Karl May und die Franken

Wigwams am Schmausenbuck: Winnetou war auch in Nürnberg

30.7.2021, 09:45 Uhr
Der immer noch beliebte Westernautor Karl May kam auch in Nürnberg schon des öfteren auf die Bühne – witzigerweise sogar im Tiergarten.

© Stadtarchiv Nürnberg Der immer noch beliebte Westernautor Karl May kam auch in Nürnberg schon des öfteren auf die Bühne – witzigerweise sogar im Tiergarten.

Anno 1962 wäre Old Shatterhand beinahe durch die Oberpfalz geritten. Der "Karl May Club Neumarkt" plante damals eine Freiluft-Aufführung mit dem großen Helden des Wilden Westens in einem nahegelegenen Steinbruch. Die Schmetterhand und deren Blutsbruder Winnetou waren gerade wieder in aller Munde. Denn in den Kinos lief die erste Karl-May-Verfilmung einer sehr erfolgreichen Welle: "Der Schatz im Sillbersee".

1962 hätten sich viele Nürnberger noch gut daran erinnert, den Westman aus Sachsen samt Häuptling der Apatschen wenige Jahre zuvor im Tiergarten getroffen zu haben. 1954 waren auf der dortigen Freilichtbühne Wigwams aufgebaut worden. Das städtische Schauspiel, damals im Lessingtheater untergebracht, zeigte das Stück "Winnetou, der rote Gentleman" in einer Inszenierung von Hanswalter Goßmann.

Die Nürnberger Nachrichten lobten die kluge Übersicht und den Schwung des Regisseurs, der später als Onkel Willi in der Uraufführung von Fitzgerald Kusz' Schwank "Schweig Bub!" fränkische Unsterblichkeit erlangen sollte.

Nicolas Finke, Reinhard Marheinecke: Karl May auf der Bühne. Karl-May-Verlag, 399 Seiten, 49 Euro.

Nicolas Finke, Reinhard Marheinecke: Karl May auf der Bühne. Karl-May-Verlag, 399 Seiten, 49 Euro. © Karl-May-Verlag GmbH

Woher man das alles weiß? Weil es jetzt ein dickes, großformatiges Buch mit dem Titel "Karl May auf der Bühne" gibt. Der Bamberger Karl-May-Verlag, der das Erbe seines Hausautors derzeit bis zum letzten Nagel von Winnetous Silberbüchse dokumentiert, hat es herausgegeben.

Es ist ein Buch für Enthusiasten von Enthusiasten. Nicolas Finke, der eine der beiden Autoren, war lange Redakteur beim Magazin "Karl May & Co.", Reinhard Marheinecke, der andere, schreibt unermüdlich neue Winnetou-Romane.

Finke und Marheinecke haben eine unglaubliche Fleißarbeit geleistet. Was sie an Besetzungslisten, Tantiemen-Abrechnungen, Programmheften, Plakaten, Bühnenfotos, Bildern der historischen Theaterbauten, Biografien von Schauspielern, Presseberichten und vielem mehr zusammengetragen haben, ist staunenswert. Das ist für jeden Theaterwissenschaftler hochinteressant. Und "Karl May auf der Bühne" ist bisher nur Band 1.

Wie beim Schöpfer der Vorlagen üblich, sollen weitere Bände folgen. Dann soll es, wie zum Teil schon im vorliegenden Buch, hauptsächlich um die Freiluft-Tradition der May-Bearbeitungen gehen. Viele kennen ja die Karl May-Spiele auf den Naturbühnen von Bad Segeberg, Rathen oder Elspe.

"Winnetou" im Nürnberger Schauspiel.

"Winnetou" im Nürnberger Schauspiel. © Stadtarchiv Nürnberg

Doch die Bearbeitungen der sehr epischen, allerdings mit vielen Dialogen ausgestatteten Werke ("Winnetou" allen voran) war tatsächlich zuerst für die Guckkästen in festen Häusern gedacht. Der sächsische Vielschreiber selbst hatte sich ja nur einmal als Dramatiker versucht. Sein Symbol-Stück "Babel und Bibel" gilt bis heute als unaufführbar.

So fand denn die Uraufführung der ersten Dramatisierung von "Winnetou" – zu Lebzeiten Mays
hatte es nur eine orientalische Faschings-Pantomime im Bahnhofshotel von Kötzschenbroda gegeben - am 8. November 1919 im Deutschen Theater München statt.

Auch große Mimen

Winnetou und Old Shatterhand in der Aufführung der Freilichtbühne des Nürnberger Tiergartens 1954.

Winnetou und Old Shatterhand in der Aufführung der Freilichtbühne des Nürnberger Tiergartens 1954. © Stadtarchiv Nürnberg

Nicolas Finke und Reinhard Marheinecke folgen den Spuren der Text-Fabrikation ebenso genau wie der Rezeption durch die Presse. Und sie finden danach die verschlungenen Pfade zu jeder denkbaren May-Inszenierung auf bundesdeutschen Bühnen bis in die 1960er Jahre hinein. Im Nürnberger Schauspiel stand "Winnetou" erstmals 1940 auf dem Spielplan.

Große Mimen haben den Apatschen gegeben, Will Quadflieg zum Beispiel, später der berühmte Faust unter Gustaf Gründgens' Regie in den 1950ern. Auch um Pierre Brices Weg von der Filmleinwand auf die Felsenbühne geht es in dem Buch. Manchmal ermüden die allzu genauen Details einer Aufführungs-Beschreibung.

Doch immer wieder wird es spannend in den "dark and bloody grounds" des Karl May-Theaters. Nicht erstaunlich bei dem Autor dieser wunderbar erfundenen Reiseerzählungen als Stoff für Bühnen-Träume.

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