Ärger um Klausuren: Ministerium hält an Präsenzklausuren fest

29.1.2021, 13:46 Uhr
Prüfung mit Abstand und Maske - aber vor Ort.

© Uwe Zucchi, NN Prüfung mit Abstand und Maske - aber vor Ort.

„Heute fand meine erste Präsenzprüfung mit circa 80 Studierenden in einem Hörsaal statt, es galten keine Maskenpflicht am Platz und keine geordneten Ein - und Auslassregeln, alle verließen nach der Klausur den Hörsaal im Pulk“, schreibt ein Student der Uni Erlangen-Nürnberg.

Eine Studentin beschwert sich: „Wenn ich vier Mal mit der Bahn nach Erlangen muss, um mit dutzenden Leuten für 90 Minuten in einem Raum zu sitzen, dann frage ich mich ob das eigentlich ein Witz sein soll - das ist, als würde man alle anderen Maßnahmen und die Opfer, die so viele Menschen in dieser Pandemie bringen, verhöhnen.“

Auch eine Mutter klagt über die Situation im Studiengang ihres Sohnes: „Keine Registrierung und Fragebogen bei Anreise und Einlass der Prüflinge, keine Tests. Die kommen alle verteilt aus der ganzen Republik und gehen so auch wieder nach Hause - wie ist das möglich?“

Jeden Tag erreichen die Redaktion in diesen Tagen zahlreiche solche Nachrichten. An Bayerns Hochschulen hat die Prüfungszeit begonnen. Die Absender sind empört, dass trotz der aktuellen Pandemie-Lage Klausuren vor Ort geschrieben werden müssen statt online.

Zwar haben die Hochschulen vorab aufwändige Hygienekonzepte ausgearbeitet, doch in der Praxis scheinen die nicht immer zu funktionieren. Anfang der Woche war ein Corona-Fall nach einer Prüfung an der Hochschule Ansbach bekannt geworden. 100 Studenten sind seitdem in Quarantäne.

Eine Studentin der Technischen Hochschule schildert den Beginn ihrer Prüfung so: „Vor dem Gebäude war ein riesiger Menschenhaufen und ich war ziemlich stolz auf alle Studenten, weil sich jeder an den Abstand gehalten hat – bis es zum Einlass kam“, schreibt sie.

Ein Sicherheitsbeauftragter im Inneren des Gebäudes versuchte wohl erfolglos, einzelne Gruppen aufgeteilt nach Räumen zum Einlass aufzufordern. „Das Schlange stehen kennt ihr doch vom In-die-Disco-Gehen, stellt euch gefälligst ordentlich hin“, habe er gerufen. Doch die Studentin meint: „Wie sollen sich rund 150 Studenten, die aus sieben verschiedenen Richtung zum Gebäude kommen in eine Schlange stellen?“ Bauzäune, Absperrbänder oder ähnliches wären ihrer Meinung nach sinnvoll gewesen, um die Menge zu lenken.

Auch die Situation in den Prüfungsräumen bemängeln die Studenten: Keine offenen Fenster, keine Geräte zur Luftreinigung und statt die 50 Anwesenden im ganzen Raum zu verteilen, blieb nur jeweils ein Platz zwischen zwei Personen frei. „Ich hätte der Person vor mir die Haare flechten können“, schreibt eine Teilnehmerin.

Unterdessen teilt Bayerns Wissenschaftsministerium mit, an der „Kombination aus Präsenzprüfungen und elektronischen Prüfungen für das Wintersemester festhalten zu wollen“. Nur so sei aus Sicht der Hochschulfamilie gewährleistet, dass das Corona-Wintersemester nicht zu einem verlorenen Semester für die Studentinnen und Studenten werde.

„Aus meinen Gesprächen mit Hochschulen und Studierendenvertretungen weiß ich, dass der Gesundheitsschutz bei allen an oberster Stelle steht“, teilt Wissenschaftsminister Bernd Sibler am Donnerstag mit. „Alle Hochschulen geben ihr Bestes, damit wir Studium und Prüfungen so sicher und erfolgreich wie möglich durchführen können. Alle Sorgen hierbei nehmen die bayerischen Hochschulen und ich äußerst ernst.“

In der gleichen Stellungnahme äußert sich Sabine Doering-Manteuffel, Vorsitzende von Universität Bayern e.V.: „Wir verstehen die Sorgen und Ängste der Studierenden und plädieren nachdrücklich dafür, dass Studierenden, die von der Prüfung zurücktreten, keine Nachteile entstehen“, schreibt die Präsidentin der Universität Augsburg. „In diesem Zusammenwirken von bestmöglichen Hygienekonzepten, Angeboten von Distanzprüfungen und individueller Wahlfreiheit bei der Ablegung von Prüfungen haben wir einen guten Weg beschritten, um auch dieses Wintersemester zu einem erfolgreichen zu machen.“

Dafür hat der Ministerrat am 20. Januar einem Gesetzesentwurf zugestimmt. Die Regeln aus dem Sommersemester sollen demnach weiter gelten. Darin heißt es unter anderem, dass Studierende, die etwa aus Sorge vor einer Ansteckung nicht an einer Präsenzprüfung teilnehmen möchten, keine weiteren Nachteile haben sollen - abgesehen vom Zeitverlust. Sie können ihre Klausuren ins kommende Semester verschieben.

Prüfungen verschieben?

Hilfreich sei das nicht wirklich, bemängeln viele Studenten. Erstens sei noch nicht klar, ob die Corona-Lage im Sommer wirklich besser wird. Zweitens stünden dann ja bereits neue Fächer mit weiteren Prüfungen an, so dass sich die Anzahl immer weiter erhöhe.

Sogenannte Freiversuche soll es nach Wunsch des Ministeriums aber nicht geben. Das würde bedeuten, dass Studenten zwar zur Prüfung antreten, sie bei Nichtbestehen aber nicht als Versuch gewertet würde. Eine solche Änderung der Prüfungsordnung könnten nur die Hochschulen selbst vornehmen. Nach dem Ministerratsbeschluss soll die Gesetzesvorlage in Kürze in den Bayerischen Landtag eingebracht werden.

Anfrage der Opposition im Landtag

Dort hat das Bündnis90/Die Grünen am Mittwoch eine Anfrage zur aktuellen Prüfungslage vorgebracht. Christian Zwanziger, Landtagsabgeordneter aus Erlangen, wollte wissen, wie viele Prüfungen im aktuellen Wintersemester vor Ort und wie viele digital stattfinden. „Eine Antwort bleibt die Staatsregierung mit Verweis auf die Zuständigkeit der Hochschulen aber schuldig“, schreibt Zwanziger, der in Erlangen studiert hat und dort Studierendenvertreter war. „Nach gut zehn Monaten Pandemie, nach den Erfahrungen des Sommersemesters auf ‚nicht zuständig‘ plädieren ist für mich ein Armutszeugnis. Das Präsenzprüfungen mit vielen Studierenden problematisch werden können war absehbar. Die Hochschulen müssen auch finanziell in die Lage versetzt werden, digitale Prüfungen anbieten zu können.“

Auch die hochschulpolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion, die Nürnberger Abgeordnete Verena Osgyan äußert sich skeptisch: „Der viel beschworene ,High-Tech-Standort‘ Bayern kann noch nicht einmal flächendeckend digitale Prüfungen anbieten, was andere Bundesländer, wie zum Beispiel Schleswig Holstein, ganz selbstverständlich leisten.“

Der Vorsitzende von „Hochschule Bayern e.V.“ erklärt dagegen: „Die Bayerische Fernprüfungserprobungsverordnung gibt uns den Rahmen für digitale Prüfungen; und diese sind derzeit - wie es der Name der Verordnung wiedergibt - in Erprobung; aber nicht im flächendeckenden Einsatz“, schreibt Walter Schober, der gleichzeitig Präsident der Technischen Hochschule Ingolstadt ist.

Freuen würde das die Studenten in Nürnberg und Erlangen: „Wir wünschen uns, dass die Prüfungen digital werden, da viele Menschen auf so viele Dinge in dieser Zeit verzichten müssen, während wir uns alle in Massen versammeln“, heißt es in einer der E-Mails. „An Online-Klausuren könnten auch Risikogruppen teilnehmen. Die beste Schutzmaßnahme wäre, sich gar nicht persönlich zu begegnen.“

Die Universität Regensburg setzt das bereits um: "Die Universitätsleitung hat beschlossen, sämtliche schriftliche Präsenzprüfungen vorerst bis zum 13. Februar auszusetzen. Unabhängig von geplanten Teilnehmerzahlen und der möglichen Verteilung auf mehrere Hörsäle finden vorerst keine Präsenzklausuren mehr statt. Gleichzeitig sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass ab dem 14. Februar Online-Distanzprüfungen angeboten werden können.“

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