutender Dirigent (über 500 Opern- und Konzertvorstellungen) aktiv. Ans Aufhören mag er trotz oder wegen der Rückschläge der letzten Jahre nicht denken. "Das Alter ist keine Ausrede dafür, dass man die Begeisterungsfähigkeit verliert oder nicht weiter träumt", sagt Domingo. Am Donnerstag, 21. Januar, wird er 80 Jahre alt.

Verwandte Themen


Keine Kommentare