"Die Firma von Spahns Mann" - Rufschaden statt Unschuldsvermutung

22.3.2021, 16:44 Uhr
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (r.) und sein Ehemann Daniel Funke bei den Nibelungen-Festspielen 2019.

© IMAGO / Pacific Press Agency Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (r.) und sein Ehemann Daniel Funke bei den Nibelungen-Festspielen 2019.

In knapp zwei Monaten feiert Jens Spahn seinen 41. Geburtstag. Das ist für einen Politiker noch ein vergleichsweise junges Alter. Doch im zurückliegenden Jahr, zwischen März 2020 und März 2021, hat er mehr erlebt als die meisten älteren Abgeordneten- und Ministerkollegen in ihrem gesamten Berufsleben. Man müsste vermutlich den Begriff von einem "Spahn-Jahr" einführen, um alledem gerecht zu werden.

Grob gesagt lässt sich dieses Jahr in zwei Hälften unterteilen. In der ersten davon galt der CDU-Politiker als ein Mann, der so gut wie alles richtig macht. Zumindest dachte das ein großer Teil der Bevölkerung. In den Umfragen kletterte er immer weiter nach oben - bis hin in die lichten Beliebtheitssphären eines Bundespräsidenten und einer Kanzlerin.

In der zweiten Hälfte ging es fast nur noch bergab. Politische und private Vorwürfe jagten einander in raschem Tempo und inzwischen findet sich Spahn in den Umfragen eher in der Nähe der Problemfälle Armin Laschet und Peter Altmaier. Aktuell sind nur noch 24 Prozent der Deutschen mit seiner Arbeit zufrieden, 69 Prozent dagegen nicht (Forschungsinstitut YouGov).

Die neueste Meldung zum Bundesgesundheitsminister betrifft nicht ihn, sondern seinen Ehemann Daniel Funke. Der Spiegel hat herausgefunden, dass der Arbeitgeber des Partners, der Medienkonzern Burda, im April 2020 eine größere Menge an Schutzmasken (570.000 Stück mit einer Rechnungssumme von gut 900.000 Euro) an das Gesundheitsministerium verkaufte. Funke ist der Leiter der Berliner Hauptstadtrepräsentanz von Burda. Wer würde da nicht kurz aufhorchen.

Der Konzern weist alle Vorwürfe zurück

In etlichen Berichten wurde "die Firma von Spahns Ehemann" daraus. Das klingt ein wenig wie das bayerische "dem Huber seiner Frau ihr Kind". Aber man muss natürlich auch wissen, dass Hubert Burda Media laut dem Online-Lexikon Wikipedia 12.300 Menschen beschäftigt, wohingegen sich "die Firma von Spahns Ehemann" sich doch deutlich mehr nach Verwandtschaftsaffäre anhört.

Der Konzern weist alle Vorwürfe, da könne etwas gemauschelt worden sein, entschieden zurück. Spahns Partner sei weder in die Angelegenheit einbezogen noch auch nur darüber informiert worden. Burda habe nichts daran verdient. Man habe den Einkaufspreis der Masken einfach an das Ministerium weitergereicht. Ob das alles so stimmt, wird in den kommenden Tagen und Wochen sicher detailliert geprüft werden, von den Medien, von der Opposition, gegebenenfalls auch von der Justiz.

Für den Minister ist schon mal der Rufschaden entstanden - egal, was am Ende herauskommt. Es passt vielen eben zu schön ins Bild eines Jens Spahn, der in Berlin in einer Millionenvilla lebt und Auskünfte des Grundbuchamtes an die Medien dazu verhindern wollte. Der auch noch zwei Wohnungen sein Eigentum nennt, von denen er eine jemandem abkaufte, der später an die Spitze einer mehrheitlich bundeseigenen Behörde berufen wurde.

Neue Forderungen nach einem Rücktritt

Wegen der Causa Burda ging es in den sozialen Netzwerken hoch her. Der Hashtag "spahnruecktritt" fand rasch Verbreitung. Alice Weidel von der AfD, Chefin der größten Oppositionsfraktion, merkte an, der Rücktritt sei "nun endgültig überfällig". "Beenden Sie das Trauerspiel. Treten Sie ab" schrieb der Linken-Abgeordnete Fabio de Masi. Der Journalist Jan Fleischauer, eher selten durch Freundlichkeiten gegenüber Spahn aufgefallen, nannte die ganz Geschichte hingegen "bizzar". Er schrieb: "Offenbar reicht es inzwischen, die Worte 'Maske', 'Gesundheitsministerium' und 'Kauf' zu kombinieren, dass es als Vorwurf taugt."

Zwingend nötig wären diese Vorwürfe nicht, um den Minister zu kritisieren. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Punkten, die Anlass dazu geben könnten. Angefangen damit, dass er bei den europäischen Impfstoffbeschaffung als deutscher Ressortchef nicht genügend Einfluss genommen habe. Bis dahin, dass er die Einführung einer umfassenden Corona-Teststrategie versprach, ohne deren termingerechte Umsetzung garantieren zu können.


Bericht: Gesundheitsministerium vergab Aufträge in Milliardenhöhe ohne Ausschreibung


Wegen dieser fachlichen Zweifel gab es bereits Rücktrittsforderungen, unter anderem von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP). In der eigenen Partei denkt derzeit niemand ernsthaft daran, dass er ablösungsreif ist. Kanzlerin Angela Merkel, vor kurzem bei einer Pressekonferenz nach dem Gedanken an eine Entlassung von Spahn gefragt, antwortete denkbar knapp ("Nein").

Immer wieder Kritik wegen Stilfragen

Abgesehen von seinen Fähigkeiten als Gesundheitsminister ist der Münsterländer auch immer wieder wegen Stilfragen im Gespräch. Manche Parteifreunde in der CDU nahmen es ihm übel, dass er kurz vor der Wahl zum Parteivorsitzenden für Armin Laschet Stellung nahm, als eigentlich die normalen Delegierten ihre Fragen stellen sollten. Andere kritisieren, dass seine umfangreichen Immobilienaktivitäten selbst dann unpassend seien, wenn alles nach Recht und Ordnung abgelaufen sei. Er habe doch angesichts seiner jungen Jahre nun wirklich noch genügend Zeit, sich eine solide wirtschaftliche Grundlage aufzubauen.

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