Grandiose Kulisse

Wie die CSU sich am Tegernsee selbst in Szene setzt

23.7.2021, 14:06 Uhr
Das beherrscht die CSU wie keine andere Partei. Sie inszeniert die Auftritte ihrer Spitzenpolitiker stets vor grandiosen Kulissen wie diesmal am Tegernsee.

© Sven Hoppe, dpa Das beherrscht die CSU wie keine andere Partei. Sie inszeniert die Auftritte ihrer Spitzenpolitiker stets vor grandiosen Kulissen wie diesmal am Tegernsee.

Es ist nicht die Leberkäs-Etage, doch für die Bilder muss selbst die CSU ein Opfer bringen. Das Gut Kaltenbrunn liegt malerisch über dem Tegernsee, hinter der Bühne für die Pressekonferenzen erheben sich sattgrün die Berge, glänzt das Wasser. Dass ein Münchner Edelgastronom das Luxusareal bewirtet und sonst die Münchner Schickeria hier einkehrt, geschenkt.

CSU-Chef Markus Söder bleibt thematisch beim Leberkäse. Seine Botschaften richten sich an andere. Zuvorderst an die Schwesterpartei CDU. An den Mittelstand. An die Handwerker, die kleinen Unternehmen, die kleinen Bauern. An die Familien. Kurz: an so ziemlich alle, die sich nicht zur Schickeria zählen.

Fast auf den Tag zwei Monate sind es bis zur Bundestagswahl. Was Söder so beobachtet im Wahlkampf, behagt ihm nicht. Er sieht bei der Union "Luft nach oben", da sei "mehr drin". Sie müsse endlich "mobilisieren", sagt Söder und legt die Messlatte auf "deutlich über 30 Prozent". Niemand, fügt er an, dürfe den Eindruck erwecken, dass die Union "mit dem Schlafwagen auf langsamer Geschwindigkeit ins Kanzleramt" fahre.

Flexible Wähler

Wen er damit meint, ist diesmal nicht ganz so klar. Bis vor kurzem hatte er bei solchen Sätzen stets auf CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet gedeutet. Doch der kämpft zuhause mit den Folgen der Hochwasserkatastrophe. Laschet, sagt Söder auf Nachfrage, sei "herausragend eingebunden". Wen er dann meint, sagt er nicht.
Der CSU-Chef sieht das Dilemma der Union. Sie muss nach 16 Jahren mit Angela Merkel ohne Amtsbonus in die Wahl. CSU-Spitzenkandidat Alexander Dobrindt beobachtet "eine Flexibilität bei den Wählern, wie sie seit Jahrzehnten nicht zu sehen war". Immer weniger Menschen fühlen sich an eine Partei gebunden, immer mehr entscheiden erst in der Wahlkabine, wem sie ihre Stimme geben. Was jetzt zähle, sagt Söder mahnend, "ist der Bonus des Programms", ganz so, als zähle der gemeinsame Kanzlerkandidat nichts.


Es gehört zu den Ritualen zwischen CDU und CSU, dass die beiden ein gemeinsames Wahlprogramm formulieren. Und die CSU dann mit einem eigenen Papier noch einen drauf packt. Das ärgert die CDU, es soll aber vor allem die eigene Klientel locken. Früher hieß das Papier mal Plan, neuerdings nennt es Generalsekretär Markus Blume ein "CSU-Programm", warum kann er nicht so richtig erklären. Alles habe seine Zeit, sagt er. "Diesmal war uns danach, ein Programm zu verabschieden."

Nahtlose Übereinstimmung

Billig wird das nicht. Schon deshalb hält sich die Begeisterung in der Schwesterpartei CDU in Grenzen. Seit Wochen signalisiert CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet, dass er kein Geld sieht für bayerische Extrawürste. Seit Wochen spiegelt Söder zurück, dass er ohne diese Extras in keine Koalition gehen wird.

Bis jetzt. Er habe sich "mehrfach in den vergangenen Tagen ausgetauscht" mit Laschet, sagt Söder. Man sei "völlig nahtlos in Übereinstimmung. Wir akzentuieren halt bestimmte Punkte noch etwas stärker." Sein Motiv: Er will verhindern, dass die FDP als möglicher Koalitionspartner zu stark werden könnte.

Und so setzt auch Söder auf den Ruf nach Steuererleichterungen vor allem für den Mittelstand. Die politische Linke wolle ihn enteignen, sagt Söder, die CSU wolle das Gegenteil. Auf 18 Seiten listet das Programm die christsozialen Sonderwünsche auf. Die reichen von einem verdoppelten Handwerkerbonus über einen komplett gestrichenen Soli und niedrigere Unternehmenssteuern bis zu neuen Abschreibemöglichkeiten beim Mietwohnungsbau oder einer dynamisierten Pendlerpauschale.

Milliarden für alle

Milliardenschwer ist auch das Paket für Familien. Allein die ausgebaute Mütterrente dürfte drei Milliarden Euro im Jahr kosten. Dazu kommen neben dem Ehegattensplitting ein Kindersplitting, die volle Anrechenbarkeit der Kinderbetreuungskosten und weitere Milliarden für den Kitaausbau. Ein paar Geschenke für die Gastronomie und die Landwirtschaft gibt es auch noch, etwa einen dauerhaft auf sieben Prozentpunkte gesenkten Mehrwertsteuersatz für die Gastronomen oder einen niedrigeren Steuersatz für regional produzierte Lebensmittel.

Es ist ein paar Tage her, dass Söder an einem anderen bayerischen See in ähnlich malerischer Kulisse gewarnt hatte, Deutschland brauche einen Kassensturz, er traue dem amtierenden Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz nicht mehr über den Weg. Wie das alles zusammenpasse, soll er nun erklären, und ob das nicht eher Luftbuchungen seien im CSU-Programm? Das sei alles "nicht sehr viel im Vergleich mit dem Unions-Wahlprogramm", antwortet Söder. "Das sind kleine Sachen, die eine große Wirkung haben."


Wahlprogramm von CDU und CSU: Agenda mit Kompass


Wenn er sie denn durchsetzen kann nach der Wahl. Und wenn seine Partei mitregieren darf. Söder warnt, dass die Stimmungslage indifferent sei und es zu Zufallsmehrheiten kommen könne ohne Union. Deshalb komme es auf eine starke CSU an. Generalsekretär Markus Blume formuliert ein Ziel, das früher jeden Generalsekretär das Amt gekostet hätte. "Wir haben den Anspruch, dass wir die klar stärkste Kraft in Bayern werden", sagt er. Das war mal eine Selbstverständlichkeit für die CSU.

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