Anspannung wächst: Intensivstationen in der Region "auf der letzten Rille"

5.1.2021, 09:24 Uhr

Für die Kleeblattstadt war zwischenzeitlich sogar laut DIVI Intensivregister kein einziges Intensivbett mehr frei. "Wir haben im Großraum etwa 120 Intensivpatienten mit Covid-19, das sind so viele wie noch nie zuvor", betont Dormann, in Fürth Leiter der Zentralen Notaufnahme und Pandemiebeauftragter. In der Adventszeit waren es noch um die 90.

"Es ist überhaupt keine Entspannung in Sicht, es wird immer noch jeden Tag etwas schlimmer. Langsam zwar, aber sehr kontinuierlich", meint Dormann. Wenn in so einer Situation auch noch Hunderte absichtlich gegen die Corona-Regeln verstoßen, wie am Sonntag bei der Demo in Nürnberg, sei das "ein Faustschlag ins Gesicht jedes Klinikmitarbeiters".

Leichen-Kühlung durch geöffnete Fenster

Zwischenzeitlich hatten einige Kliniken in der Region Probleme, die Leichen zu kühlen. Die Kühlräume waren komplett voll, zeitweise mussten andere Räume umfunktioniert werden, die Leichen wurden durch geöffnete Fenster gekühlt. Inzwischen hat die Stadt Nürnberg zusätzlich Kühlcontainer bereitgestellt. "Wir erleben derzeit eine humane Katastrophe", meint Dormann.

Noch nie hat es in der Region zudem so viele ECMO-Patienten gegeben. Wenn eine invasive Beatmung nicht mehr ausreicht, kann man Covid-19-Patienten noch an eine künstliche Lunge außerhalb des Körpers angeschlossen (Extrakorporale Membranoxygenisierung, kurz ECMO). In Fürth gibt es eine solche Behandlung nicht, wohl aber am Klinikum Nürnberg und am Universitätsklinikum Erlangen.

"Wir haben derzeit sechs Patienten an der ECMO. Da braucht man vier Pflegekräfte pro Patient", veranschaulicht Johannes Eissing, Sprecher der Uniklinik, die enorme Belastung durch solche Fälle. Das Uniklinikum versorgt derzeit rund 100 Covid-19-Patienten, davon rund ein Drittel auf der Intensivstation.

Schlechtere Aussichten für Tumor-Patienten

Große Tumor-Operationen hätten vor Weihnachten abgesagt werden müssen, in der Hoffnung, diese Anfang Januar nach dem Lockdown und einer Entspannung der Lage nachzuholen, sagt Harald Dormann vom Klinikum Fürth. Diese Operationen würden sich nun weiter verschieben. "Das ist ein echtes ethisches Dilemma. Über diese Menschen spricht kaum jemand. Dabei haben sie jetzt oft schlechtere Therapieaussichten", sagt Dormann.

Auch außerhalb der Intensivstationen entspannt sich die Situation nicht. Auf den Normalstationen im Bereich der Leitstelle Nürnberg waren am Montag 526 Covid-19-Patienten registriert. An den Vortagen waren es noch weniger als 500 Patienten.

Ein Erfolg des Lockdowns sei es laut Dormann immerhin, dass die Infektionszahlen nicht weiter exponentiell gestiegen sind. "Aber diese Querbewegung reicht nicht aus. Bei den Intensivpatienten gibt es immer noch einen langsamen, aber andauernden Anstieg, der das Fass zum Überlaufen bringt", warnt Dormann. Aus medizinischer Sicht müsse der Lockdown dringend verlängert werden.


Lockdown-Verlängerung rückt näher: Das wird wichtig


Etwas Hoffnung macht dem Mediziner immerhin, dass mittlerweile 476 Mitarbeiter des Klinikums Fürth geimpft wurden, Mitte Januar sollen sie die zweite Impfdosis erhalten. Damit sollten zumindest die Ausfallzahlen bei den Mitarbeitern bald geringer werden.

Hoffnung auf UV-Licht im Frühjahr

Neben der Impfung, dem Lockdown und der Beachtung der AHA-Regeln setzt Dormann auch auf die im Frühjahr langsam zunehmende Sonneneinstrahlung. Das Viren abtötende UV-Licht hat seiner Ansicht sogar einen größeren Effekt als das bei steigenden Temperaturen zunehmend leichter mögliche Lüften.

Seit November ist jeder der 26 Rettungsleitstellen in Bayern ein "Ärztlicher Leiter Krankenhauskoordinierung" zugeordnet, durch dessen Weisungsbefugnis die Verlegung von Patienten in andere Krankenhäuser besser und effektiver koordiniert werden soll.

"Die Lage ist ausgesprochen fragil und in einer anhaltend schwierigen Situation", betonen Prof. Dr. Torsten Birkholz vom Uniklinikum Erlangen und Dr. Peter Krebs vom Klinikum Nürnberg, die beiden Ärztlichen Leiter Krankenhauskoordinierung für den Bereich der Leitstelle Nürnberg.

"Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft", sagen sie über die 14 Akutkliniken im Großraum. Meist seien nicht alle gleichermaßen von Personalausfällen betroffen, so dass man sich gut gegenseitig unterstützen könne. "Alle Häuser in der Region, die ja sonst auch im Wettbewerb stehen, haben sich in den letzten Monaten extrem gut solidarisiert", meint auch Harald Dormann vom Klinikum Fürth.

Kein freies Intensivbett im Landkreis Neumarkt

"Die Versorgung von Notfallpatienten ist weiterhin jederzeit gesichert", heißt es aus dem Klinikum Neumarkt, obwohl im Landkreis laut DIVI Intensivregister kein einziges von 22 Intensivbetten mehr frei war. Die Intensivmedizin habe täglich Ab- und Zugänge, und auch andere Stationen mit einer qualifizierten Überwachung, etwa die Stroke Unit für Schlaganfallpatienten oder die Chest Pain Unit für Herzinfarktpatienten könnten Patienten, die noch nicht wieder auf die Normalstation zurückgelegt werden, sachgerecht versorgen.

"Sollte es zu einer massiven Ausweitung der Covid-19-Pandemie kommen, können wir unsere Intensivkapazitäten auf 35 Betten ausweiten", sagt eine Sprecherin des Klinikums Neumarkt.

Auch im Landkreis Forchheim waren am Montag alle elf Intensivbetten, die das Klinikum Forchheim-Fränkische Schweiz in Forchheim und Ebermannstadt zur Verfügung stellen kann, belegt. "Je nach Situation ist eine kurzfristige begrenzte Erweiterung möglich", sagt Sprecherin Franka Struve.

Verlegung zunehmend schwierig

Kommt ein neuer Covid-19-Intensivpatient könne entweder ein weiterer Bettplatz für eine Übergangszeit zur Verfügung gestellt oder ein bisheriger Intensivpatient auf eine andere Station verlegt werden. Sei all dies nicht mehr möglich, könne auch eine Verlegung in eine andere Klinik notwendig sein.

Laut der Ärztlichen Leiter Krankenhauskoordinierung schränken sich die Möglichkeiten zur Verlegung von Patienten in andere Rettungsbereiche allerdings zunehmend ein, weil diese auch durch die zunehmende Zahl an Covid-Patienten ausgelastet werden.

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