60 Überstunden im Monat

Mäusekot, Maden, Ausbeutung: Team Wallraff enthüllt Missstände bei Burger King

Alicia Kohl

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30.9.2022, 10:59 Uhr
220 Arbeitsstunden im Monat sind bei Burger King offenbar nichts Ungewöhnliches.

© Gerald Matzka/dpa-Zentralbild/dpa 220 Arbeitsstunden im Monat sind bei Burger King offenbar nichts Ungewöhnliches.

Die Zustände in den betrachteten Burger-King-Filialen ließen einem schon 2014 den Appetit vergehen, jetzt, acht Jahre später, ist das nicht anders. Mit versteckter Kamera haben sich die Journalistinnen und Journalisten als Mitarbeitende eingeschleust und teils erschreckende Zustände in den Küchen gefilmt. Hunderte Maden bedecken den Boden, Mäuse laufen durch den Verkaufsraum und die Küche, abgelaufenes, stinkendes Essen wird auf die Burger gelegt und an die Kundinnen und Kunden herausgegeben.

An die Hygieneregeln halten sich hier offenbar die wenigsten. Mitarbeitende kommen von draußen, haben den Boden saubergemacht oder den Aschenbecher ausgeleert und machen danach weiter Burger, ohne Handschuhe zu tragen oder die Hände zu waschen.

Das scheint aber noch das Harmlosteste zu sein. Abgelaufene Burgerbrötchen werden verwendet, genauso wie eingetrocknete Soßen. Die werden mit neuer Soße vermischt, damit es nicht mehr auffällt.

Maden und Mäuse in der Küche

In der "Team Wallraff"-Folge bei RTL sieht man, wie ein Mitarbeiter mehrmals an Fleisch riecht und feststellt, dass es stinkt. Er wirft es daraufhin aber nicht weg, sondern besprüht es mit Wasser, damit es nicht noch trockener wird und weiter verwendet werden kann. Das bereits geschnittene Gemüse vom Vortag wird über Nacht ins Kühlhaus gebracht und am nächsten Tag wieder verwendet - mit neuen Etiketten, die eine andere Verwendungszeit vorgaukeln. "Ist hier alles egal", kommentiert eine Filialleiterin. Dabei wird die Kühlkette in den Kühlhäusern auch noch immer wieder unterbrochen, das heißt, die Temperatur steigt dort immer wieder um bis zu 14 Grad, wie eine eingeschleuste Journalistin beobachtet. Dazu kommt noch, dass es keine Spülmaschine gibt und Behälter und Besteck komplett mit der Hand gewaschen werden müssen.

Doch das ist noch immer nicht alles, denn die Burger-King-Filialen haben regelmäßig auch tierischen Besuch. Handyvideos zeigen hunderte Maden, die abends über den Boden der Küche laufen. Eine Mitarbeiterin berichtet, dass das keine Seltenheit sei, im Sommer hätten sie das Problem jeden Tag gehabt. Auch Mäuse finden ihren Weg in die Küche und den Verkaufsraum, sie sind im Brotkorb, in der Shake- und Eismaschine. "Die treiben sich hier überall rum", sagt ein Mitarbeiter. Mäusekot findet sich direkt neben der Küche, Mäusefallen dagegen nur im Flur. Mitarbeitende berichten, dass die Mäuse zwar der Geschäftsleitung gemeldet werden, das aber einfach ignoriert wird.

Abgesehen von den vielen Hygienemängeln ist die Arbeit in den Filialen auch zeitlich gesehen extrem belastend. Die Öffnungszeiten, die extremen Anstürme durch Kunden und Kundinnen und das schnelle Produzieren von Essen können in einem Job bei einem Fast-Food-Restaurant sowieso schon stressig genug sein. Doch darüber können Mitarbeitende von Burger King offenbar nur müde lächeln. 220 Arbeitsstunden im Monat sind dort lange keine Ausnahmen, wie ein Ex-Mitarbeiter im Interview mit Wallraff erzählt. "Teilweise sind das so 13, 14 Stunden. Das ist aber normal." Bei einer normalen 40-Stunden-Woche kommen Mitarbeitende so auf 60 Überstunden pro Monat. "Wenn du 220 Stunden im Monat arbeitest, dann hast du kein Privatleben mehr", klagt ein Mitarbeiter. Selbst wenn man krank sei, werde man angerufen.

"Viel zu viel"

Die Investigativjournalistinnen und -journalisten stießen in einer Kölner Filiale auf einen internen Wochenbericht. Darin wird festgehalten, dass die Personalkosten für alle Restaurants maximal 14 Prozent des Umsatzes ausmachen dürfen. Ist der Umsatz einer Filiale also mal nicht so gut, werden offenbar Mitarbeitende nach Hause geschickt und Schichten verschoben, ohne dass die ausgefallenen Stunden bezahlt werden. "Zu viel Personal darf unter keinen Umständen vor Ort sein", erklärt der Informant, "es wird mehr Wert darauf gelegt, die Personalkosten unten zu halten, als den Umsatz zu fördern."

2014 hatten Günter Wallraff und sein Team zum ersten Mal bei Burger King recherchiert und bei den Undercover-Einsätzen teilweise schlimme Hygienemisstände und Arbeitsbedingungen aufgedeckt. Doch auch acht Jahre später hat sich das anscheinend nicht verbessert. Es müssen weiter wenige Mitarbeitende die Arbeit machen, für die eigentlich deutlich mehr benötigt werden würden. Eine aktuell bei Burger King angestellte Schichtleiterin erzählt, dass sie ihre Eltern, mit denen sie zusammen wohne, in letzter Zeit gar nicht zu Gesicht bekommen hätte. "Jeden Tag Nachtschicht, Nachtschicht, Nachtschicht. Ich bin irgendwann verrückt geworden!" Ein Mitarbeiter der gleichen Filiale hat vier Kinder und noch einen zweiten Job in einer Bäckerei: "Ich mache niemals Pause. Ich arbeite 24 Stunden. Viel zu viel."

"Eine riesengroße Sauerei"

Laut dem ersten Informanten hätte diese Ausbeutung bei Burger King System. Besonders Menschen mit Migrationshintergrund, die nur eine Duldung hätten, würden eingestellt werden, da sie bei einem solchen Druck nicht zuhause bleiben würden. "Lieber stelle ich jemanden ein, der gerade erst in Deutschland eingereist ist und der Sprache nicht mächtig ist und nicht weiß, welche Rechte er hat. Die kommen hierher, um ein besseres Leben zu haben, und werden dann ausgebeutet", sagt der Ex-Mitarbeiter. Sven Jürgens, ein Fachanwalt für Arbeitsrecht nennt das im Gespräch mit RTL "eine riesengroße Sauerei". Burger King versuche, auf Kosten der Schwächsten den Profit zu maximieren, und verstoße dabei systematisch gegen arbeitsrechtliche Vorgaben.

Das Investigativteam konfrontierte Burger King Deutschland mit den Ergebnissen der Recherche. Die Fast-Food-Kette sprach laut RTL daraufhin von neuen Mehrheitseigentümern seit Mai 2022 und dem seit dem eingeleiteten "umfassenden Veränderungsprozess, der auch erhebliche Investitionen umfasst". Einige der Recherchen seien lange vor diesen schrittweise eingetretenen Veränderungen erfolgt. Die neuen Eigentümer wollten dementsprechend die Restaurants verbessern und den Mitarbeitenden das Tagesgeschäfte erleichtern. Außerdem hat Burger King auf die Vorwürfe reagiert, die benannten Restaurants nach eigenen Angaben geschlossen und "und ein außerordentliches, externes Audit für alle 750 Burger King Restaurants in Deutschland angeordnet, das bis spätestens Ende September 2022 abgeschlossen sein wird".

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