Blitzmarathon wegen Corona ausgesetzt: Freie Fahrt für Raser?

31.3.2020, 06:00 Uhr
Weil leere Straßen zu überhöhten Geschwindigkeiten verleiten, sei die Polizei verstärkt im Einsatz, heißt es vonseiten des Innenministeriums.

© Wolfgang Fellner, NN Weil leere Straßen zu überhöhten Geschwindigkeiten verleiten, sei die Polizei verstärkt im Einsatz, heißt es vonseiten des Innenministeriums.

Kaum wiederzuerkennen ist die Region gerade. Innenstädte, Plätze und Straßen: Wo sich vorher mancherorts die Menschen zu Stoßzeiten dicht an dicht drängten, ist durch die bayerische Ausgangsbeschränkung Ruhe eingekehrt. Diese hat sich längst auch auf den Verkehr ausgewirkt, auf Autobahnen, Land- und Stadtstraßen tummeln sich deutlich weniger Autos. Keine Rush-Hour bremst mehr aus, viele sind im Home Office oder von der Arbeit freigestellt. Für die Restlichen bedeutet das: freie Fahrt!


Bilanz der Temposünder: So war der Blitzmarathon in Franken


Weil leere Straßen zu überhöhten Geschwindigkeiten verleiten, sei die Polizei verstärkt im Einsatz, erklärt Michael Siefener, Stellvertretender Pressesprecher des Bayerischen Innenministeriums. Statistiken etwa zu vermehrten Unfällen liegen noch nicht vor. "Für derart unverantwortliches und häufig lebensgefährliches Verhalten fehlt uns aber jegliches Verständnis. Das sind keine Kavaliersdelikte." Die freie Fahrt dürfe nicht missbraucht werden. Deshalb drohen neben "saftigen Geldbußen, Fahrverboten bei Gefährdung oder Schädigung anderer sogar auch Freiheitsstrafen."

Und nun fällt auch noch der Blitzmarathon 2020 aus. Das erklärt Siefener auf Nachfrage, er beruft sich dabei auf die Vorgabe des europäischen Polizei-Netzwerks Tispol, das den "Speedmarathon" organisiert. Angesetzt war die Aktion für den 22. April. Bis auf weiteres sei sie ausgesetzt, so der Sprecher des Innenministeriums. Ob sie ganz ausfällt oder nur verschoben wird, "darüber möchte ich nicht spekulieren". Auch dem ADAC ist nicht bekannt, wie es um den Blitzmarathon steht, heißt es.

Normalerweise findet der Blitzmarathon europaweit statt – 2019 zuletzt mit 26 teilnehmenden Ländern und zehn Bundesländern. 24 Stunden lang ahnden Polizisten Geschwindigkeitsüberschreitungen im Straßenverkehr, die Messstellen sind öffentlich einsehbar. So soll für Raserei sensibilisiert und die Anzahl der Temposünder und damit der Verkehrstoten verringert werden. Am 3. April 2019 waren in Bayern etwa 2000 Messstellen vor allem auf Landstraßen eingerichtet worden.
"Wir haben gute Erfahrungen gemacht", erklärt Siefener. Die öffentlichkeitswirksame Veranstaltung sei wichtig, um die Botschaft ins Bewusstsein der Verkehrsteilnehmer zu rücken. "Vor allem die Unbelehrbaren brauchen diese Kontrolle."


Blitzmarathon 2019 in Bayern: Das waren die Messstellen


Eine Studie der Universität Passau, die im Januar publik wurde, lässt aber Zweifel an deren Wirkung aufkommen. Ihr Ergebnis: Zwar sank die Unfallrate am Aktionstag, doch am Tag darauf verschwand dieser Effekt schon wieder - und das obwohl die Aktion da noch medial präsent war. Die Wissenschaftler plädieren für eine andere Lösung: Tempolimits.

Weitere Kritik ist, dass sie viel Polizeipersonal bündelt. Außerdem empfinden es manche als Abzocke, wenn die Polizei auf diese Weise Bußgelder verordnet. Siefener kennt den Vorwurf: "Wir kontrollieren nicht, um Einnahmen zu generieren, sondern um Schaden vorzubeugen." Ob dem Staat im April nun Einnahmen wegfallen, weil der Blitzmarathon nicht stattfindet, darüber kann er keine Angaben machen. Und wie verhält es sich mit Blitzern im Allgemeinen als Einnahmequelle? Immerhin eine weitere Unbekannte für die Kassen in der Corona-Zeit. "Auch das müssen wir erst einmal abwarten."

Verwandte Themen


17 Kommentare