Klappt doch! Winterurlaub mit ungeimpften Kindern
Familien atmen auf: Ab 4. März fallen endlich die Rückreise-Einschränkungen aus Hochrisikogebieten
25.02.2022, 12:38 Uhr
Es ist erneut ein Hin und Her: Vermutlich können Familien viel früher als erst "vor den Osterfeiertagen" nach Österreich, Südtirol oder in die Schweiz zum Skifahren. Der Änderungsentwurf der Reiseverordnung aus dem Gesundheitsministerium soll so vom Kabinett verabschiedet werden, dass er am 4. März in Kraft treten kann - das wäre am Freitag in den Faschingsferien. Wer da und danach heimkommt, muss seine ungeimpften Kinder nicht mehr in Zwangsquarantäne schicken - die Ferien in bisherigen Hochrisikogebieten wären doch möglich.
"Kinder mussten viel verkraften in dieser Pandemie", sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Wochenende in einem Zeitungsinterview. "Deshalb lockern wir die Einreisebestimmungen zu dem Zeitpunkt, da die aktuelle Omikron-Welle ihren Zenit überschritten hat." Der Höhepunkt der Welle war für Mitte Februar avisiert, und die Welle scheint tatsächlich abzuebben. Vermutlich tritt die Neuregelung daher auch viel früher in Kraft, als erst kurz "vor Ostern" Mitte/Ende April - der Termin scheint so gesetzt, dass Familien noch in den Faschingsferien (die offiziell Winterferien heißen) über die Grenze zum Skifahren reisen können.
Kinder können sich direkt bei Rückkehr freitesten
So lautet die offizielle Stellungnahme des Bundesgesundheitsministeriums: "Es ist richtig, dass das Bundesgesundheitsministerium derzeit die Einreiseverordnung ändert. Die jetzige läuft zum 4. März aus. Darauf bereiten wir uns vor. Vorgesehen ist, dass Länder nur noch als Hochrisikogebiete ausgewiesen werden, wenn dort ein gefährlicheres Virus als Omikron grassiert, z.B. mit ähnlich krankmachenden Eigenschaften wie bei der Delta-Variante."
Und weiter: "Kinder unter 12 Jahren sollen die Möglichkeit bekommen, sich nach Rückkehr aus Hochrisikogebieten direkt freizutesten. Die Einstufung von Ländern als Virusvariantengebiet bleibt weiterhin für solche Gebieten vorbehalten, in denen eine neue Variante mit ganz besonders bedrohlichen Eigenschaften auftritt, z.B. die weitgehende Umgehung des Impfschutzes."
Achtung: VOR Rückflug rechtzeitig Corona-Test für Kinder machen
Doch Vorsicht etwa bei der Rückreise mit dem Flugzeug: Die Beförderer sind weiterhin verpflichtet, vor der Rückreise von allen Reisenden einen Impfnachweis, Genesenennachweis oder negativen Corona-Test zu verlagen. Wer das nicht nachweisen kann, darf nicht ins Flugzeug nach Hause steigen. Familien sollten also beachten, dass sie zwar offiziell die Kinder erst nach Rückreise per Test aus der Quarantäne befreien können - für Flüge gilt das aber nicht - hier muss man VOR dem Besteigen des Fliegers nach wie vor auch für Kinder ein negatives Testergebnis vorlegen.
Sie sollten sich also schon vor der Rückreise noch im Urlaubsland rechtzeitig um einen möglichst günstigen Test für ihre ungeimpften Kinder bemühen - am Flughafen kann es zu spät oder aber sehr teuer sein. Und niemand will aus Vergesslichkeit oder Unkenntnis den Flieger verpassen oder das Urlaubsbudget am Ende arg nachstrapazieren.
Kippt ein Gericht schon vorher die alte Rückreiseregel?
Vielleicht kippt sogar ein Gericht den deutschen Sonderweg eh noch vor Fasching. Ein Leser hat uns über seine Musterklage gegen die in Deutschland geltende Regel unterrichtet. Er schreibt: "Vorliegend wurde durch mich an das Landratsamt (Gesundheitsamt) für meine Kinder (beide unter 7 Jahre alt, d.Red.) ein Antrag nach § 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 der Corona EinreiseVO gestellt. Es wurde beantragt die Kinder nach dem Urlaub in der Schweiz von der Absonderung zu befreien. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Ich habe sodann nach § 123 VwGO Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim VG Freiburg gestellt (Az. 2 K 289/22)."

Das Gericht will den Fall noch bis zur Kabinettsentscheidung am Mittwoch, 23.2. liegen lassen, doch dann könnte noch vor den Faschingsferien das Urteil fallen - ein Musterurteil womöglich mit Folgen auch für bereits ausgesprochene Strafen für Eltern, die die Schulpflicht verletzten.
Die EU will schon länger Reisefreiheit für Kinder unter 12 Jahren
Die EU schlägt schon seit 1. Februar vor, Kinder unter 12 Jahren, die aus einem europäischen Hochrisikoland zurückkommen, gar nicht mehr in Quarantäne zu schicken. Schwenkt Deutschland rechtzeitig darauf ein, könnten Familien in den kommenden Faschingsferien ab 26. Februar bis 6. März etwa in Österreich, der Schweiz und Südtirol Skiurlaub machen.
Der Leser beruft sich in seiner Klage ausdrücklich auf die Empfehlung des EU-Rates: "Ich bin der Meinung, dass ich einen Anspruch auf einen positiven Bescheid habe. Gestützt wird der Antrag unter anderem auf die Empfehlung der EU. Eine solche Empfehlung ist zwar für die Mitgliedstaaten nicht verbindlich (Art. 288 Abs. 5 AEUV), die innerstaatlichen Gerichte sind aber verpflichtet, bei der Auslegung innerstaatlicher Rechtsvorschriften, die verbindliche gemeinschaftliche Vorschriften ergänzen sollen, Empfehlungen des Europäischen Rates heranzuziehen."
Überkomme Regel trifft vor allem Familien
Die alte Praxis hatte akut nur noch für eine Minderheit Konsequenzen - das leider noch immer ungeimpfte Viertel der deutschen Bevölkerung. Darunter aber auch viele Mädchen und Jungen, deren Eltern zwar genesen, geimpft oder geboostert sind, die aber noch zögern, ihre Kinder impfen zu lassen. Auch, weil die Stiko das für Kinder unter 12 Jahren noch nicht ausdrücklich empfiehlt. Klar ist aber auch: Es gibt inzwischen sehr viele Kinder zwischen 6 und 12 Jahren, die in der Regel ohne jede Komplikation etwa beim Kinderarzt durchgeimpft wurden.

Doch viele Familien waren vom Regel-Wirrwarr ermüdet - sie sahen sich versucht, trotzdem in ein als Hochrisikogebiet qualifiziertes Nachbarland zum Skifahren zu reisen, anschließend zivilen Ungehorsam zu begehen und auf Einreiseanmeldung und Quarantäne in Deutschland zu pfeifen. Nun müssen sie das Risiko wohl nicht mehr eingehen.
Denn feiern nicht unzählige Länder wie Österreich (5. März) bald ihren Freedom-Day, also den Wegfall fast aller Corona-Restriktionen? Was die Gefahr birgt, dass wir über den Sommer die Pandemie vergessen, Folgeimpfungen verschlafen und uns im Herbst plötzlich wieder im Lockdown finden, weil urplötzlich eine neue Coronavirus-Variante grassiert.
So wird ein Land zum Hochrisikogebiet
"Die Entscheidung über eine Einstufung als Risikogebiet und auch deren Aufhebung treffen die beteiligten Ressorts Auswärtiges Amt, Bundesinnenministerium und Bundesgesundheitsministerium stets gemeinsam", schreibt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf unsere Anfrage. Die Einstufung wird fortlaufend überprüft, die entsprechende Liste auf der Website des RKI wöchentlich aktualisiert.
Entsprechend der Coronavirus-Einreiseverordnung des Bundesgesundheitsministeriums, die schon fast fünf Monate alt ist, werden Gebiete als Hochrisikogebiete eingestuft, wenn dort eine besonders hohe Inzidenz besteht. "Indiz ist regelmäßig eine 7-Tagesinzidenz von deutlich über 100. Neben der Inzidenz werden allerdings auch weitere Faktoren wie die Testrate, die Rate positiver Tests, die Impfquote, die Hospitalisierungsrate und die Robustheit des örtlichen Gesundheitssystems betrachtet", schreibt das BMG. Diskutiert wurde auch, die Schwelle von 100 auf 1000 anzuheben.
Bislang blieb viel Raum für Interpretation: "Das Zusammenspiel der einzelnen Faktoren muss dabei immer im Gesamtbild gewürdigt werden, sodass es zu Hospitalisierungsrate/Intensivbettenbelegung und Impfquote im Einzelnen keine starr festgelegten Grenzwerte gibt. Eine automatische Einstufung als Hochrisikogebiet allein aufgrund des Erreichens einer bestimmten Inzidenz oder Hospitalisierungsrate erfolgt also nicht." Das gilt auch für eine Herabstufung beim Unterschreiten eines einzelnen Grenzwertes.
Maßgeblich sind laut BMG also "tatsächliche und stabile Trends des Infektionsgeschehens, nicht Momentaufnahmen. Aufgrund der komplexen Betrachtung ist eine Prognose, wann eine Einstufung oder Herabstufung für ein bestimmtes Land erfolgen wird, nicht möglich."
Das RKI ist nicht für die Einstufung der Hochrisikogebiete zuständig
Viele gehen davon aus, dass das Robert-Koch-Institut (RKI) dafür zuständig ist, welche Länder auf die Liste der Hochrisikogebiete kommen oder wieder gestrichen werden. Auf unsere Anfrage schreibt Pressesprecherin Susanne Glasmacher: "Das RKI veröffentlicht die Liste der Risikogebiete nur, definiert sie aber nicht." Wobei man annehmen darf, dass im RKI die Experten sitzen, die die Politik beraten. So ganz unbeteiligt wird das RKI also nicht sein, seine Expertise fließt natürlich in die politischen Entscheidungen ein.