Kommentar: Ein Jahr Corona - und (k)ein Ende in Sicht?

26.1.2021, 06:00 Uhr

Ist weit weg. Geht bald vorbei: So dachten die allermeisten – vor einem Jahr. Bis Corona Deutschland erreichte. Auch dann dauerte es noch Wochen, bevor die Politik jene Regeln einführte, die im Kern auch heute noch gelten. Maßnahmen, wie sie ähnlich auch schon gegen die Pest, die Spanische Grippe und andere Seuchen angewandt wurden: Abstand, im Zweifel Quarantäne, Hygiene. Und nun, endlich und doch rasanter denn je, das Impfen.

Mangelnde digitale Ausstattung

Alte Methoden. Mit den neuen, digitalen Möglichkeiten tut sich Deutschland trotz des Schubs in vielen Branchen teils schwer: Die mangelnde Ausstattung von Gesundheitsämtern und Schulen gehört zu den gravierendsten Defiziten im ersten Jahr der Krise.

Den wohl treffendsten Satz sprach Gesundheitsminister Spahn im April: "Wir werden in ein paar Monaten einander wahrscheinlich viel verzeihen müssen." Verzeihen, dass vieles schief lief und läuft. Weil es eindeutige Antworten, Handlungsanweisungen nicht gab, nicht gibt in dieser Krise.

Zu viel Einfluss der Virologen?

Jeden Tag lernen wir Neues. Alle – auch die Virologen. Sie ziehen aus ihrem Wissen andere Schlüsse als Soziologen oder Pädagogen: Dass wir womöglich zu einseitig auf den Rat der Mediziner setzen – diese Debatte ist ernst zu nehmen. Denn immer offensichtlicher werden nicht nur die direkten Opfer: Inzwischen über 50000 Tote in Deutschland, über zwei Millionen weltweit.


Unwirklich, aber wahr: Ein Jahr Corona in Nürnberg


Die "Nur-eine-Grippe"-Vergleiche verstummen da allmählich. Wir sehen aber auch: eine erst beginnende Pleitewelle. Gefährdete Existenzen. Kinder und Jugendliche, Familien und Alte, denen Elementares, teils Existenzielles genommen wird – Kontakte, Begegnungen, Nähe. Gigantische materielle und immaterielle Folgeschäden.

Gerechter gegensteuern: Das könnte das Land zusammenführen

Der Staat will sie abfedern. Das kann, wo es nur um Geld geht, gelingen; da steuert Deutschland mit seinem Sozialsystem klüger durch die Krise als andere. Die atemberaubenden Summen lassen sich erwirtschaften; im besten Fall setzt die Politik da auf jene Solidarität, die sich gerade zu Beginn der Krise zeigte. Unbestreitbar ist: Corona vergrößert die Kluft zwischen arm und reich. Da gerecht gegenzusteuern, das könnte ein Land zusammenführen, das teils tief gespalten ist wegen der Pandemie.

Zu viele haben das Streiten verlernt, pochen starr auf ihre Position – und zwar nicht nur die selbst ernannten "Querdenker", die teils nur Zweifler sind. Zweifel sind wichtig; um sie zu widerlegen, braucht es Argumente. Auf die lassen sich zu viele gar nicht mehr ein.

Die Politik muss versuchen, sie mitzunehmen – auch indem sie Ernst macht mit der Stärkung systemrelevanter Berufe, mit einem schützenden, vorsorgenden Staat. Der kann, ja muss bei Erfolgen im Kampf gegen die Pandemie Zug um Zug auch jene Freiheiten wieder gewähren, die er noch und notwendigerweise einschränkt.

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