Infektionszahlen steigen

Zieht Bayern die Corona-Zügel an? Kabinett tagt am Mittwoch - Einige Kreise reagieren bereits

29.10.2021, 19:18 Uhr
Mühldorf am Inn zählt aktuell zu den am stärksten von Corona betroffenen bayerischen Regionen.

© Matthias Balk, dpa Mühldorf am Inn zählt aktuell zu den am stärksten von Corona betroffenen bayerischen Regionen.

Es ist ein trauriger Rekord: Noch nie lag die Corona-Inzidenz in Bayern so hoch. 221,9 beträgt der Wert aktuell. Rein Rekord.

Mit ursächlich sind die teils extremen Werte in mehreren südlichen und südöstlichen Landkreisen des Freistaates. Dort haben sich die Verantwortlichen jetzt zusammengetan und einen Maßnahmenkatalog beschlossen, der Vorbild sein dürfte für den Rest des Freistaates. Und so erleben die Menschen in den Landkreisen Altötting, Berchtesgadener Land, Miesbach, Mühldorf und Traunstein sowie im Landkreis und der Stadt Rosenheim, was Ministerpräsident Markus Söder bisher nur angedeutet hat.

Sondersitzung am Mittwoch

Söder hat für kommenden Mittwoch sein Kabinett zu einer Sondersitzung zusammengerufen. Die Runde soll beschließen, wie es im Freistaat weitergehen soll, was auf die Schulen zukommt und welche Regeln gelten werden, wenn die Krankenhaus-Ampel auf gelb oder gar rot springt als neues Maß aller Dinge im Kampf gegen die Pandemie.

So müssen sich die Schulen wohl wieder auf eine Maskenpflicht auch in den Klassenzimmern und am Platz für alle einrichten. Dies dürfte für alle Schularten und alle Jahrgangsstufen gelten und nach den Herbstferien starten, mithin in einer guten Woche. Denkbar wäre demnach, dass die Maskenpflicht auch am Platz für mehrere Wochen gilt.

Infektionszahlen bei Kindern und Jugendlichen drastisch gestiegen

Für Söder steht das Land vor einem "sehr schweren Winter, dem vielleicht schwersten Winter der ganzen Pandemie". Söder verweist darauf, dass die Infektionszahlen bei Kindern und Jugendlichen drastisch gestiegen seien und weiter steigen würden. Die Lage sei insgesamt "leider wieder schlecht", sagt der CSU-Politiker. Allerdings macht er deutliche regionale Unterschiede aus. Während im Süden und Südosten des Freistaates die Infektionszahlen zum Teil steil nach oben schnellen, sind sie in Mittel- und Oberfranken am niedrigsten. Es gebe auf Bundesebene wie im Freistaat ein Nord-Süd-Gefälle, sagt Söder.

Nach seiner Analyse lässt sich eindeutig ein Zusammenhang zwischen Impfbereitschaft und Infektionszahlen ableiten. Die Impfquote sei im Süden des Freistaates am niedrigsten, im Norden am höchsten. Bei den Infektionszahlen verhalte es sich umgekehrt.

Neue Corona-Beschränkungen geplant

Weil vor allem in den Corona-Brennpunkten die Krankenhäuser an den Rand ihrer Kapazitäten kommen und Alarm schlagen, prüft Söder derzeit neue Beschränkungen für die betroffenen Regionen. Es werde zwar keinen Lockdown geben, sagt er, auch nicht für Ungeimpfte. Doch es sei klar, dass die Kliniken deutlich schneller volllaufen als in den ersten Wellen. Dort rege sich auch der Widerstand des Personals, weil vor allem Ungeimpfte in den Kliniken landen. "Wir haben eine doppelte Unzufriedenheit", warnt er. Dies gelte für die Geimpften, die unter den steigenden Zahlen litten, und für das Personal, das sich mit ungeimpften Patienten abgeben müsse. "Wir müssen uns deshalb genau überlegen, was der richtige Weg ist."

Springt in den Kliniken die Ampel auf gelb oder rot, hält Söder regional zugeschnittene Einschnitte für sinnvoll. So könne für bestimmte öffentliche Bereiche verpflichtend werden, dass dort die 3G-Regeln aus geimpft, genesen oder getestet vorgeschrieben werden, je nach Lage auch 3G-plus mit PCR-Test oder das am weitesten gehende 2G, das das Betreten nur noch für Geimpfte oder Genesene gestattet.

2G und FFP2

Die eingangs erwähnten Landkreise setzen das schon jetzt um. Wo bisher ein einfacher Mundschutz gereicht hat, sind dort jetzt wieder FFP2-Masken vorgeschrieben. Wo bisher die Regel 3G plus verpflichtend war, die Ungeimpften einen PCR-Test vorschreibt, damit sie etwa einen Club betreten dürfen, gilt jetzt das weit strengere 2G, das nur noch Geimpfte oder Genesene eingelassen werden. "Immer mehr Veranstalter", sagt Söder mit Blick auf ganz Bayern, "stellen auf 2G um."

Wie dramatisch die Lage im Süden bereits ist, zeigt ein Blick in die Kliniken. Sie verlegen ihre Covid-19-Patienten mittlerweile auf entfernte Häuser, weil sie überlastet sind. In Rosenheim ist die Krankenhaus-Ampel auf Rot gesprungen. Gerade in Rosenheim ist die Impfbereitschaft unterdurchschnittlich ausgeprägt. Alle Fachleute sehen einen direkten Zusammenhang zwischen den Fallzahlen und der Impfquote.

Die Behörden, sagt Söder, müssten dies dann konsequent überwachen. Einen Lockdown für Ungeimpfte mit weitgehenden Ausgangsbeschränkungen hält er für nicht durchsetzbar, Einschränkungen für sie aber schon.

Söder spricht über Kimmich, ohne ihn beim Namen zu nennen

Söder drängt weiter darauf, dass sich die Menschen gegen das Virus impfen lassen. Dies sei die einzig richtige Antwort auf die Pandemie. "Es wäre gut, wenn Personen des öffentlichen Lebens wie Fußballer ein Signal setzen", sagt er, ohne den FC-Bayern-Spieler Joshua Kimmich beim Namen zu nennen. Kimmich ist bislang nicht geimpft, weil er sich eigenen Angaben zufolge vor Langzeitfolgen der Impfung fürchtet. "Die einzige Langzeitfolge, die es gibt", antwortet Söder darauf, "hat Corona, nicht das Impfen." Auch deshalb sei er froh, dass das Volksbegehren mit seinen "wirren Argumenten nur bei einem ganz geringen Teil der Bevölkerung verfangen hat", sagt der CSU-Politiker.

Söder lässt derzeit neben den Konsequenzen einer roten Krankenhaus-Ampel auch prüfen, ob die dritte, so genannte Booster-Impfung für alle möglich sein sollte und nicht nur für bestimmte Altersgruppen. Und er erwägt, ob Coronatests zumindest für Geimpfte wieder kostenfrei gestellt werden. Im Moment sind sie für alle kostenpflichtig, ob geimpft oder nicht. "Die Geimpften haben aber ihren Beitrag schon gebracht", sagt er nun. "Das müssen wir prüfen."

Scharfe Kritik

Scharfe Kritik übt der bayerische Regierungschef daran, dass die epidemischen Lage auslaufen und sämtliche noch verbliebenen Corona-Beschränkungen am 20. März kommenden Jahres fallen sollen. "Diese Diskussion ist absurd", sagt er. "Es ist eine epidemische Lage." Niemand könne vorhersagen wie sich die Situation am 20. März darstellt.

Wichtig sei, dass die Länder regional reagieren können. Die Lage sei überall unterschiedlich. "Es wäre gut", sagt Söder, "wenn wir möglichst bald zwischen Bund und Ländern zusammenkommen und beraten, wie das weitergeht."

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