Survival-Experte gibt Tipps

Nach dem Drama um die achtjährige Julia: Was tun, wenn ich mich verirrt habe?

André Ammer

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15.10.2021, 18:13 Uhr
Nach dem Drama um die achtjährige Julia: Was tun, wenn ich mich verirrt habe?

© privat

"Überleben findet im Kopf statt", sagt Oliver Kiesel, der Vorsitzende von Wilderness Survival. Ist man in unbekanntem Gelände völlig auf sich allein gestellt, müsse man einen kühlen Kopf bewahren und methodisch vorgehen. Wie man sich in der freien Natur zurechtfindet, das vermitteln der ehemalige Bundeswehr-Soldat und seine Vereinskameraden auch Kindern und Jugendlichen in Freizeitcamps. Dabei lernen ihre Schützlinge unter anderem, wie man sich auch ohne technische Hilfsmittel orientieren kann.

Sollte man sich beim gemeinsamen Wandern verirren, ist es laut Kiesel vor allem wichtig, dass man nicht panisch herumrennt und dabei die Orientierung komplett verliert. "Bleiben Sie in der Nähe des Ortes, an dem Sie den Kontakt zu Ihrer Gruppe verloren haben. Dort wird man Sie zuallererst suchen", rät der 41-Jährige aus dem Landkreis Schweinfurt, der bei der Bundeswehr auch eine Einzelkämpferausbildung absolviert hat. "Wenn wir uns verlieren sollten, bleib wo du bist" - das sollte man seinen Kindern immer wieder mal einschärfen, sagt Kiesel, der selbst zweifacher Vater ist.

Nur wenn man sich sehr sicher ist, dass auf absehbare Zeit niemand nach einem sucht, sollte man losgehen und sich dabei immer wieder Orientierungspunkte wie einen markanten Baum, eine Bergspitze oder einen Strommasten anpeilen. Ansonsten läuft man Gefahr, sich im Kreis zu bewegen. "Bei jedem Menschen sind die Beine unterschiedlich lang und unterschiedlich stark. Da driftet man auf längeren Strecken ohne Referenzpunkte im Gelände ganz automatisch nach links oder nach rechts ab", erklärt Kiesel.


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Eine gute Orientierungshilfe sind Wasserläufe, an denen man konsequent entlanglaufen sollte. "Früher oder später wird man auf eine menschliche Siedlung treffen", versichert der unterfränkische Survival-Experte, der auch zu regelmäßigen Markierungen auf dem Boden, zum Beispiel einige zu einem Pfeil-Symbol arrangierte Zweige, rät. Das könnte den Suchenden wertvolle Hinweise liefern.

Es wäre auch gut, wenn Kinder, die schon etwas größer sind, einen eigenen kleinen Rucksack beim Wandern dabeihaben. Darin könnte man neben warmer Zusatzkleidung und etwas zum Trinken auch eine Rettungsdecke aus Aluminium verstauen, mit der man sich nicht nur vor dem Auskühlen schützen kann, sondern die im Bedarfsfall auch wertvolle Dienste als behelfsmäßiges Dach beim Bau eines Unterstandes leistet. Eine Taschenlampe, Traubenzucker und Magnesiumtabletten als Gegenmittel gegen Krämpfe stehen ebenfalls auf Kiesels Packliste für so einen Notfall-Rucksack.

Ebenso eine Trillerpfeife, deren Ton in der Regel weiter zu hören ist als Rufe. Zudem könne das Rufen mit der Zeit sehr anstrengend werden, und irgendwann könne sogar die Stimme versagen. "Solche Trillerpfeifen sind auch mit einem integrierten Kompass erhältlich", berichtet Oliver Kiesel. Weitere Hilfsmittel wie Streichhölzer könnte man auch in einem speziellen Survival-Döschen unterbringen. Und wenn ein Kind schon ein Handy besitzt, würde das die Situation natürlich enorm erleichtern. Das Mobilfunknetz in Deutschland sei mittlerweile so engmaschig, dass man auch in extrem abgelegenen Gegenden irgendwann wieder Empfang habe.


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Den Umgang mit solchen Hilfsmitteln müsse man natürlich mit seinen Kindern trainieren, damit sie zum Beispiel lernen, wie man sich Holz und Rinde sucht und für ein Feuer herrichtet. "Nach unserer Erfahrung haben Kinder einen Riesenspaß, wenn man sie spielerisch auf das Überleben in der freien Natur vorbereitet", sagt Kiesel, der seinen Schützlingen manchmal auch zeigt, wie sie sich aus isolierendem Laub und Tannenzweigen ein "Jägerbett" für das Übernachten unter freiem Himmel herrichten können.

Je besser das Kind vorbereitet sei, desto besser komme es mit einer solchen Ausnahmesituation klar. "Dann kann es sich aktiv mit den verschiedenen Problemen auseinandersetzen und wird nicht lethargisch", erklärt Oliver Kiesel. Auch deshalb rät er Eltern, dass sie regelmäßig mit dem Nachwuchs in der freien Natur unterwegs sein sollten. "Damit vermittelt man den Kindern auch, dass die Natur nicht ihr Feind ist."


Wer sich über die Aktivitäten von Wilderness Survival informieren will, hat dazu auf der Facebook-Seite des Vereins die Möglichkeit.

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