Neue Studie: Bis Ende Juli könnten alle Deutschen gegen Corona geimpft sein

Marina Hochholzner

Online-Redakteurin

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26.04.2021, 12:35 Uhr
Momentan werden in der Bundesrepublik etwa 3,5 Millionen Menschen pro Woche geimpft.

© Matthias Bein, dpa Momentan werden in der Bundesrepublik etwa 3,5 Millionen Menschen pro Woche geimpft.

Bei den momentan eher chaotischen Zuständen in vielen Impfzentren und Hausarztpraxen ist diese Prognose für die Zukunft kaum zu glauben. Dennoch haben zwei Forscher in einer Studie nun errechnet, dass bis Ende Juli tatsächlich alle impfwilligen erwachsenen Deutschen gegen Corona geimpft sein könnten.

"Der aktuelle Ärger über knappe Impfstoffe, überlastete Terminportale und kurzfristig nicht verimpfte Dosen ist nachvollziehbar und Fehler müssen natürlich aufgearbeitet werden. Aber das sollte den Blick nach vorne nicht verstellen", sagt Prof. Dr. Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK).

Denn er weiß: "Die Lieferungen nehmen Fahrt auf. Die Verfügbarkeit der Vakzine ist in wenigen Wochen kein Engpass mehr. Das zentrale Ziel, alle zu einer Impfung bereiten Erwachsenen möglichst schnell zu immunisieren, ist daher erreichbar." Um dieses Ziel zu erreichen, müssten jetzt Politik und Behörden alle Kräfte auf eine Beschleunigung des Impfprogramms konzentrieren.


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Dullien und sein IMK-Forscherkollege Dr. Andrew Watt stützen ihre Berechnungen auf mehrere Faktoren: Daten darüber, wann wie viele der bestellten Impfdosen gegen das Coronavirus zur Verfügung stehen sollen; Umfragenergebnisse zur Impfbereitschaft; die Angaben von Ärzteverbänden zu den Kapazitäten in Hausarztpraxen sowie Erfahrungen mit den jährlichen Grippeschutzimpfungen.

Wie auf der Homepage der Hans Böckler Stiftung zu lesen ist, liegt die Impfbereitschaft aktuell bei etwa 75 Prozent der Erwachsenen, was 52,5 Millionen Bundesbürgern entspricht. Wenn nun diese Zahl mit dem Regierungs-Fahrplan zu den Vakzin-Lieferungen verglichen wird, könnten theoretisch sogar bis Ende Juni alle Impfwilligen vollständig immunisiert werden.

Dabei kommt es aber auf einen entscheidenden Punkt an: Dullien und Watt machen deutlich, dass ab Anfang des zweiten Quartals nicht mehr die Verfügbarkeit der Impfstoffe, sondern die Kapazitäten der Impfeinrichtungen am relevantesten sind. Um den Bedarf abzuschätzen, berechnen die Wissenschaftler einen "Impfpfad", der verfolgt werden muss, um das Ziel 31. Juli zu erreichen.

Momentan werden in der Bundesrepublik etwa 3,5 Millionen Menschen pro Woche geimpft. Das ist bereits ein Erfolg, denn als die Studie im März veröffentlicht wurde, waren es nur 200.000 Menschen am Tag. Für ZDFheute haben die Forscher ihre Berechnungen nun aktualisiert und stellen fest:

Auch wenn sich die angekündigten Liefermengen einzelner Hersteller verändert haben, bleibt das Ziel erreichbar. So konnten etwa die Lieferausfälle von Johnson & Johnson und Astrazeneca durch eine Erhöhung der Liefermenge von Biontech zumindest abgefangen werden. Die Anwendung beider Impfstoffe war in den vergangenen Wochen eingeschränkt worden, weil vereinzelt Fälle von Hirnvenenthrombosen festgestellt wurden.


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"Ein Komplettausfall von Johnson & Johnson und Astrazeneca würde das Erreichen des Politikziels um etwa fünf bis sechs Wochen zurückwerfen", so Andrew Watt. Dieses Szenario halten die Forscher aber beide für unwahrscheinlich.

Die nächste Etappe auf ihrem Impfpfad wäre Watt und Dullien zufolge erreicht, wenn die gefährdetsten Bevölkerungsgruppen zumindest einmal geimpft wurden. "Schnelleres Impfen wird einfacher, je weniger auf eine genaue Priorisierung geachtet werden muss", so Watt.

Gesundheitsminister Jens Spahn rechnet aktuell damit, dass die von der Regierung festgelegte Impfreihenfolge im Juni wohl nicht mehr nötig sein wird. Die beiden Forscher gehen derzeit davon aus, dass das Impfziel bis Ende Juli erreicht werden kann. Dennoch könnten verschiedene Faktoren immer noch Einfluss auf die Impfungen haben und das Ziel doch noch weiter in die Ferne rücken:

So ist noch nicht genau erforscht, ob Geimpfte und Genesene gegen die mutierten Virusvarianten immun sind, oder ob alle Liefertermine eingehalten werden können. Und selbst wenn in Deutschland alle Bürger durchgeimpft sind, ist der Kampf gegen die Pandemie noch nicht beendet.

"Vor einem neuen, pandemiebedingten Rückschlag wird die deutsche Wirtschaft erst sicher sein, wenn Covid19 global bezwungen ist. Dafür sollten die EU-Staaten zusätzlich über COVAC und andere Maßnahmen dafür sorgen, dass möglichst rasch Impfstoffe an außereuropäische Partnerländer verteilt werden können", mahnen die beiden Wissenschaftler am Ende ihrer Studie.


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