Coronavirus-Schnelltests für zuhause: Nützlich oder gefährlich?

25.3.2020, 14:44 Uhr
Ein Deutschland wird bisher nur per PCR auf das Coronavirus getestet.

© Frank Molter, dpa Ein Deutschland wird bisher nur per PCR auf das Coronavirus getestet.

Das Produkt, das die Firma Hangzhou Biotest Biotech Corp. Ltd. (kurz HBBCL) auf einer Versandplattform im Netz anbietet, ist ein Versprechen. Zwischen Nierenschalen und Verbandsmaterial verkauft sie die Hoffnung auf Gewissheit, für 69 Euro das Stück. Dafür braucht es nur ein kleine Testkassette, einen Tropfen Blut und zehn Minuten Zeit. Eine rote Linie verrät dann, ob man zur infizierten Seite der Bevölkerung gehört, ob sich das Coronavirus in der eigenen Blutbahn verbreitet hat – oder eben nicht.

Sicherheit nach wenigen Minuten

Schnelltests wie der von HBBCL kündigen derzeit viele Hersteller an, teilweise sind sie schon im Umlauf. Sie heißen Nanorepro oder Pharmact, ihre Produkte Right Sign oder einfach Coronavirus-Schnelltest. Schnelltest, das klingt einfach, praktisch, gut. Und einfach, praktisch, gut ist in Zeiten einer Pandemie, in der das öffentliche Leben weltweit nach und nach zum Erliegen kommt, täglich neue Nachrichten über ein Virus kommen, das den gesamten Alltag auf den Kopf stellt, möglicherweise ein lohnendes Geschäftsmodell.

Bisher wird Sars-CoV-2, der Erreger, der gerade bei immer mehr Menschen Halsschmerzen, Fieber und Husten bis zur Atemnot hin auslöst, durch einen PCR-Test nachgewiesen, der Proben auf das Erbgut des Virus hin untersucht. Der Test muss allerdings im Labor durchgeführt werden und dauert um die vier Stunden. Bis die Probe dort hingeschickt, bearbeitet und das Ergebnis übermittelt ist, können gut mehrere Tage vergehen. Eine Alternative, die man auch zuhause am Küchentisch auspacken kann, um in wenigen Minuten Gewissheit zu haben, scheint da verlockend.


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Das Verfahren macht sich die Wirkungsweise unseres Immunsystems zunutze. Dringen Fremde ein, laufen im Körper zahlreiche Prozesse ab, um die Eindringlinge zu neutralisieren. Unter anderem werden Antikörper produziert, die Erreger unschädlich machen sollen. Die Tests überprüfen, ob sich solche Antikörper im Blut befinden. China und Südkorea waren die ersten Länder, die solche Produkte entwickelt haben.

Die Fachwelt hierzulande steht den Schnelltests eher skeptisch gegenüber. In deutschen Apotheken gibt es sie bisher laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) nicht zu kaufen. Das komme wohl auf absehbare Zeit nicht infrage, heißt es aus der Pressestelle, wo man den Nutzen solcher Tests für Privatpersonen anzweifelt. "Es gibt keinen Marktüberblick", sagt ABDA-Sprecherin Ursula Sellerberg. Denn anders als Arzneimittel, also Pillen oder Salben, durchlaufen Medizinprodukte nicht das Zulassungsverfahren des Bundesamt für Arzneimittel. Viele sind auch explizit nicht für den privaten Gebrauch konzipiert, sondern nur für den Einsatz durch medizinisches Fachpersonal.

"Die Qualität ist sehr unterschiedlich"

Auch in der Ärztezeitung, einer Fachzeitschrift für Mediziner, warnen Berufsverbände der akkreditierten Medizinischen Labore und der Ärzte für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie vor dem Verfahren. Einer von ihnen ist Uwe Groß. Er ist Professor für Medizinische Mikrobiologie an der Universität Göttingen und betrachtet die neuen Angebote mit vorsichtiger Distanz. "Die Qualität ist sehr unterschiedlich", sagt er am Telefon, die meisten seien bei weitem nicht so gut wie der PCR-Test.

Um zu verstehen warum, muss man sich den Aufbau etwas genauer ansehen: Die klassischen Schnelltests bestehen aus einer kleinen Kassette, in die eine aus filterpapierähnlichem Material bestehende Substanz eingearbeitet ist. Diese Substanz enthält Antigene des Coronavirus, Proteine, die quasi die Hülle des Erregers bilden. Gibt man Blut oder Serum einer Testperson hinzu, das nach einer Infektion Antikörper enthält, binden sie an das Antigen und es erscheint ein farbiger Streifen – ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest.



Das Hauptproblem: Bei vielen Produkten wisse man wenig über das Antigen, das Herzstück, erklärt Groß. "Coronaviren kennen wir seit vielen Jahrzehnten, und wir wissen noch unzureichend, ob dieser Test nur SARS-Coronavirus-spezifische Antikörper erkennt oder auch unspezifisch kreuzreagiert." Heißt: Der Test könnte auch positiv ausfallen, wenn man eines der anderen vier Coronaviren im Körper hat. Das zweite Problem: Antikörper bilden sich erst nach einer bestimmten Zeit, bei SARS-CoV-2 nach aktuellen Erkenntnissen frühestens nach sieben Tagen. Vorher würde das Ergebnis negativ ausfallen, obwohl man infiziert ist.

Zwar unterscheiden die Tests zwischen mehreren Antikörperformen. "Es gibt verschiedene Klassen, und zwar IgM und IgG", erklärt Groß. Die Abkürzungen stehen für verschiedene Isotypen von Immunoglobulin. IgM wird als erstes gebildet und ist nach sieben bis 14 Tagen nachweisbar, IgG kommt erst nach zehn bis 20 Tagen hinzu. Schlägt der Test nur noch auf IgG an, liegt die Infektion also schon eine Weile zurück.

CE-Kennzeichnung gibt ersten Hinweis auf Qualität

Das dritte Problem: Auch bei der Verlässlichkeit der Tests gibt es Unterschiede. Manche sind geprüft und zugelassen, sie tragen in Europa dann eine CE-Kennzeichnung - genau wie Küchengeräte oder Kinderspielzeug. Andere haben den Zusatz RUO, "research use only", also nur für den wissenschaftlichen Gebrauch und sind nicht zugelassen. Als privater Verbraucher werde man so schnell in die Irre geführt, warnt Groß. "Die Qualität ist mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr unterschiedlich." Am ehesten validiert seien die Tests aus Asien, da sie schon länger auf dem Markt sind und schon in mehreren Publikationen besprochen wurden.

All diese Probleme sehen auch andere Wissenschaftler. Christian Drosten, Virologe an der Berliner Charité, wies in einem Podcast des Norddeutschen Rundfunk (NDR) auf die höhere Fehlerrate im Vergleich zu Labortests hin.

Sie können aber auch einen nicht zu unterschätzenden Nutzen haben. Das Robert-Koch-Institut (RKI) erklärt auf seiner Homepage, dass ein Test auf spezifische Antikörper aus epidemiologischer Sicht sinnvoll sein könne. Zwei Studien, die bisher zum Thema veröffentlicht wurden, und an denen unter anderem auch das Team der Berliner Charité mitgewirkt hat, kommen zum gleichen Schluss.

"Wenn wir in Deutschland mal mehr Fälle haben und ich als Krankenhauschef will, dass mein Betrieb weiterläuft, muss ich wissen, ob mein Mitarbeiter schon eine Infektion durchgemacht hat und immun ist", gibt Mikrobiologe Groß ein ganz konkretes Beispiel. Ist das der Fall, muss er nicht in Quarantäne, auch wenn er ungeschützten Kontakt zu einem Infizierten hatte. Um zu dieser Gewissheit zu gelangen, braucht es aber vor allem eines: Groß angelegte Studien, die einen Test entwickeln oder einen der bestehenden durch die Mangel drehen, bis er wirklich zuverlässig ist.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels wurde auch Euroimmun als Anbieter von Schnelltests genannt. Dies trifft nicht zu: Euroimmun bietet keine Schnelltests für zu Hause an, sondern Antikörpertests, die zum Screening großer Probenmengen in medizinischen Laboren ausgelegt und gerade nicht für die Eigenanwendung geeignet sind. Da Schnelltests zur Eigenanwendung einige technische Limitationen wie Einschränkungen in Sensitivität oder Spezifität mit sich bringen können, hat sich Euroimmun dazu entschieden, generell keine Schnelltests anzubieten.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels wurde an Stelle von HBBCL lediglich die "Firma Biotest" als Anbieter der betreffenden Schnelltests genannt. Dazu stellt die Biotest AG aus Dreieich klar: Die Biotest AG vermarktet derzeit keine diagnostischen Covid-19 Tests. Die Verwendung der Marke „Biotest“ durch die Hangzhou Biotest Biotech Co. Ltd. (HBBCL) im Zusammenhang mit Covid-19 Schnelltests erfolgt ohne Zustimmung der Biotest AG aus Dreieich. HBBCL steht in keinerlei Verbindung zur Biotest AG.

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