Durch Corona: "Paketflut ist der reine Horror"

19.12.2020, 05:48 Uhr
Durch Corona:

© Foto: Florian Gaertner/imago

"Die Paketflut nimmt zu. Vor allem seit der Corona-Pandemie ist es nur noch Horror. In diesem Jahr ging der Stress deswegen auch voll durch, es gab keine Verschnaufpause. Früher waren die ruhigen Wochen Juli, August. Im März ging es los, das war für uns Weihnachtsverkehr, also Gutscheine einlösen, Retouren und Umtausch. Das hat seither fast nicht nachgelassen, und zu diesem Weihnachtsverkehr kommen jetzt, in der Vorweihnachtszeit, noch einmal fast 20 Prozent obendrauf. Das Weihnachtsgeschäft ging also durch.

Paketmasse passt nicht mehr ins Auto

In der Vorweihnachtszeit haben wir Weihnachtszusätze, das heißt, es ist eine Person da, die aus fünf verschiedenen Bezirken Teile mitnimmt. Ungefähr ein Fünftel meines Bezirkes wird von jemandem anders mitübernommen. Sonst wäre das auch gar nicht zu schaffen, wir kriegen ja die Paketmasse oft nicht einmal mehr ins Auto. Wenn jetzt keine Zusatzkraft da wäre, würde es so laufen müssen: Wir lassen die Post im Auto und stellen nur noch die Pakete zu, damit wir längstens nach zehn Stunden fertig sind.

Versandhandel ist explodiert

So viele Sachen, die bestellt werden, in den vergangenen Jahren ist der Versandhandel explodiert, die eigentlichen Postsendungen sind ja völlig im Lot, das geht eher zurück: Es gibt kaum noch Monatskataloge und Briefe werden auch weniger. Aber die Pakete: Das ist wirklich Schwerstarbeit, so viel Hundefutter, das jetzt bestellt wird. Pferdefutter, Windeln, Pakete aus Drogerien und sechs Kartons Klamotten, sogar in Nicht-Lockdown-Zeiten. Jetzt ist mit dem zweiten Shutdown ja wieder ein Ausnahmezustand. Aber ganz generell: Die Firmen dürfen in ihre Pakete bis zu 31,5 Kilo packen. Die kleinen Bücher- und Kaffeesendungen würden keinen Menschen stören.

Billiger im Internet

Aber muss man Babywindeln im Internet bestellen? Muss das Katzenfutter mit der Post kommen? Ja, es muss, weil die Firmen oft über das Internet alles viel billiger anbieten als wenn man zum Fressnapf geht. Durch Corona hat sich das noch verstärkt. Es sind nicht die Älteren, die jetzt wegen Corona mehr bestellen, es sind Jüngere zwischen 18 und 45, die die Masse bestellen, das hat mit Angst vor Ansteckung nichts zu tun. Unsere eigene Angst? Da hat unser Arbeitgeber, o Wunder, doch mal tatsächlich etwas Gutes für uns getan, was sonst ganz selten der Fall ist: Wir müssen nicht mehr persönlich unterschreiben lassen, sondern können mit Abstand im Auftrag für den Kunden das Paket unterschreiben.

Große, schwere Sachen sind schlimm

Aber abgesehen davon: Was wirklich schlimm ist, sind die großen schweren Sachen. Im Herbst hat es zum Beispiel Grills im Angebot gegeben, die großen, und auch die wurden mit der Post verschickt. Die Post macht es ziemlich günstig, sie bietet einen guten Service, da wird halt alles mit der Post verschickt – und genau das ist es, was uns so extrem belastet. Die Masse und das Gewicht. Das Ganze ist körperlich anstrengend: Wenn ich von der Arbeit heimkomme, bin ich tot. Dann gibt es nur noch Kühlschrank, Küche aufräumen, Badewanne und dann nichts mehr. Es ist so extrem belastend. Das kann sich niemand vorstellen.

Von den Neuen bleibt nur die Hälfte

Von unserem neu eingestellten Personal bleibt ungefähr die Hälfte, wenn überhaupt, dann sind wir glücklich. Viele meinen, wir gehen nur ein bisschen spazieren und laufen mal hier und mal dort hin. Aber wir brauchen früh schon fast eine Stunde, bis die Pakete überhaupt im Auto sind. Vorher muss die ganze Paketflut für jeden einzelnen Bezirk sortiert werden. Das ist mittlerweile grenzwertig. Wenn ich für das Geld etwas anderes finden würde, wäre ich schon längst so weit, dass ich sage, ich mache jetzt etwas Anderes.

Den Bericht der Postzustellerin, die irgendwo im Verbreitungsgebiet von Nordbayerischen Nachrichten (Herzogenaurch, Pegnitz und Forchheim) und Erlanger Nachrichten unterwegs ist und mit Blick auf ihre Arbeitgeberin, die Deutsche Post DHL Group, anonym bleiben möchte, kann Thomas Hampel nur unterstreichen. Der Gewerkschaftssekretär der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Mittelfranken für den Fachbereich Postdienste, Speditionen und Logistik hört solche Schilderungen immer wieder.

Postaufkommen durch Corona gestiegen

Durch Corona sei das Postaufkommen enorm gestiegen, das merke man auch bei Hermes oder DPD, sagt er. Beim ersten harten Lockdown waren die Geschäfte zu, und danach bestellten viele weiterhin durchgehend online — bis zum jetzigen zweiten Shutdown. "Das führt zu einer Riesen-Mehrbelastung", sagt Hampel. Die Post habe zwar zur Entlastung zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, doch das sei schwierig: "Gerade jetzt braucht man Leute, die eine gute langfristige Einweisung bekommen haben." Wenn man ohnehin schon über der Leistungsgrenze sei und dann komme noch einmal etwas an Sendungsmengen dazu, dann sei irgendwann "Ende der Fahnenstange". Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Beschäftigten verstärkt krank würden. Vielmehr müssten sie ihre Arbeit abbrechen, um ihre Zeiten nicht zu überschreiten.

"Pakete bilden Rattenschwanz"

Die Paketflut vor Weihnachten ist durch Corona verschärft worden.

Die Paketflut vor Weihnachten ist durch Corona verschärft worden. © Daniel Karmann (dpa)

"Die Pakete bleiben für den nächsten Tag liegen und bilden einen Rattenschwanz". Der Krankenstand sei dennoch bei der Deutschen Post prozentual nicht höher als im Vergleichszeitraum 2019. Was der Gewerkschafter vor allem fordert: "Die Post muss den Beschäftigten eine Zukunft bieten und nicht immer nur befristete Verträge oder Monatsverträge, das ist für die Beschäftigten zu unsicher", sagt er, "sie brauchen eine Perspektive". Auch das oft vorgebrachte Arbeitgeber-Argument, dass im Vergleich mit anderen ähnlichen Dienstleistern die Post-Gehälter besser abschneiden, dürfe da in der Debatte nicht immer überwiegen. Der Einstiegsstundenlohn im Bereich Erlangen liegt in der Zustellung mit einer 38,5-Stundenwoche bei 14,17 Euro. Zum 1. Januar 2021 bekommen die Postler drei Prozent mehr Lohn.

Die Post ist sich des Problems bewusst

Die DHL musste zu Ostern 2020 rund neun Millionen Pakete zustellen. Zu Weihnachten könnten es aufgrund des Lockdowns noch mehr werden.

Die DHL musste zu Ostern 2020 rund neun Millionen Pakete zustellen. Zu Weihnachten könnten es aufgrund des Lockdowns noch mehr werden. © via www.imago-images.de, imago images/Waldmüller

Bei der Deutschen Post DHL Group ist man sich der gestiegenen Arbeit durchaus bewusst. Die deutsche Post stellt im Schnitt 5,2 Millionen Pakete pro Werktag zu, zu Spitzenzeiten wie an Ostern 2020 waren es sogar bis zu 9 Millionen. Die Post habe aber dem durch das Coronavirus gestiegenen Aufkommen Rechnung getragen und bereits 4000 der 10.000 Weihnachtkräfte aus der Saison 2019/20 behalten, erläutert Pressesprecher Erwin Nier. Jetzt, zum Weihnachtsgeschäft 2020/21, kommen erneut 10.000 befristete Kräfte hinzu. Aus durchschnittlich rund 200 bis 220 Paketen pro Zusteller und Werktag können dann bis zu 280 werden. Doch bei großer Mehrbelastung kämen extra Mitarbeiter hinzu. "Wir waren also auf das Weihnachtsgeschäft gut vorbereitet", meint Nier. Aber lassen sich denn die maximal erlaubten 31,5 Kilo, über die die Zustellerin im Gespräch mit diesem Medienhaus besonders klagt, nicht etwas reduzieren? Erwin Nier winkt ab: "Das ist eine Wettbewerbsgeschichte", antwortet er, "da kann man nichts machen".

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