Landesschülersprecher kritisiert

Frontalunterricht wie vor der Krise

29.7.2021, 12:31 Uhr
Können Schülerinnen und Schüler wenigstens vom Digitalisierungsschub profitieren? Landesschülersprecher Moritz Meusel sagt: Bisher nicht. Der Präsenzunterricht geht so weiter wie vor der Krise.       

© dpa/Philipp von Ditfurth, NNZ Können Schülerinnen und Schüler wenigstens vom Digitalisierungsschub profitieren? Landesschülersprecher Moritz Meusel sagt: Bisher nicht. Der Präsenzunterricht geht so weiter wie vor der Krise.     

Wohin soll die Abschlussfahrt denn gehen?

Meusel: Zur Auswahl stehen das Allgäu, Berchtesgadener Land, Dresden oder Leipzig.

Sie haben das Amt als Landesschülersprecher im Januar angetreten, also mitten im Lockdown. Wie viel konnten Sie in der Kürze der Zeit erreichen?

Meusel: Womit wir zufrieden sind, sind Test- und Maskenpflicht. Auch bei den Notenkonzepten haben wir viel mitgesprochen. Was jetzt noch geschehen muss - da hat sich leider noch viel zu wenig getan -, ist die Anpassung der Lehrpläne.

Es wurde viel über Schülerinnen und Schüler geredet - wie geht es ihnen nach dem Lockdown wirklich?

Meusel: Ganz, ganz viele sind am Ende. Die brauchen echt eine Pause. Da kann ich nur dafür werben, zuzuhören und Verständnis zu zeigen. Oft wurde der Distanzunterricht abgetan oder ins Lächerliche gezogen. Dazu kann ich nur sagen: Es ist mit das anstrengendste Schuljahr gewesen, das ich in meinen zwölf Schuljahren erlebt habe.

Landesschülersprecher Moritz Meusel kommt aus Bamberg.

Landesschülersprecher Moritz Meusel kommt aus Bamberg. © privat

Gibt es Schularten, die durch die Pandemie noch mehr gelitten haben?

Meusel: Wie man durch die Krise gekommen ist, hing schon stark vom sozialen Hintergrund ab. Was mir berichtet wurde, haben sich zum Beispiel Gymnasiasten leichter getan mit dem Distanzunterricht, weil sie das selbständige Lernen besser beherrschen als zum Beispiel ein Mittelschüler. Lorena Bulla, das ist die Landesschülersprecherin für Mittelschulen, hat mir von sehr, sehr schlimmen Zuständen an Mittelschulen berichtet.

Fürchten Sie einen Corona-Stempel für Ihre Schülergeneration?

Meusel: Fakt ist: Wir sind Corona-Jahrgänge. Aber ich sehe das weniger negativ, sondern eher als positives Prädikat. Wir haben nicht weniger, sondern viel, viel mehr geleistet. Und sind besser als andere Jahrgänge für das künftige Berufsleben vorbereitet, Stichwort Selbständigkeit, Kreativität, technische Skills.


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Aber das wird so nicht im Zeugnis und nicht im Abschluss stehen.

Meusel: Nein, leider nicht. Die Note spiegelt höchstens wieder, ob man den Satz des Pythagoras kann. Was jeder einzelne Schüler sich erkämpft und geleistet hat, auch mental, steht nirgends. Ich halte vom Konzept Note wenig. Ich bin ein Riesenfan von Kompetenzrastern nach skandinavischem Vorbild. Weil das viel realistischer darstellt, was man wirklich kann und was nicht. Da wird nicht einfach nur stumpf eine Zahl vergeben.

Sind Sie gehört worden von der Politik? Fühlen Sie sich ernstgenommen.

Meusel: Jein. Gehört wird man auf jeden Fall und auch ein Stück weit ernstgenommen. Es gibt ja nicht nur das Kultusministerium und die Regierung, sondern auch die Opposition, die unsere Anliegen direkt ins Parlament trägt. Leider waren wir mit unserem Anliegen den Lehrplan betreffend bisher nicht erfolgreich.

Wir müssen über die Digitalisierung sprechen. Corona habe auch in Schulen einen Schub ausgelöst, heißt es. Was ist davon übriggeblieben, wie sieht der Unterricht jetzt aus?

Meusel: Im Prinzip so wie vor der Krise: analoger Frontalunterricht. Es mangelt an manchen Schulen noch immer an der Infrastruktur. Vor allem aber hat sich die Unterrichtsgestaltung nicht groß verändert. Da ist viel Raum nach oben. Dazu gehört auch die digital-didaktische Kompetenz der Lehrkräfte, also das Wissen, wie ich welche Methoden am besten einbinde.

Immerhin stellt das Kultusministerium jetzt mit Visavid ein eigenes Videotool zur Verfügung.

Meusel: Es war seitens der Regierung ein Schnitt ins eigene Fleisch, die Verträge mit Microsoft Teams auslaufen zu lassen. Visavid ist aus unserer Sicht pädagogisch-didaktisch nicht wertvoll. Wir haben viele verschiedene Phasen des Distanzunterrichtens erlebt, und die mit reiner 1:1-Umsetzung des Unterrichts mittels Video war mit Abstand die anstrengendste und unproduktivste. Es ist einfach nicht möglich, sechs Stunden vor einem Bildschirm dem Unterricht zu folgen.

Das heißt, jede Kommune, jede Schule kocht nach wie vor ihr eigenes digitales Süppchen?

Meusel: Ja. Sie können sogar noch weiter gehen - eigentlich auch jeder Lehrer. Weil es einfach nicht die eine Plattform gibt. Es wird sich rächen, dass man es bis heute nicht geschafft hat, eine einheitliche, sichere, verlässliche und funktionstüchtige Lernplattform auf die Beine zu stellen. Bis heute nicht!


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Sind Sie zufrieden mit der Arbeit des Kultusministeriums und der Staatsregierung?

Meusel: Ich ziehe eine gemischte Bilanz. Tendenziell eher nicht. Zum Beispiel wurde oft versprochen, dass man Bildung Priorität einräumt. Das war nicht der Fall. Es sind Baumärkte früher geöffnet worden als die Schulen. Ich sehe aber auch, dass versucht wurde, uns an einigen Stellen zu entlasten.

Sind Schulen jetzt besser gerüstet für die vierte Welle?

Meusel: Wir hatten kürzlich die vierte Landesschülerkonferenz. Unser gemeinsamer Eindruck war: Es geht so weiter wie bisher, ohne Konzept. Und bei der Ausstattung der Schulen mit Raumluftfiltern wird viel zu unentschlossen vorgegangen. Oft, und das ist sehr frustrierend, wird die Verantwortung hin- und hergeschoben. Die Staatsregierung sagt: Da sind die Kommunen zuständig. Und die Kommunen sagen: Wir haben kein Geld, das muss der Freistaat regeln. Das ist das Absurde, was ich bis heute nicht verstehe. Das sind alles Steuergelder, die in unnötig viele Töpfe fließen - das Ganze ist viel zu kompliziert und bürokratisiert und am Ende hat niemand was davon.

Sie dürfen das erste Mal wählen. Was erwarten Sie von der neuen Regierung?

Meusel: Bildung ist Ländersache, aber was ich von der Bundesregierung erwarte, ist unkompliziert zu helfen. Wir haben es beim Digitalpakt Schule gesehen: Da ist eine Menge Geld in die Hand genommen worden, aber von dem Geld ist unten nur wenig angekommen, weil das Verfahren viel zu kompliziert war. Wir haben einen derartigen Innovationsstau im Schulsystem, das wir es uns nicht leisten können, erst durch 40 Behörden mit 30 Anträgen zu gehen, bevor am Ende irgendwo ein Laptop ankommt. Das muss schneller gehen.

Hier geht es auf die Internetseite des Landesschülerrats.

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