Kalt erwischt: Gestrandet in Peru bei Ausgangssperre

28.3.2020, 06:00 Uhr
Kalt erwischt: Gestrandet in Peru bei Ausgangssperre

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Für Reisende wurde plötzlich eine Ausgangssperre verhängt, Flüge wurden gestrichen, der zivile Teil von Flughäfen geschlossen. Peru hat das gesamte Land unter Quarantäne gestellt. Anfänglich 4000, inzwischen etwa 2500 deutsche Touristen sitzen noch immer fest. In den Straßen patrouilliert Militär. Wie es weitergeht, ist unklar. Das Krisenvorsorgeprogramm der Bundesregierung "Elefand" (Elektronische Erfassung von Deutschen im Ausland) ist völlig überlastet.

Das Auswärtige Amt kommuniziert mit den Peru-Urlaubern mittlerweile über Facebook. Übermittelt wurde bisher vor allem dies: Pro Person müssten sich Reisende für de Flug Lima-Frankfurt mit 800 bis 1000 Euro beteiligen. Viele Reisenden besitzen zwar Rückflugtickets, diese Flüge existieren jedoch nicht mehr.

Hier der Originalton der Reisenden Klaus und Andrea aus Herzogenaurach, deren Namen geändert wurden. "Wir sind am 24. Februar mit der Freundin unseres Sohnes nach Lima geflogen, um das Land und ihre Familie kennen zu lernen, sowie um unseren Sohn zu treffen, der seit ein paar Monaten in Südamerika unterwegs ist. Im völlig unterkühlten Flugzeug habe ich (Andrea) mir eine Erkältung zugezogen, deren Husten noch zu einem Problem für mich werden sollte.

Nach ein paar Tagen in Lima sind wir zu zweit, Klaus und ich, weitergezogen. Corona war zu dem Zeitpunkt noch kein Thema, es gab hier noch keine gemeldeten Infizierten.



Wir sind selbstorganisiert auf einer üblichen Touristenstrecke über die Küste ins Hochland gefahren. Lima – Paracas (Islas Ballestas mit Guano-Produktion und Seelöwenkolonien), dann Ica (die einzige natürliche Oase auf dem Kontinent und Dünen soweit das Auge reicht), Arequipa (Weltkulturerbe mit dem einzigartigen Santa Catalina Kloster), Chivay (Colca Canyon mit Kondoren), Puno (Titicacasee), mit dem Zug nach Cusco. Wir haben sagenhafte Landschaften und Tiere gesehen und sehr nette Menschen getroffen."

In Cusco traf sich das Paar wieder mit seinem Sohn und dessen Freundin, um Machu Picchu und das Heilige Tal gemeinsam anzusehen. Derweil trafen erste Nachrichten über Corona-Fälle in Peru ein. "Mein penetranter trockener Husten erregte allmählich Aufmerksamkeit, Leute sind mir ausgewichen", schreibt Andrea.

Am 13. März brach das Paar zur letzten Reise-Etappe nach Iquitos im Amazonas-Gebiet per Flugzeug auf. "Dort war es traumhaft, Natur pur, kein Internet. Erste Meldungen über Grenzschließungen in Europa haben uns erreicht. Ein befreundetes australisches Ehepaar hat uns noch bemitleidet. Sie sitzen mittlerweile auch fest." Am dritten Tag dann, auf einem Ausflug in den Regenwald wurden die Reisenden von einem Motorboot eingeholt. Ihnen wurde mitgeteilt, dass alle Ausländer sofort zum Flughafen Iquitos gebracht werden müssten. Dort kam die Information, nur noch bis Mitternacht würden Internationale Flüge aus Lima rausgehen. Nach Stunden bangen Wartens erreichten sie mit der letzten Maschine Lima. Von dort jedoch ging kein einziger Flug mehr Richtung Europa.

Polizei- und Militärkolonnen marschierten im Flughafen auf. Vereinzelt waren weinende und hyperventilierende Leute zu beobachten. "Ohne Vorankündigung galt ab 24 Uhr eine landesweite Ausgangssperre, die zusammen mit dem nationalen Notstand und einer obligatorischen sozialen Isolierung (Quarantäne) verkündet wurde. Praktisch von jetzt auf gleich."

Der Sohn besorgte dem Paar in der Nähe der Familie seiner Freundin ein Hotelzimmer. Auf dem Weg dahin mussten wir mehrere bewaffnete Militärkontrollen passieren. Aus verschiedenen Gründen wechselten sie zweimal die Unterkunft. Bei einem Ortswechsel gerieten sie in eine bewaffnete Militärkontrolle.

"Ich habe vor lauter Angst einen Hustenanfall zurückgehalten. Danach habe ich dem Taxifahrer ins Auto erbrechen müssen", schildert Andrea ihren Stress.

Die Sinnlosigkeit des Ausreiseverbotes für Ausländer, und wie es scheint insbesondere für die Deutschen, erscheint ihr am unverständlichsten, wie sie schreibt: "Die meisten anderen Nationen ziehen an uns vorbei und fliegen heim. Über den Grund wird viel spekuliert."

Die Kommunikation der deutschen Botschaft erscheint ungenügend: "Es kann nicht sein, dass man sich erst bei Facebook oder Twitter anmelden muss, um an umfangreichere Informationen einer staatlichen Behörde zu kommen, als die, die auf ihrer Internet Homepage stehen." Was das Paar auch besorgt, ist die Zukunft der Freundin ihres Sohnes. Sie hat einen Aufenthaltstitel in Deutschland, der konstant erneuert werden muss, um ihn nicht zu verlieren. Er läuft in Kürze ab, was dann?

Dass in Peru so schnell Maßnahmen gegen Corona umgesetzt werden, halten die Reisenden für richtig.

Schließlich gebe es in Peru kaum medizinische Versorgung und eine Ausbreitung wie in Europa wäre ungleich verheerender, so die Einschätzung. Bei der peruanischen Botschaft in Berlin fragten sie nach der Sinnhaftigkeit des Ausreiseverbotes, bekamen bis dato "aber nur eine ausweichende Antwort".


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