Keine einzige Kollision beobachtet

Besser als gedacht: Studie belegt, dass Vögel über dem Meer Windräder umfliegen

1.4.2023, 15:30 Uhr
Eine Studie des schwedischen Unternehmens Vattenfall belegt, dass Vögel Windrädern wohl besser ausweichen können, als zunächst angenommen. (Symbolbild)

© IMAGO/Ashley Cooper Eine Studie des schwedischen Unternehmens Vattenfall belegt, dass Vögel Windrädern wohl besser ausweichen können, als zunächst angenommen. (Symbolbild)

Das schwedische Unternehmen Vattenfall hat in Zusammenarbeit mit Biologen im Rahmen einer Studie das Verhalten von Vögeln beobachtet. Konkret untersucht das Projekt die Flugwege von Vögeln in der Nähe von Windturbinen. Die wohl wichtigste Erkenntnis aus der zweijährigen Forschung: Zumindest von den aufgezeichneten Vögeln kollidierte kein einziger mit einem Rotorblatt. Das führt die Forscher zu der Annahme, dass die Seevögel Rotorblättern wohl besser ausweichen können, als zuvor angenommen.

Vogelarten reagieren unterschiedlich

Schauplatz der Studie ist die Bucht vor Aberdeen in der Nordsee an der Ostküste Schottlands. Das Forscher-Team untersuchte zwei Jahre lang im Offshore-Windpark-Aberdeen mithilfe von Radar und Kameras die Bewegungen von Silbermöwen, Tölpeln, Dreizehnmöwen und Mantelmöwen, berichtet das Unternehmen in einer Mitteilung. Untersucht wurden die Bewegungen während der Brutzeit von April bis Oktober, dort sind die Vögel in der Regel am aktivsten.

Für die Forschung haben die Beteiligten rund 10.000 Vogelvideos gesammelt. Aus diesen ergibt sich, dass die Seevögel ab einer Entfernung von ca. 120 Metern ihre Bewegungsmuster den Rotorblättern anpassen. Je nach Vogelart variiert die Distanz: Silbermöwen und Dreizehnmöwen weichen waagerecht aus, mit einem Abstand von 90 bis 100 Metern beziehungsweise 140 bis 160 Metern zu den Rotorblättern. Tölpel und Mantelmöwen weichen dagegen knapper aus. Die Forscher beobachteten, dass diese erst 40 bis 50 Metern vor den Spitzen der Rotorblätter den Kurs ändern.

Kein einziger Vogel verletzt

Während der Studie wurde kein einziger Zusammenstoß zwischen Vogel und einem Rotorblatt beobachtet, so der Bericht. Daraus schließen die Forscher, dass Seevögel die Hindernisse bei Tag präzise umfliegen können und damit nur einem geringen Risiko ausgesetzt sind.

"Oft wurde behauptet, dass sehr kostspielige Lösungen erforderlich sind, um Kollisionen der Vögel (mit Rotorblättern von Windturbinen) zu vermeiden. Dabei können die Arten, die wir verfolgt haben, diesen perfekt ausweichen. Sie können wirklich gut in der Umgebung von Windkraft überleben", sagt Henrik Skov als Leiter des Projekts. Die Daten könnten helfen, den Weg für einfachere Genehmigungsverfahren für Offshore-Windkraft zu ebnen.

Datenlücken

Die Studie weist jedoch auch Datenlücken auf. Bei schlechter Sicht steigt die Wahrscheinlichkeit der Kollision, das berichtet das Nachrichtenportal "heise-online". Auch Projektleiter Skov bestätigt: "Das Kollisionsrisiko könnte in den Zeiten, in denen wir nicht überwacht haben, höher sein: nachts, bei sehr dichtem Nebel oder sehr dichtem Regen".

Zudem sollte nicht nur die mögliche Kollisionsgefahr ausschlaggebend für die Errichtung eines Windrades sein. "Es kann ja auch ein Lebensraumverlust sein, wenn die Tiere großräumig ausweichen und eigentlich gute Nahrungsflächen nicht mehr nutzen. Dieser Schaden ist dann nicht so leicht zu beziffern", erklärt Wolfgang Fiedler vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Radolfzell gegenüber dem Nachrichtenportal.

Im Rahmen der Forschung beobachtete man die Vogelbewegungen nur einige hundert Meter vor den Windrädern. "Damit ist nicht erfasst, ob sie noch großräumiger vermieden werden, die Vögel also gar nicht erst in diesen Bereich reinfliegen", so Fiedler. Eine andere Studie zeigte beispielsweise, dass Basstölpel bereits einen Kilometer vor dem Windrad ausweichen. "Da sieht man in der Nordsee schon relativ gut, dass es Individuen gibt, die in diese Gebiete großräumig gar nicht reinfliegen", sagt der Forscher.

Die Forschung sei mit der Studie noch lange nicht abgeschlossen. Projektleiter Skov betont, dass die Vattenfall-Studie bislang nur das Verhalten von vier Vogelarten untersucht hat. Das Modell kann jedoch auch auf andere Arten oder auch auf Windräder am Land ausgeweitet werden. "Wir benötigen jetzt Untersuchungen zu mehr Arten", berichtet Skov. Durch weitere Untersuchungen erhofft sich das Team künftig auch, bei künftigen Windparkbauten auf die Flugkorridore der Vögel Rücksicht nehmen zu können.

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