So kann sich Lauterbach Lockerungen vorstellen

2.3.2021, 06:00 Uhr
Karl Lauterbach hat zusammen mit einem Forscherteam eine Simulationsrechnung für eine neue Impfstrategie vorgelegt.

© imago images/Christian Spicker Karl Lauterbach hat zusammen mit einem Forscherteam eine Simulationsrechnung für eine neue Impfstrategie vorgelegt.

Deutschland befindet sich bereits am Beginn einer dritten Corona-Welle - davon ist Karl Lauterbach, SPD-Gesundheitsexperte und Professor für Epidemiologie, überzeugt. Mit dieser Einschätzung ist er nicht allein - viele weitere Experten, darunter auch Virologe Christian Drosten, sehen die aktuellen Infektionszahlen mit Sorge.

Lauterbachs Strategie: Ladenöffnungen und trotzdem Schutz vor dritter Welle

Gleichzeitig hinterlassen die Monate des Lockdowns tiefe Spuren bei den Menschen in Deutschland. Viele haben Existenzängste, fürchten um ihren Arbeitsplatz, ihr Geschäft, ihr Lebenswerk.


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Das Land steht vor einem Dilemma: Können wir lockern, während die Inzidenzzahlen wieder steigen und sich Mutationen immer weiter ausbreiten?

Reine Lockdown-Verlängerung sei Warten "wie Kaninchen vor der Schlange"

Karl Lauterbach hat nun eine Strategie vorgelegt, die beides miteinander verbinden soll - Lockerungen genauso wie einen effizienten Kampf gegen das Virus. Seinen Plan, den er zuvor auf Twitter teilte, hat er nun im Gespräch mit dem Spiegel genauer erklärt.


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Eine reine Verlängerung des Lockdowns würde nichts bringen, ist er überzeugt: "Das würde bedeuten, dass wir wie das Kaninchen vor der Schlange warten, bis wir deutlich höhere Fallzahlen haben."

Lauterbach: So vielen Menschen wie möglich die erste Impfung geben

Stattdessen hat Lauterbach einen Plan entwickelt, der auf zwei Säulen beruht: Einer veränderten Impfstrategie und der flächendeckenden Nutzung von Schnelltests.

Der 58-Jährige fordert, den vorhandenen knappen Impfstoff zu nutzen, um so vielen Menschen wir möglich die erste Impfung zu geben und ihn nicht - wie es aktuell mit einem Teil der Dosen gehandhabt wird - zurückzuhalten, um den bereits Geimpften die zweite Dosis geben zu können.

Schon erste Impfung schützt vor schweren Corona-Verläufen

Die zweite Impfung soll nach dem Plan Lauterbachs so weit wie es vertretbar ist hinausgezögert werden. Denn besonders die mRNA-Impfstoffe würden schon rund zwei Wochen nach der ersten Dosis vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen schützen.


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Seine Strategie belegt der Gesundheitsexperte mit einer Simulationsrechnung, die er zusammen mit den Forschern Dirk Brockmann und Benjamin Maier von der Humboldt-Universität in Berlin sowie Michael Meyer-Hermann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung durchgeführt hat. Das veröffentlichte Papier finden Sie unter diesem Link.

Lauterbach: Strategie würde "zwischen 8000 und 14.000 Menschenleben retten"

In der Studie haben die Wissenschaftler errechnet, wie sich das Hinauszögern der zweiten Impfung auf die Anzahl geretteter Leben im ersten Halbjahr dieses Jahres auswirken könnte, wenn die Fallzahlen wieder steigen.

"Da kann man sehen, dass diese Strategie in der dritten Welle – je nach Szenario – zwischen 8000 und 14.000 Menschenleben retten würde", sagt Lauterbach dem Spiegel. Sechs Wochen zwischen erster und zweiter Dosis ist dabei der Maximalzeitraum, den die Hersteller für vertretbar halten.


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Deutschland wäre nicht das erste Land mit dieser Strategie. In Großbritannien haben laut BBC bereits 20 Millionen Menschen die erste und lediglich knapp 800.000 die zweite Dosis erhalten.

Mit wöchentlichem Schnelltest darf man wieder in Geschäfte

In dem Zuge fordert Lauterbach auch, den AstraZeneca-Impfstoff endlich bei Über-65-Jährigen einzusetzen und die Dosen nicht ungenutzt liegen zu lassen. Laut Studien habe der Impfstoff eine hohe Wirksamkeit.


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Die zweite Säule von Lauterbachs Strategievorschlag, sind systematische Schnelltests. In Schulen und Betrieben sollen alle Menschen mindestens einmal pro Woche getestet werden. Mit einem negativem Ergebnis dürfe man dann einen Tag lang in Geschäfte gehen.

Wer nicht zur Arbeit oder zur Schule geht, könnte sich demnach einen Negativ-Nachweis in einem Testzentrum holen. Damit wäre die Öffnung von Läden wieder möglich, so Lauterbach.

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